Leitsatz
Allein eine Fehlüberweisung rechtfertigt keinen zusätzlichen Freibetrag auf dem P-Konto in dieser Höhe. Der Ausgleich hat zwischen dem Schuldner und dem Dritten ohne Benachteiligung des Pfändungspfandgläubigers zu erfolgen.
AG Kassel, 13.10.2015 – 620 M 365/14
1 I. Der Fall
Die umstrittene Fehlbuchung
Die Gläubigerin pfändete die Ansprüche des Schuldners gegen dessen Kreditinstitut aus § 833a ZPO. Der Schuldner beantragte darauf eine "Kontenfreigabe", da die Gemeinde B. versehentlich 3.000 EUR auf sein Konto überwiesen habe. Es handele sich um eine Fehlbuchung. Dem hat der Gläubiger widersprochen und darauf verwiesen, dass die Gemeinde ebenfalls Gläubigerin des Schuldners sei und mit dem Antrag eine bevorrechtigte Befriedigung erreicht werden solle.
2 II. Die Entscheidung
Fälle der Freibetragsanpassung
Der Antrag des Schuldners ist zurückzuweisen. Für die vom Schuldner begehrte Freigabe von Kontoguthaben besteht keine Rechtsgrundlage. Soweit Vollstreckungsschutz gemäß § 850k ZPO begehrt wird, ist eine Erhöhung des Pfändungsfreibetrages über den bestehenden (Mindest-)Freibetrag hinaus nicht gerechtfertigt. Der Freibetrag kann zugunsten des monatlich wiederkehrenden Einkommens unter Berücksichtigung von Unterhaltsverpflichtungen oder aufgrund der Höhe des bezogenen Einkommens angepasst werden.
Im konkreten Fall alles gesichert
Der Schuldner verfügt nach eigenen Angaben über Einkommen aus Rente und Grundsicherung von insgesamt 441 EUR monatlich. Der Mindestfreibetrag eines Pfändungsschutzkontos ist ausreichend, um dem Schuldner Zugang zu seinem monatlich wiederkehrenden Einkommen zu verschaffen; Unterhaltspflichten sind darüber hinaus nach den Angaben aus dem Antrag nicht vorhanden. Auch handelt es sich vorliegend gerade nicht um Zahlungen aus wiederkehrenden Einkommen, so dass die Anwendung von § 850k ZPO ausscheidet.
Auch kommt eine Freigabe nach § 765a ZPO vorliegend nicht in Betracht. Eine sittenwidrige Härte ist für den Schuldner bei Vollzug der Vollstreckungsmaßnahme nicht vorgetragen; eine solche ist auch nicht erkennbar.
3 Der Praxistipp
Titulierter Gläubiger geht vor
Der Gläubiger hat genau richtig reagiert und sich von der Behauptung einer Fehlbuchung nicht beeindrucken lassen. Diese bleibt für die Rangfolge der Gläubiger nämlich unerheblich. Hat der Dritte fälschlich einen Betrag auf das Konto des Schuldners überwiesen, so hat er (lediglich) einen Bereicherungsanspruch nach § 812 BGB gegen den Schuldner und keinen Auszahlungsanspruch gegen das Kreditinstitut. Dieser untitulierte Anspruch geht grundsätzlich dem titulierten und durch das Pfändungspfandrecht gesicherten Anspruch des Vollstreckungsgläubigers nach. Der Grund für diese Situation ist im Verhältnis zum Gläubiger ohne Belang.
Der Schuldner hat auf seinem P-Konto einen Grundfreibetrag nach § 850c Abs. 1 S. 1 von derzeit 1.073,88 EUR. Dieser Freibetrag kann für die erste unterhaltsberechtigte Person um 404,16 EUR und für die 2. bis 5. unterhaltsberechtigte Person um jeweils weitere 225,17 EUR erhöht werden. Das kam im konkreten Fall mangels unterhaltsberechtigter Personen nicht in Betracht. Weil der Schuldner seinen Pfändungsfreibetrag von 1.073,88 EUR mit seiner Rente von 441 EUR nicht ausschöpfte, bleibt ein Teil der Fehlbuchung allerdings pfändungsgeschützt. Pfändbar sind nur 2.367,12 EUR (441 EUR + 3.000 EUR – 1.073,88 EUR).
Auch einer der Schutzanträge nach § 850k Abs. 4 ZPO, der auf die Schutzanträge bei der Pfändung von Arbeitseinkommen Bezug nimmt, brachte den Schuldner vorliegend nicht weiter. Geht etwa Arbeitseinkommen auf dem P-Konto ein, kann der Schuldner so die zusätzlichen Pfändungsfreibeträge nach § 850c Abs. 2 ZPO zur Geltung bringen. Weder dieser Fall noch ein zusätzlicher persönlicher oder beruflicher Bedarf (§ 850f Abs. 1 ZPO) lagen hier vor, so dass auch über diesen Weg eine Anhebung des Pfändungsfreibetrages zu Recht abgelehnt wurde.
Achtung!
Nicht jedes Vollstreckungsgericht arbeitet nach den Erfahrungen der Praxis so nah an den gesetzlichen Vorschriften. Zur Vermeidung des weiteren Rechtsmittelweges empfiehlt es sich für den Gläubiger deshalb schon im Antragsverfahren, auf die in Betracht kommenden Normen hinzuweisen und das Vorliegen der notwendigen Voraussetzungen zu bestreiten bzw. zu widerlegen.
Keine besondere Härte für den Schuldner
Ungeachtet der Frage, ob die Fehlüberweisung für den überweisenden Dritten eine besondere Härte darstellt, fehlt es jedenfalls an einer besonderen Härte der Zwangsvollstreckung für den (begünstigten) Schuldner, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Ein Schutz nach § 765a ZPO schied deshalb schon im Ansatz aus.
Achtung!
Auch hier gilt, dass der Gläubiger bei Drittbeteiligung darauf hinweist, dass § 765a ZPO nur den Schuldner, nicht aber einen Dritten schützt. Allzu schnell überwiegt das Urteil eines "unbilligen Ergebnisses". Das entspricht aber nicht der Rechtslage und der gesetzlichen Risikoverteilung für Fehlüberweisungen. Der Gläubiger ...