Leitsatz
1. Der Anspruch des Gläubigers gegen den Drittschuldner auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten für die erste Zahlungsaufforderung setzt nach § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO voraus, dass die Nichtabgabe oder nicht rechtzeitige Abgabe der Drittschuldnererklärung für jene Tätigkeit des Rechtsanwalts ursächlich ist. Das ist nur dann der Fall, wenn die Hauptforderung nicht durchsetzbar ist und sich das aus der richtig und rechtzeitig abgegebenen Drittschuldnererklärung ergeben hätte. Anderenfalls kommt ein solcher Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten – bei der ersten Zahlungsaufforderung liegt regelmäßig kein Verzug vor – nicht in Betracht.
2. Zu einem schlüssigen Klagvortrag für eine auf § 840 Abs. 2 S. 2 ZPO gestützte Klage gehört ein Tatsachenvortrag zur Begründung der Kausalität der Nichtabgabe oder der nicht rechtzeitigen Abgabe der Drittschuldnererklärung für die fruchtlose Tätigkeit des Rechtsanwalts. Erfolgt der schlüssige Vortrag erst in der zweiten Instanz, hat dies die Kostenfolge des § 97 Abs. 2 ZPO.
LG Stuttgart, 23.3.2015 – 13 S 66/14
1 I. Der Fall
PfÜB mit Aufforderung nach § 840 ZPO
Die Gläubigerin begehrt von der Drittschuldnerin die Erstattung von Anwaltskosten, die für die vorgerichtliche Zahlungsaufforderung hinsichtlich der vom PfÜB des AG betroffenen Forderung entstanden sind. Der PfÜB war der Drittschuldnerin mit der Aufforderung zur Abgabe der Drittschuldnererklärung zugestellt worden.
Drittschuldner reagiert erst verspätet
Eine Drittschuldnererklärung gab die Drittschuldnerin zunächst nicht ab. Später erklärte sie: "In obiger Sache teilen wir Ihnen mit, dass wir die Pfändung vorgemerkt haben. Aufgrund der weiteren Unterhaltsberechtigten ergibt sich nur ein pfändbares Einkommen von aktuell 15,26 EUR. Geprüft wird gegenwärtig, wem dieser pfändbare Betrag zusteht. Es ist davon auszugehen, dass nach Abzug der Kosten für die Pfändung ein Betrag für Gläubiger nicht verbleibt."
Gläubiger begehrt Anwaltskosten
Das AG hat der Klage auf Erstattung der Kosten für die Zahlungsaufforderung mit einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VVRVG stattgegeben. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung.
2 II. Die Entscheidung
LG gesteht Kosten zu
Die Klage ist über einen Betrag in Höhe von 70,20 EUR begründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten außergerichtlichen Anwaltskosten gem. § 840 Abs. 2 S. 2 ZPO zu.
PfÜB und Zahlungsaufforderung unterscheiden
Der Anspruch aus § 840 Abs. 2 S. 2 ZPO entfällt nicht deshalb, weil die Klägervertreter bereits mit der Beantragung des PfÜB gegen die Beklagte mandatiert waren. Denn die Aufforderung zur Abgabe der Drittschuldnererklärung und die streitgegenständliche außergerichtliche Zahlungsaufforderung stellen unterschiedliche gebührenrechtliche Angelegenheiten nach dem RVG dar. Die Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der Beantragung eines PfÜB kann nicht so ausgelegt werden, dass damit automatisch auch die außergerichtliche Beitreibung der gepfändeten Forderungen beauftragt wäre. Selbst wenn man den Auftrag dergestalt auslegen würde, änderte sich hierdurch nichts an der gebührenrechtlichen Trennung der Angelegenheiten.
Kausalität muss belegt sein
Die Klägerin kann die entstandenen vorgerichtlichen Anwaltskosten vorliegend nach § 840 Abs. 2 S. 2 ZPO ersetzt verlangen, da diese kausal durch den auf der Nichterfüllung der der Beklagten nach § 840 Abs. 1 ZPO obliegenden Pflicht zur Abgabe einer Drittschuldnererklärung beruhenden Entschluss, die gepfändete Forderung außergerichtlich geltend zu machen, verursacht wurde (BGHZ 98, 291).
Der BGH hat entschieden, dass Anwaltskosten für eine nochmalige Aufforderung an den Drittschuldner zur Abgabe der Erklärung und weitere vorprozessuale Aufforderungsschreiben nicht zu erstatten sind (BGH NJW-RR 2006, 1566; BGH NJW 2010, 1674). Dies wird damit begründet, dass der Pfändungsgläubiger, unterlässt der Drittschuldner die nach § 840 Abs. 1 ZPO geforderten Angaben, von der Beitreibbarkeit des gepfändeten Anspruchs ausgehen und diesen ohne Kostenrisiko einklagen kann. Der Pfändungsgläubiger kann den Drittschuldner daher unmittelbar auf Leistung in Anspruch nehmen, ohne weitere Schritte zu unternehmen, um den Drittschuldner zur Abgabe der Erklärung nach § 840 Abs. 1 ZPO – worauf nach ständiger Rechtsprechung (BGH a.a.O.) auch kein Anspruch des Pfändungsgläubigers besteht – zu veranlassen.
Streitfrage …
Die Kammer teilt in diesem Zusammenhang nicht die Ansicht des OLG Dresden (NJW-RR 2011, 924), nach der sich die Ursächlichkeit der verspäteten Abgabe einer Drittschuldnererklärung für die Entstehung der Kosten einer außergerichtlichen Zahlungsaufforderung (die den nach § 840 Abs. 2 S. 2 ZPO zu ersetzenden Schaden darstellen) bereits daraus ergibt, dass eine Veranlassung zur außergerichtlichen Zahlungsaufforderung nicht bestehen würde, wenn sich der Drittschuldner rechtzeitig über eine bestehende Leistungsbereitschaft erklärt hätte.
Nichtabgabe allein genügt nicht für Kausalität
Denn auch in dem Fall, in dem der Drittschuldner seine Leistun...