I. Das Problem
Rechtsverfolgungskosten durch Forderungseinziehung
Platzt eine Lastschrift, wird nicht selten unmittelbar ein Rechtsanwalt oder ein Inkassounternehmen mit der weiteren Einziehung der Forderung beauftragt. Rechnet der Rechtsdienstleister nach den Bestimmungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) ab, so entsteht für seine Tätigkeit eine 0,5- bis 2,5-Geschäftsgebühr, wobei eine 1,3-Geschäftsgebühr nur überschritten werden darf, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwer ist (Schwellengebühr). In der Praxis wird regelmäßig eine 0,65- bis 1,0-Geschäftsgebühr bei Streitwerten bis 100 bzw. 150 EUR als eine – im Gesetz nicht vorgesehene – Sozialstaffelung erhoben, darüber eine 1,3-Verfahrengebühr. Die Gebühr kann dabei durchaus die Hauptforderung übersteigen. Hinzu kommen noch die Auslagen.
Beispiel
Beträgt der Gegenstandswert 0,01 bis 500 EUR, so entsteht eine 1,0-Verfahrensgebühr von 45 EUR zuzüglich einer Post- und Telekommunikationspauschale von 20 % der Gebühr nach Nr. 7002 VV RVG, insgesamt also eine Vergütung von 54 EUR netto. Wird der erste Teilrahmen ausgeschöpft und eine 1,3-Geschäftsgebühr erhoben, erhöht sich die Vergütung auf 70,20 EUR (58,50 EUR nach Nr. 2300 VV RVG und 11, 70 EUR nach Nr. 7002 VV RVG).
II. Grundlagen für die Erstattungsfähigkeit der Rechtsverfolgungskosten
Optisches Missverhältnis ist irrelevant
Da der Aufwand für den Rechtsdienstleister regelmäßig unabhängig von der Höhe der Hauptforderung zu bestimmen ist, sagt das optische Missverhältnis zwischen der Hauptforderung und den Rechtsverfolgungskosten nichts über die Berechtigung einer Erstattungsforderung aus. Die Streitwertbereiche sind durch den Gesetzgeber bestimmt. Mit dem 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz hat er den ersten Streitwertbereich von 0 bis 300 EUR sogar noch auf 0 bis 500 EUR ausgeweitet und nicht weiter untergliedert. Kraft Gesetzes ist der Gläubiger nicht verpflichtet, von sich aus den Streitwertsektor weiter zu unterteilen. Auch die Schadensminderungspflicht nach § 254 BGB kann das nicht begründen. Zu den Kriterien des § 14 RVG zur Bestimmung der angemessenen Geschäftsgebühr innerhalb des Rahmens von 0,5 bis 2,5 gehört die Höhe der Forderung nicht.
Hinweis
Es ist auch nicht zu sehen, warum ein Schuldner einer Forderung von 29,90 EUR günstiger gestellt sein soll als ein Schuldner einer Forderung von 299,00 EUR. In beiden Fällen erfüllt der jeweilige Schuldner eine fällige und berechtigte Forderung nicht. Dem Schuldner einer Kleinforderung ist sogar noch stärker vorzuwerfen, dass diese leichter zu erfüllen ist als eine höhere Forderung.
Das System des Gesetzgebers ist wohl erwogen und sollte wegen einer vermeintlichen Einzelfallgerechtigkeit, die aber zu einer Ungerechtigkeit gegenüber dem Gläubiger und dem Rechtsdienstleister führt, nicht aufgegeben werden.
Erstattungsfähigkeit der Rechtsverfolgungskosten nach § 823 BGB
Die geschilderte Fallsituation wirft also die Frage auf, ob die bei der Einziehung einer Forderung aus einer nicht eingelösten Lastschrift entstehenden Rechtsverfolgungskosten auch erstattungsfähig sind.
Hinweis
Der Rechtsdienstleister hat lediglich aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstleistungscharakter einen entsprechenden Anspruch gegen den Gläubiger. Dieser muss dann die Erstattung vom Schuldner verlangen und bedarf dafür einer besonderen Rechtsgrundlage. Auch wenn der Rechtsdienstleister – Rechtsanwalt oder Inkassounternehmen – regelmäßig beauftragt ist, den Erstattungsanspruch gleichzeitig mit der Hauptforderung geltend zu machen, hat er keinen unmittelbaren Verfügungsanspruch gegen den Schuldner. Ausnahmsweise kann er sich allenfalls den Erstattungsanspruch ganz oder teilweise an Erfüllung statt abtreten lassen, § 364 BGB (vgl. dazu etwa § 4 Abs. 2 RVG).
Liegt auf Seiten des Schuldners eine (vorsätzlich) unerlaubte Handlung in Form eines Eingehungsbetruges nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB vor, d.h. wusste der Schuldner von Anfang an, dass die Lastschrift nicht eingelöst wird, so besteht daran kein Zweifel. Die Rechtsverfolgungskosten sind dann nach § 249 BGB stets erstattungsfähig und zwar ab dem Tatzeitpunkt, d.h. der Unterzeichnung der Lastschrift.
Schwieriger ist die Frage zu beantworten, ob sich ein solcher Anspruch außerhalb einer unerlaubten Handlung aus Verzug nach § 280, 286 BGB ergibt. Die Voraussetzungen des Verzuges sind:
- das Vorliegen eines Schuldverhältnisses,
- die Fälligkeit der Leistung,
- die Nichtleistung trotz der Möglichkeit,
- die Durchsetzbarkeit der Forderung,
- die Mahnung oder deren Entbehrlichkeit,
- das Verschulden.
Die meisten Voraussetzungen liegen problemlos vor
Die ersten vier und die sechste Voraussetzung werfen in der Praxis keine Probleme auf. Der Lastschrift liegt in der Regel ein Verpflichtungsgeschäft, etwa ein Kauf-, Versicherungs- oder auch Fitnessstudiovertrag zugrunde (Schuldverhältnis). Die Leistung ist im Zeitpunkt der Unterzeichnung der Lastschrift auch nach § 271 BGB oder einer vertraglichen Bestimmung jedenfalls im Zeitpunkt der Vorlage fällig. Als Gattungsschuld ist eine Geldleistung immer möglich, während sie durch d...