Leitsatz
Gehen Steuerrückerstattungsansprüche der Ehefrau des Schuldners auf dem P-Konto des Schuldners ein, besteht keine gesetzliche Grundlage für eine einmalige Erhöhung des Pfändungsfreibetrages auf dem Konto.
AG Bad Waldsee, Beschl. v. 17.8.2018 – M 709/13
1 I. Der Fall
Steuerrückerstattung der Ehefrau geht beim Schuldner ein
Der Schuldner begehrt die Aufhebung der Pfändung von Guthaben auf seinem Pfändungsschutzkonto über einen Betrag in Höhe von 1.975,60 EUR, der seiner Ehefrau zustehe. Diese habe den Betrag vom Finanzamt als Steuerrückerstattung erhalten. Der Betrag ging am 5.7.2018 auf dem Konto des Schuldners ein. Der Schuldner ist alleiniger Kontoinhaber.
2 II. Die Entscheidung
AG sieht keine Grundlage für erhöhten Pfändungsfreibetrag
Der Pfändungsschutz gem. §§ 850k, 850 ff. ZPO ist nicht anwendbar. Die Voraussetzung der Schutzvorschriften ist nicht erfüllt. Bei Steuerrückerstattungen handelt es sich um voll der Pfändung unterliegende Beträge, die grundsätzlich nicht zu schützen sind. Dass diese eigentlich der Ehefrau und nicht dem Schuldner zustehen, ist bei den genannten Schutzvorschriften ohne Belang. Alle auf dem Konto eingehenden Beträge sind grundsätzlich gleichartig und unterliegen den genannten Schutzvorschriften – oder eben auch nicht.
Gericht prüft Antrag nach § 765a ZPO
Möglich wäre das Vorliegen einer unbilligen Härte gem. § 765a ZPO, da der Betrag der Ehefrau, die weder Konto-(Mit-)Inhaberin noch Mitschuldnerin ist, zusteht. Die Anwendung dieser Schutzvorschrift unterliegt jedoch sehr strengen Anforderungen und Grenzen; grundsätzlich kann der Schuldner sich nicht auf Belange Dritter berufen (Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 765a Rn 6). Eine Ausnahme würde gelten, wenn es sich um unpfändbares Arbeitseinkommen der Ehefrau, die gleichzeitig Mitschuldnerin der Forderung ist, handelt. Hier lässt der BGH ausnahmsweise den Vollstreckungsschutz zu (vgl. BGH VII ZB 32/07, MDR 2008, 823). Da jedoch notwendige Voraussetzungen nicht gegeben sind, greift der Vollstreckungsschutz hier nicht.
Gericht verweist auf die Drittwiderspruchsklage
Da die Vorschriften den Vollstreckungsschutz im vorliegenden Fall nicht zulassen, war der Antrag auf Freigabe der Beträge zurückzuweisen. Die Ehefrau ist auf die Geltendmachung ihrer Rechte im Wege der Drittwiderspruchsklage gem. § 771 ZPO zu verweisen.
3 Der Praxistipp
Entscheidung ist im Ergebnis zutreffend
Die Entscheidung des AG ist im Ergebnis zutreffend. Es obliegt dem Schuldner darzutun, nach welcher Vorschrift über § 850k Abs. 4 ZPO eine Erhöhung des Pfändungsfreibetrages zu erlangen sein soll. Die Prüfung führt schnell zu dem Ergebnis, dass keine der in § 850k ZPO genannten Vorschriften einschlägig ist.
Schlichte Gläubigerkonkurrenz
Der in der Entscheidung dargestellte Sachverhalt lässt nicht erkennen, weshalb der Steuererstattungsanspruch der Ehefrau überhaupt auf das Konto des Schuldners gezahlt wurde. Soweit dies irrtümlich geschah, steht der Ehefrau ein nicht titulierter Bereicherungsanspruch aus § 812 oder § 816 BGB zu. Soweit dies der Absprache der Ehegatten entsprach und bei dem Finanzamt so angegeben wurde, besteht ggf. ein vertraglicher Herausgabeanspruch. Es ist aber nicht zu ersehen, warum die Ehefrau als einfache Gläubigerin dem Vollstreckungsgläubiger, der über einen titulierten Anspruch und ein Pfändungspfandrecht am Kontoguthaben verfügt, vorgehen soll. Weder handelt es sich um eine zweckgebundene Zuwendung, noch besteht der Steuererstattungsanspruch mit dem Eingang auf dem Konto fort.
Nach dem Sachverhalt legt schon der Schuldner nicht schlüssig dar, woraus sich ein Anspruch auf Freigabe nach § 765a ZPO ergeben soll. Es liegt schon keine besondere Härte der Zwangsvollstreckung vor, die durch den Gläubiger kausal in Gang gesetzt wurde. Der Gläubiger hat keinen Beitrag dazu geleistet, dass der Betrag auf dem Konto des Schuldners eingegangen ist. Auch ist nicht zu sehen, dass sich die besondere Härte aus einer Zweckgebundenheit der Zahlung oder einem besonderen Unterhaltsbedarf begründen ließe.
Drittwiderspruchsklage leitet fehl
Unzutreffend ist der Hinweis, die Ehefrau könne mit der Drittwiderspruchsklage ihr wirtschaftliches Ziel erreichen. Schuldrechtliche Verschaffungsansprüche begründen kein Interventionsrecht im Sinne des § 771 ZPO (Musielak/Lackmann, ZPO, 15. Aufl., § 771 Rn 26). Der Schuldner ist mit dem Eingang des Steuererstattungsanspruches auf seinem Konto wirtschaftlicher und rechtlicher Eigentümer des Betrages geworden und hat seinerseits nur einen Auszahlungsanspruch gegen das Kreditinstitut. Die Ehefrau muss ihren Erstattungsanspruch gegen den Ehemann als konkurrierende Gläubigerin verfolgen.
FoVo 12/2018, S. 232 - 234