Leitsatz
1. Hat der Arbeitgeber eines Schuldners, der Inhaber eines Pfändungsschutzkontos gem. § 850k ZPO ist, diesem irrtümlich eine Vorauszahlung doppelt überwiesen, wird er mit seinem Rückzahlungsanspruch zu einem weiteren Gläubiger des Schuldners.
2. Den irrtümlich überwiesenen Vorauszahlungsbetrag kann der Schuldner nicht gemäß § 850k Abs. 4 ZPO von der Pfändung ausnehmen lassen, um die Forderung seines Arbeitgebers zu begleichen. Denn die Gläubiger, die einen Vollstreckungstitel erwirken und auf dieser Grundlage die Zwangsvollstreckung betreiben, dürfen nicht schlechter stehen als der Arbeitgeber des Schuldners.
3. Weder die Regelung in § 850k Abs. 4 ZPO noch die Regelung in § 765a ZPO dienen dem Zweck, die Forderung eines Gläubigers zu befriedigen.
LG Köln, Beschl. v. 28.12.2017 – 39 T 205/17
1 I. Der Fall
Doppelüberweisung kann passieren
Der Gläubiger betreibt gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung und hat die Pfändung des Guthabens bei der Drittschuldnerin, einem Kreditinstitut, erwirkt. Die Schuldnerin hat ihren Arbeitgeber bewegen können, ihr einen Vorschuss von 1.100 EUR zu zahlen. Dieser wurde allerdings nicht einmal, sondern zweimal angewiesen und auf dem Konto der Schuldnerin gutgeschrieben. Da das Guthaben den Pfändungsfreibetrag nach § 850k Abs. 1 ZPO überschritt, kündigte die Drittschuldnerin die Überweisung des überschießenden Betrages zugunsten der Gläubigerin an.
Anträge auf Freigabe haben Erfolg
Die Schuldnerin beantragte daraufhin, den zweiten Vorschussbetrag von 1.100 EUR nach § 850k Abs. 4 ZPO, hilfsweise nach § 765a ZPO freizugeben, so dass sie diesen an den Arbeitgeber zurückzahlen kann, ohne ihren Unterhalt zu gefährden. Das Amtsgericht ist dem Antrag gefolgt. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Gläubigerin.
2 II. Die Entscheidung
Beharrlichkeit der Gläubigerin zahlt sich aus
Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gemäß ihrem Schreiben vom 4.9.2017 in Verbindung mit ihrem Schreiben vom 4.10.2017 ist gemäß § 11 Abs. 1 RPflG, §§ 793, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin hat auch in der Sache Erfolg. Dem Antrag der Schuldnerin, die von ihrer Arbeitgeberin im Juli 2017 irrtümlich ein zweites Mal geleistete Vorschusszahlung in Höhe von 1.100,00 EUR von der Pfändung auszunehmen, konnte weder gemäß § 850k Abs. 4 ZPO noch gemäß § 765a ZPO entsprochen werden.
Weder früher noch später anrechenbare Leistung
Die Schuldnerin hat nicht geltend gemacht, dass die zu viel gezahlte Vorschusszahlung als (verfrühte) Vorauszahlung für einen der Folgemonate gelten sollte, so dass eine Erhöhung gemäß § 850k Abs. 4 ZPO mit dieser Begründung nicht in Betracht kommt. Vielmehr hat die Schuldnerin vorgetragen, dass ihre Arbeitgeberin diesen Betrag von ihr zurückfordere. Dies ergibt sich auch aus dem von der Schuldnerin vorgelegten Schreiben ihrer Arbeitgeberin vom 15.8.2017. Die Schuldnerin möchte diesen Betrag von der Pfändung ausnehmen lassen, um diese Forderung ihrer Arbeitgeberin begleichen zu können.
Reihenfolge der Gläubiger beachten
Weder die Regelung in § 850k Abs. 4 ZPO noch die Regelung in § 765a ZPO dienen jedoch dem Zweck, die Forderung eines Gläubigers zu befriedigen. Sie stellen vielmehr Regelungen zum Schutz der dem Schuldner zu belassenden Beträge dar, die dieser für seine eigene Lebensführung benötigt. Daher kann ein Schuldner nicht mit Erfolg beantragen, Gelder von der Pfändung ausnehmen zu lassen, weil diese ohne Rechtsgrund auf sein Pfändungsschutzkonto überwiesen worden sind und nunmehr von ihm deren Rückzahlung begehrt wird (vgl. AG Neukölln, Beschl. v. 17.3.2016 – 30 M 5886/13 = FoVo 2016, 100; AG Wuppertal, Beschl. v. 5.2.2016 – 44 M 5789/03 = FoVo 2016, 146 u.a., jeweils zitiert nach: juris). Diejenigen Gläubiger, die einen Vollstreckungstitel erwirken und auf dieser Grundlage die Zwangsvollstreckung betreiben, dürfen nicht schlechter stehen als die Arbeitgeberin der Schuldnerin, die nunmehr ebenfalls – als weitere Gläubigerin – einen Anspruch gegen die Schuldnerin hat (vgl. AG Wolfenbüttel, Beschl. v. 29.12.2014 – 23 M 6509/14 = FoVo 2015, 95).
Keine Nachteile für die Schuldnerin
Dass ihre Arbeitgeberin diese Forderung in den Folgemonaten mit ihrem Arbeitsentgelt verrechnen würde und die Schuldnerin in den Folgemonaten daher weniger als den pfändungsfreien Betrag von ihrer Arbeitgeberin ausgezahlt bekommen könnte, ist aufgrund der Regelung in § 394 BGB nicht zu besorgen, so dass sich auch daraus kein Schutzbedürfnis der Schuldnerin ergibt, dem nach § 850k Abs. 4 ZPO oder § 765a ZPO Rechnung zu tragen wäre. Denn gemäß § 394 Satz 1 BGB kann gegen eine Forderung in dem Umfange nicht aufgerechnet werden, soweit diese der Pfändung nicht unterworfen ist. Diese Regelung soll gerade verhindern, dass dem Gläubiger einer unpfändbaren Forderung – vorliegend der Schuldnerin – die Lebensgrundlage entzogen wird (vgl. Grüneberg, in: Palandt, BGB, 76. Aufl. 2017, § 394 Rn 1).
3 Der Praxistipp
P-Konto bietet Chancen
Das Fallbeispiel zeigt auf, dass ein P-Konto nicht zwangsläufig dazu führ...