Leitsatz
Die Aufenthaltsermittlung gemäß Modul L der Anlage zur Gerichtsvollzieherformular-Verordnung stellt keine selbstständige Maßnahme der Zwangsvollstreckung, sondern lediglich eine den Gerichtsvollzieher bei den ihm zugewiesenen Vollstreckungsmaßnahmen unterstützende Hilfsbefugnis dar. Nach ihrer Vornahme endet der dem Gerichtsvollzieher erteilte Vollstreckungsauftrag daher nicht schon durch die Rückgabe der Vollstreckungsunterlagen an den Gläubiger.
BGH, Beschl. v. 4.7.2019 – I ZB 71/18
1 I. Der Fall kurz zusammengefasst
Vollstreckungsauftrag zur Vermögensauskunft
Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner aus einem Vollstreckungsbescheid die Zwangsvollstreckung. Sie erteilte dem GV formgerecht nach der GVFV einen Vollstreckungsauftrag u.a. zur Abnahme der Vermögensauskunft und für den Fall, dass der Schuldner unbekannten Aufenthalts war, zur Ermittlung seines gegenwärtigen Aufenthalts nach § 755 ZPO. Da der Schuldner unter der dem GV von der Gläubigerin angegebenen Anschrift zwar weiterhin gemeldet, aber nicht mehr wohnhaft war, hob der GV den Termin zur Abnahme der Vermögensauskunft auf und reichte die Vollstreckungsunterlagen an die Gläubigerin zurück.
Fortsetzung des alten oder Erteilung eines neuen Auftrages
Die Gläubigerin teilte nachfolgend dem GV die neue Anschrift des Schuldners mit und bat unter erneuter vollständiger Übersendung des ursprünglichen Auftrags um Fortsetzung der Vollstreckung. Der GV wies diesen nach seiner Auffassung neuen Vollstreckungsauftrag mit der Begründung zurück, dass der Pflichtvordruck hätte verwendet werden müssen.
Rechtsmittel ohne Erfolg
AG und LG sind auf die Rechtsmittel der Gläubigerin dem GV gefolgt, was diese aber nicht hinnehmen möchte. Das LG war der Auffassung, dass mit der Rücksendung der Unterlagen durch den GV auch der Auftrag erledigt sei. Der neue Antrag sei dann formunwirksam gewesen. Hiergegen wendet sich die Gläubigerin nun mit der Rechtsbeschwerde.
2 II. Die Entscheidung
BGH widerspricht den Vorinstanzen
Der GV hätte das an ihn von der Gläubigerin mit Schreiben ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 8.5.2018 herangetragene Begehren nicht als mangels Verwendung eines neuen Auftragsformulars gemäß § 753 Abs. 3 S. 1 ZPO, § 1 GVFV abzulehnenden neuen Vollstreckungsauftrag, sondern als Antrag der Gläubigerin auf weitere Ausführung des Vollstreckungsauftrags behandeln müssen, den ihm die Gläubigerin am 30.1.2018 unter Verwendung eines solchen Formulars erteilt hatte.
Grundsätzlicher Formularzwang
Nach § 753 Abs. 1 ZPO wird die Zwangsvollstreckung, soweit sie nicht den Gerichten zugewiesen ist, durch Gerichtsvollzieher durchgeführt, die sie im Auftrag des Gläubigers zu bewirken haben. Gemäß § 753 Abs. 3 S. 1 ZPO ist das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats verbindliche Formulare für den Auftrag einzuführen. Das Bundesministerium hat von dieser Verordnungsermächtigung mit dem Erlass der am 1.10.2015 in Kraft getretenen Gerichtsvollzieherformular-Verordnung Gebrauch gemacht. Nach § 1 Abs. 1 S. 1 GVFV ist für den Vollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher zur Vollstreckung von Geldforderungen das in der Anlage zu dieser Verordnung bestimmte Formular zu verwenden.
Modul L für die Aufenthaltsermittlung
Das genannte Formular enthält im Modul L (L 1 bis L 9) Bestimmungen über die Ermittlung des Aufenthaltsorts des Schuldners gemäß § 755 ZPO. Die Gläubigerin hat den GV im Streitfall durch das Ankreuzen der Module L 3 und L 9 beauftragt, für den Fall des unbekannten Aufenthalts des Schuldners dessen gegenwärtige Anschriften und Angaben zur Haupt- und Nebenwohnung durch Nachfrage bei der Meldebehörde zu ermitteln.
Die vom GV demgemäß vorgenommene Aufenthaltsermittlung stellte keine selbstständige Maßnahme der Zwangsvollstreckung, sondern lediglich eine den GV bei den ihm zugewiesenen Vollstreckungsmaßnahmen unterstützende Hilfsbefugnis dar (BGH NJW-RR 2017, 960 Rn 7 m.w.N.). Diese Hilfsbefugnis, für deren Erfüllung der Gerichtsvollzieher eine Gebühr nach Nr. 440 des Kostenverzeichnisses der Anlage des Gesetzes über Kosten der Gerichtsvollzieher (Gerichtsvollzieherkostengesetz – GvKostG) und die Auslagenpauschale geltend machen kann (AG Syke JurBüro 2018, 661 [juris Rn 5]), soll den Gläubiger von seiner nach der früheren Rechtslage bestehenden Obliegenheit entlasten, den jeweiligen Aufenthaltsort des Schuldners zu ermitteln; außerdem dient sie der Zeitersparnis und damit der Effizienz der Zwangsvollstreckung (vgl. LG Frankenthal DGVZ 2013, 186, 187 [juris Rn 7] = Rpfleger 2013, 631).
Nur durch die Aufenthaltsermittlung kann der Auftrag nicht erledigt werden
Wenn die in § 755 ZPO nunmehr enthaltene Regelung danach dem Interesse der Gläubiger dienen soll, kann nicht angenommen werden, dass der dem GV erteilte Vollstreckungsauftrag bereits dadurch geendet hat und das betreffende Verfahren deshalb nachfolgend schon dann nicht mehr weiterbetrieben werden konnte, wenn die entsprechende Hilfsmaßnahme jedenfalls vorübergehend nicht zum erwünschten Erfolg geführt hat. ...