Verfassungsbeschwerde angenommen und für begründet erklärt
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 S. 1 BVerfGG liegen vor. Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet. Das angegriffene Versäumnisteil- und Schlussurteil verstößt gegen das Gebot effektiven Rechtsschutzes aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG sowie gegen Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Verbot objektiver Willkür. Das AG hat den Zugang zur Berufungsinstanz durch eine aus Sachgründen nicht zu rechtfertigende Handhabung von § 511 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 Alt. 3 ZPO unzumutbar eingeschränkt.
Recht auf effektiven Rechtsschutz
Für den Zivilprozess ergibt sich aus dem allgemeinen Justizgewährungsanspruch des Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG ein Recht auf effektiven Rechtsschutz, das bei der Auslegung und Anwendung der Bestimmungen, die für die Eröffnung eines Rechtswegs und die Beschreitung eines Instanzenzugs von Bedeutung sind, zu berücksichtigen ist. Sieht die betreffende Prozessordnung ein Rechtsmittel vor, so darf der Zugang dazu nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden. Aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigen und den Zugang zur nächsten Instanz unzumutbar einschränkend ist eine Entscheidung insbesondere dann, wenn das Gericht ohne Auseinandersetzung mit der Sach- und Rechtslage eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt oder deren Inhalt bei Auslegung und Anwendung in krasser Weise missdeutet.
Wer Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten verneint, muss die Berufung zulassen
Nach § 511 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 Alt. 3 ZPO lässt das Gericht des ersten Rechtszugs die Berufung gegen ein die Partei mit nicht mehr als 600 EUR beschwerendes Urteil zu, wenn die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Damit soll ausweislich der Gesetzesmaterialien vermieden werden, dass im Zuständigkeitsbereich eines Berufungsgerichts schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen oder fortbestehen, wobei es darauf ankommt, welche Bedeutung die angefochtene Entscheidung im Ganzen hat. Von solchen Unterschieden ist bei der Abweichung der Entscheidung eines höherrangigen Gerichts in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage insbesondere dann auszugehen, wenn die Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung ist, weil sie in einer Mehrzahl von Fällen auftreten kann.
BVerfG hat die Erstattungsfähigkeit dem Grunde nach schon anerkannt …
Gemessen daran hätte das AG die Berufung zulassen müssen, nachdem es die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Inkassokosten für grundsätzlich nicht erstattungsfähig angesehen hat. Das Bundesverfassungsgericht hat in der von der Beschwerdeführerin mehrfach zitierten Entscheidung vom 7.9.2011 hierzu bereits ausgeführt:
… und zitiert sich selbst
"Diese Rechtslage hat das AG verkannt. Die Kosten eines Inkassobüros können – wenngleich im Einzelnen manches umstritten ist (vgl. BGH, Urt. v. 29.6.2005 – VIII ZR 299/04, NJW 2005, 2991 lt2994gt m.w.N.) – nach vielfacher höchst- und obergerichtlicher Rechtsprechung und herrschender Meinung in der Literatur, unbeschadet bestimmter Einschränkungen, grundsätzlich als Verzugsschaden geltend gemacht werden (vgl. etwa BGH, Urt. v. 24.5.1967 – VIII ZR 278/64, juris; OLG München, Urt. v. 29.11.1974 – 19 U 3081/74, NJW 1975, 832; OLG Karlsruhe, Urt. v. 11.6.1986 – 6 U 234/85, NJW-RR 1987, 15; OLG Frankfurt, Urt. v. 14.11.1989 – 11 U 14/89, NJW-RR 1990, 729; OLG Dresden, Urt. v. 4.4.1995 – 13 U 1515/93, NJW-RR 1996, 1471; OLG Oldenburg, Urt. v. 24.4.2006 – 11 U 8/06, JurBüro 2006, 481; Unberath, in: Bamberger/Roth, BeckOK-BGB, Stand: 1.2.2009, § 286 Rn 74; Ernst, in: MüKo-BGB, 5. Aufl. 2007, § 286 Rn 157 m.w.N.). Nach herrschender Meinung anerkannte Einschränkungen sind etwa, dass die Höhe der geltend gemachten Kosten die alternativ bei Beauftragung eines Rechtsanwalts entstehenden Kosten nicht übersteigen dürfen und dass der Schuldner zum Zeitpunkt der Beauftragung nicht bereits von vornherein erkennbar zahlungsunwillig gewesen ist (vgl. Unberath, a.a.O., m.w.N.; Ernst, a.a.O., m.w.N.). Ersteres hat die Beschwerdeführerin in ihrem Klageantrag beachtet, zu Letzterem hat sie in ihrem Sachvortrag schlüssig Stellung genommen. Trotz Hinweis auf entsprechende höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung seitens der Beschwerdeführerin hat das AG, ohne sich in seinem Urteil erkennbar mit dieser auseinanderzusetzen, hiervon wesentlich abweichend entschieden, indem es die Bemühungen der Inkassounternehmen grundsätzlich als nicht zweckgerecht und damit regelmäßig als gegen die Schadensminderungspflicht verstoßend angesehen hat."
Diese – vorliegend auch entscheidungserhebliche – Rechtsfrage betrifft eine Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten. Die Beauftragung von Inkassounternehmen zur Forderungseinziehung ist gängige Praxis und führt in Einzelfällen, wie bereits die oben zitierten Fundstelle...