Berechnung des pfändungsfreien Arbeitseinkommens
Die Höhe des pfändbaren Arbeitseinkommens bestimmt sich nach § 850c ZPO. Danach ist von dem nach § 850e ZPO zu berechnenden Nettoeinkommen auszugehen. Nach der Rundung auf einen auf 10 EUR endenden Betrag, § 850c Abs. 3 ZPO, ist hiervon der Freibetrag des Schuldners von aktuell 1.178,59 EUR nach § 850c Abs. 1 S. 1 ZPO in Abzug zu bringen. Von dem überschießenden Betrag sind nach § 850c Abs. 2 ZPO weitere 3/10 pfändungsfrei, der Restbetrag ist pfändbar. Das Ergebnis kann in der Tabelle zu § 850c ZPO abgelesen werden.
Beispiel
Bei einem Nettolohn von 1.203,44 EUR wird der Nettobetrag auf 1.200 EUR abgerundet. Es ergibt sich allein für den Schuldner ohne unterhaltsberechtigte Person nach Abzug des Freibetrages von 1.178,59 EUR eine Zwischensumme von 21,41 EUR. Hiervon sind weitere 3/10 = 6,42 EUR unpfändbar und damit 14,99 EUR pfändbar. Exakt dieser Wert ergibt sich aus der Pfändungsfreigrenzentabelle. Die exakte Berechnung nach Maßgabe der gesetzlichen Regelung ist in den Fällen wichtig, wo unterhaltsberechtigte Personen nur teilweise berücksichtigt werden. Die Pfändungsfreigrenzentabelle hilft dann nicht.
Pfändungsfreibetrag als "Warenkorb"
Der Pfändungsfreibetrag ist nicht willkürlich gewählt, sondern hinter ihm steht das Bedürfnis sicherzustellen, dass der Schuldner seinen Lebensunterhalt aus seinem Arbeitseinkommen bestreiten kann, ohne dabei von Pfändungen beeinträchtigt zu werden.
In den Gesetzesbegründungen zu der Anpassung der Pfändungsfreibeträge hieß es deshalb regelmäßig
"Die Beträge berücksichtigen die aktuellen Entwicklungen des Bedarfs für das Existenzminimum, die sich aus der Gesamtschau der Entwicklung der Lebenshaltungskosten und des durchschnittlichen Sozialhilfebedarfs des Schuldners (Regelsatz, Mehrbedarfszuschläge und einmalige Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz) einschließlich der Wohnraumkosten ableiten." (BT-Drucks 12/1754, S. 17)
Auch bei der Einführung des § 850c ZPO in der heutigen Fassung, d.h. mit der Dynamisierung, wurde auf diese Aspekte dezidiert abgestellt (BT-Drucks 14/6812, S. 8 ff.).
Die nicht gezahlte Miete
In dem Pfändungsfreibetrag ist nach Feststellung des AG Wuppertal (v. 14.2.2020 – 44 M 7876/19) ein Mietanteil von 32,62 % enthalten. Dieser umfasst allerdings die Kaltmiete zuzüglich der Nebenkosten. Um das im Detail nicht berechnen zu müssen, hat das AG angenommen, dass 80 % auf die Kaltmiete entfallen (80 % von 32,62 % = 26,10 % des Pfändungsfreibetrages) und 20 % auf die Nebenkosten (20 % von 32,62 % = 6,52 % des Pfändungsfreibetrages).
Wenn die Miete nun tatsächlich nicht gezahlt wird, bedeutet dies, dass der Schuldner einen Pfändungsfreibetrag in Anspruch nimmt, der tatsächlich nicht notwendig ist, um seinen Lebensunterhalt zu sichern. Das bedeutet, dass der Pfändungsfreibetrag tatsächlich gekürzt werden müsste.
So ist zu rechnen
Für die Kürzung gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten:
1. Der Pfändungsfreibetrag wird um 26,10 % gekürzt, wenn der Schuldner nur die Kaltmiete nicht zahlen muss, und um weitere 6,52 %, wenn ihm auch die Nebenkosten erlassen sind. Der Pfändungsfreibetrag wäre also im ersten Fall nur zu 73,9 % abzuziehen; wenn auch die Nebenkosten erlassen sind, ist er nur zu 67,38 % zu berücksichtigen.
In diesem Fall muss dann der Pfändungsfreibetrag individuell berechnet werden. Im Ausgangsfall wäre wie folgt zu rechnen:
Nettolohn |
1.203,44 EUR |
gerundet |
1.200,00 EUR |
abzüglich 73,9 % von 1.178,59 EUR |
870,98 EUR |
verbleiben |
329,02 EUR |
nach § 850c Abs. 2 gekürzt um 30 % |
98,71 EUR |
verbleiben pfändbar |
230,31 EUR |
2. Der Nettolohn könnte auch um den anrechenbaren Mietanteil erhöht werden und ausgehend hiervon dann der pfändbare Betrag nach der Tabelle berechnet werden.
In diesem Fall sähe die Rechnung wie folgt aus:
Nettolohn |
1.203,44 EUR |
zuzüglich 26,10 % von 1.178,59 EUR |
307,61 EUR |
gesamt netto |
1.511,05 EUR |
gerundet |
1.510,00 EUR |
pfändbar nach Tabelle zu § 850c ZPO |
231,99 EUR |
Das AG Wuppertal (a.a.O.) hat sich für die zweite Variante entschieden. Sie hat nicht nur den Vorteil, dass sie für den Gläubiger geringfügig besser ist, sondern vor allem, dass mit der Pfändungsfreigrenzentabelle als gewohntem Hilfsmittel gearbeitet werden kann.
Im Zweifel entscheidet das Gericht
Will der Gläubiger die zusätzliche Information zur Absenkung des Pfändungsfreibetrages nutzen, so kann er mittels eines Klarstellungsbeschlusses agieren (FoVo 2017, 48), d.h. beim Vollstreckungsgericht beantragen, dass die nicht entrichtete Miete beim Pfändungsfreibetrag auf die eine wie die andere Art in Abzug gebracht wird.
Hinweis
§ 850c Abs. 3 S. 2 ZPO erlaubt den Erlass eines Blankettbeschlusses, verbietet dem Vollstreckungsgericht aber nicht, in Zweifelsfällen bei Erlass des PfÜB genauere Anweisungen zur Berechnung des pfändbaren Einkommens zu erteilen. Dann spricht nach dem BGH (NJW 2006, 777) aber nichts dagegen, eine solche Ergänzung und Spezifizierung bei Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses auf Antrag auch nach Erlass des PfÜB als eine weit...