Titulierung als entscheidende Zäsur
Der BGH widerspricht den Vorinstanzen und entscheidet zugunsten der Bank als Gläubiger. Die Titulierung stellt im Ergebnis eine Zäsur dar, die die Option des Widerrufes des Grundgeschäftes entzieht.
Es war einmal ein Darlehnsanspruch und ein Widerrufsrecht
Die Klägerin schloss den Darlehensvertrag als Verbraucherin, so dass ihr gemäß § 495 Abs. 1 BGB das Recht zukam, ihre auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung nach § 355 Abs. 1 und 2 BGB in der nach Art. 229 §§ 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 22 Abs. 2, 32, 38 Abs. 1 S. 1 EGBGB maßgeblichen, zwischen dem 1.8.2002 und dem 10.6.2010 geltenden Fassung (künftig: a.F.) zu widerrufen (vgl. BGHZ 212, 207 Rn 15). Dieses Recht stand ihr auch insoweit zu, als das OLG die Klägerin neben ihrem Ehemann nicht als echte Mitdarlehensnehmerin, sondern lediglich als Mithaftende eingestuft hat (vgl. BGHZ 133, 71, 74 f.; BGH WM 1997, 710). Ebenfalls zutreffend ist die Auffassung des OLG, die der Klägerin erteilte Widerrufsbelehrung informierte mittels des Einschubs "frühestens" unzureichend deutlich über den Beginn der Widerrufsfrist (vgl. BGHZ 211, 123 Rn 18), so dass der Klägerin zunächst ein Widerrufsrecht zustand, das sie nach Ablauf der gesetzlichen Widerrufsfrist grundsätzlich noch wirksam ausüben konnte.
Aber die Präklusion der Titulierung darf nicht übersehen werden
Rechtsfehlerhaft hat das OLG aber angenommen, die Geltendmachung des Widerrufsrechts der Klägerin sei nicht nach § 767 Abs. 2, § 796 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen.
Die Ausübung des Widerrufsrechts ist nach § 767 Abs. 2, § 796 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen, weil die Klägerin den Widerruf am 25.1.2015 und damit erst nach Ablauf der gemäß §§ 700 Abs. 1, 339 Abs. 1 ZPO bestehenden zweiwöchigen Frist zur Einlegung des Einspruchs gegen den Vollstreckungsbescheid vom 2.9.2010 erklärt hat, obwohl sie die Möglichkeit und Befugnis hatte, ihre auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung vor Ablauf der Einspruchsfrist zu widerrufen.
Präklusion gilt auch beim VB
Nach § 767 Abs. 2 ZPO können Einwendungen gegen einen durch Urteil festgestellten Anspruch nur dann mit der Vollstreckungsgegenklage geltend gemacht werden, wenn die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung entstanden sind, in der Einwendungen hätten geltend gemacht werden müssen. Diese Regelung gilt gemäß §§ 795 S. 1, 794 Nr. 4 ZPO auch für in Vollstreckungsbescheiden festgestellte Ansprüche mit der Maßgabe, dass die Gründe, auf denen die Einwendungen beruhen, nach Zustellung des Vollstreckungsbescheides entstanden sein müssen und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können (§ 796 Abs. 2 ZPO).
Was gilt bei Gestaltungsrechten?
Bei Gestaltungsrechten ist zur Beantwortung der Frage, ob deren Ausübung nach § 767 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen ist, nicht der Zeitpunkt der Gestaltungserklärung des Berechtigten maßgebend, sondern es ist auf den Zeitpunkt ihres Entstehens und der Befugnis zu ihrer Ausübung abzustellen (BGHZ 157, 47, 52; BGH NJW-RR 2006, 229 Rn 14; BGHZ 201, 121 Rn 17; BGHZ 220, 78 Rn 29). Dies gilt auch für das Widerrufsrecht bei Verbraucherdarlehen nach §§ 495 Abs. 1, 355 Abs. 1 und 2 BGB a.F.
Hinweis
Ein Gestaltungsrecht zeichnet sich dadurch aus, dass es einerseits die Gestaltungslage gibt (Aufrechnungslage, Widerrufsrecht, Anfechtungslage, Kündigungsrecht etc.), es andererseits aber auch noch der Rechtsausübung (Aufrechnungserklärung, Anfechtungserklärung, Widerrufserklärung, Kündigungserklärung etc.) bedarf, um die Gestaltung eintreten zu lassen. Die Frage des BGH war nun also, ob es für die Präklusion auf die Gestaltungslage oder die Gestaltungserklärung ankommt.
Widerrufsrecht ist Gestaltungsrecht
Die Revision weist zu Recht darauf hin, dass das Widerrufsrecht nach §§ 495 Abs. 1, 355 Abs. 1 und 2 BGB a.F. als Gestaltungsrecht konzipiert ist (BGH WM 2004, 2451, 2452; WM 2018, 45; Schapp, Die Präklusion von Gestaltungsrechten nach § 767 Abs. 2 ZPO, 2011, S. 234; Fischer, VuR 2004, 322, 326; MüKoZPO/Schmidt/Brinkmann, 5. Aufl., § 767 Rn 58, 80; BeckOK-ZPO/Preuß, Stand: 1.1.2020, § 767 Rn 47.1; Bülow, in: Bülow/Artz, Verbraucherkreditrecht, 10. Aufl., § 495 BGB Rn 168; Rohlfing, NJW 2010, 1787, 1788), da der zunächst wirksam zustande gekommene Vertrag durch den Widerruf des Verbrauchers (ex nunc) in ein Abwicklungsverhältnis umgestaltet wird.
Danach tritt die materiell-rechtliche Wirkung des Widerrufs – die Umgestaltung des Darlehensvertrags in ein Abwicklungsverhältnis – zwar erst mit Abgabe der Widerrufserklärung ein. Der Grund, auf dem die umgestaltende Wirkung beruht, entsteht jedoch bereits mit dem Zeitpunkt, in dem der Verbraucher erstmals die Möglichkeit hat, sein Widerrufsrecht auszuüben, und er die Rechtslage durch Abgabe der Gestaltungserklärung zu seinen Gunsten beeinflussen kann. Auf diesen Zeitpunkt ist im Rahmen der Anwendung der Präklusionsreglung des § 767 Abs. 2 ZPO grundsätzlich abzustellen.
Andere Ansicht weist der BGH zurück
Entgegen eine...