LG sieht Möglichkeit der Ermessensausübung und -entscheidung
Die zulässige sofortige Beschwerde hat auch in der Sache überwiegend Erfolg. Entgegen der Auffassung des AG ermöglichen die Ausführungen des Beschwerdegegners die Ausübung der Ermessensentscheidung i.S.v. § 850c Abs. 6 ZPO.
Gemäß § 850c Abs. 6 ZPO – ehemals Abs. 4 – kann das Vollstreckungsgericht nach billigem Ermessen anordnen, dass eine nach dem Gesetz unterhaltsberechtigte Person, die eigene Einkünfte hat, bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt (BGH, Beschl. v. 9.7.2020 – IX ZB 38/19).
Keine überspannten Anforderungen an die Darlegung des Eigeneinkommens
Im Rahmen seiner Ermessensentscheidung hat das Vollstreckungsgericht zu erwägen, ob die eigenen Einkünfte des Unterhaltsberechtigten, die ihm für seinen Lebensunterhalt zur Verfügung stehen, dergestalt zu berücksichtigen sind, dass dem Schuldner für den damit bereits gedeckten Bedarf des Unterhaltsberechtigten ein Einkommensbetrag nicht verbleiben muss. An die Überprüfung dürfen keine überspannten Anforderungen gestellt werden, um das Vollstreckungsverfahren nicht unpraktikabel zu machen (BGH v. 5.4.2005 – VII ZB 28/05, WM 2005, 1186, 1187). Von maßgebender Bedeutung ist zunächst die Höhe der Eigeneinkünfte des Unterhaltsberechtigten, sodann aber dessen Lebensbedarf, der aus diesen Einkünften zu bestreiten ist (BeckOK-ZPO/Riedel, 2020, § 850c Rn 24). Die im einzelnen Fall nach billigem Ermessen zu treffende Entscheidung obliegt dabei dem Tatrichter (BGH v. 5.11.2009 – IX ZB 101/09, NZI 2010, 578; BGH v. 9.7.2020 – IX ZB 38/19).
Unterhaltszahlungen bzw. -leistungen sind Einkommen
Dabei sind Unterhaltszahlungen, die der Unterhaltsberechtigte vom anderen Elternteil oder Dritten bezieht, als eigene Einkünfte i.S.d. § 850c Abs. 6 ZPO zu berücksichtigen (BGH v. 19.12.2019 – IX ZB 83/18, WM 2020, 288). Auch Zuwendungen, die als Naturalunterhalt geleistet werden, sind hier zu berücksichtigen.
Wie das AG zutreffend festgestellt hat, obliegt es zunächst dem Gläubiger, schlüssig vorzutragen, wobei zu dem Vortrag auch die ungefähre Höhe der Eigeneinkünfte des Unterhaltsberechtigten gehört. Der Gläubiger hat hier erklärt, dass er keine Kenntnis über das Einkommen des Kindesvaters habe, allerdings davon auszugehen sei, dass dieser zumindest den SGB II-Regelsatz nebst Leistungen für Unterkunft und Heizung erhalte. Dieser Vortrag ist seitens der Schuldnerin weder bestritten noch widerlegt worden und kann insofern als zugestanden gelten. Im Antragsverfahren nach Abs. 1, Abs. 6 sind die Angaben des Gläubigers bezüglich der Höhe des Einkommens des getrenntlebenden Ehegatten des Schuldners als zutreffend zu unterstellen, wenn der Schuldner den Vortrag des Gläubigers nicht bestreitet (MüKo-ZPO/Smid, 6. Aufl. 2020, ZPO § 850c Rn 25).
Feststellung: Nichtschuldender Kindesvater leistet Unterhalt
Insofern ist davon auszugehen, dass der Vater jedenfalls den SGB II-Regelsatz i.H.v. 446 EUR nebst Leistungen für Unterkunft und Heizung bezieht, welche sich im angemessenen Rahmen auf 500 EUR beziffern lassen (AG Straubing v. 6.8.2020 – 1 M 733/20). Wie sich aus der Lohnabrechnung der Schuldnerin ergibt, ist diese in Steuerklasse I eingetragen und verzeichnet den hälftigen Kinderfreibetrag, sodass davon auszugehen ist, dass der Vater des Kindes die andere Hälfte verzeichnet und das Kind auch bei ihm lebt.
Feststellung: Kind hat eigene Einkünfte
Es ist vorliegend mithin davon auszugehen, dass das Kind der Schuldnerin über eigene Einkünfte in Gestalt von Unterhaltsansprüchen gegen den Kindesvater verfügt, welche als eigenes Einkommen anzusehen sind und welche zu einer entsprechenden Berücksichtigung bei der Bemessung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens führen, bzw. dass der Vater seiner Unterhaltsverpflichtung im Rahmen der Gewährung von Naturalunterhalt nachkommt. Bei der Berechnung des unpfändbaren Arbeitseinkommens sind Kindesunterhaltsleistungen nur anteilig zu berücksichtigen, da Unterhaltsansprüche gegen den anderen Elternteil als Einkommen anzusehen sind. Unentgeltliches Wohnen und freie Kost als Naturalunterhalt sind mit geleistetem Barunterhalt gleichwertig (AG Straubing a.a.O.).
Beide Elternteile leisten Unterhalt
Im Grundsatz ist gem. § 1606 Abs. 3 BGB davon auszugehen, dass beide Elternteile dem Kind in gleichem Maße unterhaltspflichtig sind. Vorliegend rechtfertigen die zu unterstellenden Einkommensverhältnisse des Vaters zwar keine hälftige, jedoch aber eine anteilige Berücksichtigung. Danach ergibt sich unter Berücksichtigung des Regelsatzes für das Kind sowie eines Zuschlages von 50 EUR ein Vergleichswert auf Seiten des Vaters von 1305 EUR (446 + 500 + 309 + 50 EUR) (vgl. hierzu auch AG Straubing a.a.O.).
Die jeweiligen Einkommen stehen damit im Verhältnis 1.305 EUR zu 1.658,35 EUR, mithin im Verhältnis 44 % zu 56 %. Insofern rechtfertigt dies eine Berücksichtigung des Kindes der Beschwerdegegnerin lediglich zu 56 %, nachdem davon auszugehen ist, da...