Leitsatz
Wird der Verhaftungsauftrag binnen drei Monaten nach dem erfolglosen Versuch der Abnahme einer Vermögensauskunft erteilt, liegt kein neuer Auftrag vor, sodass auch keine (weitere) Gebühr für eine gütliche Erledigung anfällt.
AG Werl, Beschl. v. 24.1.2024 – 9 M 347/23
1 Der Fall
Zwangsvollstreckung mit Nichtabgabe der Vermögensauskunft und Haftbefehl
Die Gläubiger betreiben gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung aus einem gerichtlichen Vergleich. Mit Vollstreckungsauftrag vom 8.9.2022 beauftragten sie den Obergerichtsvollzieher (OGV) mit der Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen. Die Schuldnerin gab zunächst keine Vermögensauskunft ab. Die Gläubiger beantragten den Erlass eines Haftbefehls, welcher durch das AG am 29.3.2023 erlassen wurde. Im Termin zur Verhaftung am 25.4.2023 gab die Schuldnerin die Vermögensauskunft ab. Der OGV hatte Angebote zur gütlichen Erledigung unterbreitet.
Kostenrechnung des GV wird beanstandet
In der Kostenrechnung des OGV vom 25.4.2023 rechnete er insgesamt 57,37 EUR ab. Dabei setzte er u.a. eine Auslagenpauschale gemäß KV 716 GVKostG in Höhe von 9,02 EUR sowie eine Gebühr für den Versuch einer gütlichen Erledigung (erm.) gemäß KV 208 GVKostG in Höhe von 8,80 EUR an. Der Bezirksrevisor als Erinnerungsführer hat sich gegen vorbezeichnete Punkte des Kostenansatzes vom 25.4.2023 mit seiner Erinnerung vom 23.8.2023 gewandt. Der Bezirksrevisor trägt vor, dass im Verhaftungsverfahren die Gebühr Nr. 208 KV GvKostG nebst anteiliger Pauschale nach Nr. 716 KV GvKostG – insgesamt 10,56 EUR – nicht angefallen seien. Der Verhaftungsauftrag sei grundsätzlich nach § 3 Abs. 1 S. 4 GvKostG ein besonderer kostenrechtlicher Auftrag. Werde – wie hier – der Antrag zur Vollziehung des Haftbefehls innerhalb der Frist des § 3 Abs. 4 S. 3, 2 GvKostG erteilt, werde der ursprüngliche Auftrag zur Abnahme der Vermögensauskunft daneben fortgesetzt, weshalb insoweit zu berücksichtigen sei, dass in dem ursprünglichen Antrag bereits entstandene und erhobene Gebühren gemäß § 10 Abs. 1 GvKostG nicht erneut entstehen können.
Keine Gebühr für die gütliche Erledigung beim Haftauftrag?
Die Gebühr Nr. 208 KV GvKostG sei zu Unrecht neben den Gebühren Nr. 604, 270 KV GvKostG im Verhaftungsverfahren angesetzt worden. Der OGV ist der Ansicht, dass die Vollziehung des Haftbefehls kostenrechtlich einen besonderen Auftrag darstelle und es sich daher um mehrere Aufträge handele und hierdurch § 10 Abs. 1 S. 1 GvKostG unanwendbar sei. Im Hinblick auf die Einwendungen gegen die Pauschale nach Nr. 716 KV GvKostG hat der GV der Erinnerung bereits abgeholfen, weshalb auf die Argumente des Bezirksrevisors nicht weiter eingegangen wird.
2 II. Die Entscheidung
Auch die Staatskasse hat ein Erinnerungsrecht
Die Erinnerung ist zulässig. Die Erinnerung gemäß § 766 Abs. 2 ZPO ist statthaft, wenn der Erinnerungsführer sich – wie hier – gegen die in Ansatz gebrachten Kosten des GV wendet. Die Staatskasse ist erinnerungsbefugt, vgl. MüKo-ZPO/Karsten Schmidt/Brinkmann, 6. Aufl. 2020, ZPO § 766 Rn 62 m.w.N. Das angerufene Gericht ist zuständig. Die ausschließliche Zuständigkeit ergibt sich aus den §§ 766 Abs. 2, 764 Abs. 2, 802 ZPO, da es sich bei dem hiesigen Gericht um das AG handelt, in welchem das streitgegenständliche Vollstreckungsverfahren vorgenommen wurde. Die Vollstreckungsschuldnerin hat ihren Wohnsitz in Werl. Werl gehört zum Bezirk des AG Werl.
Unzutreffender Kostenansatz des GV
Die Erinnerung ist begründet. Die Erinnerung gegen den Kostenansatz ist begründet, wenn dieser unzutreffend ist, § 788 ZPO. Dies ist der Fall. Bei der Durchführung des Auftrags zur Verhaftung des Schuldners zwecks Erzwingung der Abgabe der Vermögensauskunft entsteht für den GV keine erneute Gebühr für den Versuch einer gütlichen Erledigung, vgl. OLG Celle, Beschl. v. 10.12.2021 – 2 W 183/21. In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Gebühr nach den Nrn. 207 und 208 KV GvKostG auch für den Versuch einer gütlichen Einigung im Rahmen der Vollziehung eines Haftbefehls zur Erzwingung der Abgabe der Vermögensauskunft von einem GV in Rechnung gestellt werden darf, vgl. OLG Celle, Beschl. v. 10.12.2021 – 2 W 183/21.
AG: Verhaftung ist Fortsetzung des Antrags auf Abnahme der VA
Es mag zwar sein, dass die Vollziehung eines Haftbefehls gemäß § 3 Abs. 1 S. 4 GvKostG einen besonderen Auftrag darstellt. Rechtsgrundlage für den Gebührenanspruch ist aber nicht § 3 Abs. 1 S. 4 GvKostG, sondern die Nr. 207 bzw. Nr. 208 KV GvKostG. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass sich das Verfahren zur Abnahme der Vermögensauskunft nach der Verhaftung fortsetzt. Unternimmt der GV in Ausübung des Verhaftungsauftrags den Versuch einer gütlichen Erledigung, stellt sich dies als eine Tätigkeit im fortgesetzten Verfahren zur Abnahme der Vermögensauskunft dar (vgl. NK-GK/Kawell, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl., KV GvKostG Nr. 207–208 Rn 19). Gemäß § 10 Abs. 1 S. 1 GvKostG wird eine Gebühr bei Durchführung desselben Auftrags nach derselben Nummer des Kostenverzeichnisses aber nur einma...