Die Erhöhungsbeträge und deren Nachweis
Bei der Pfändung von Arbeitslohn werden die gesetzlich unterhaltsberechtigten Personen nach § 850c Abs. 2 ZPO nach Maßgabe der Lohnsteuermerkmale vom Arbeitgeber mit den weiteren Freibeträgen nach § 850c Abs. 2 ZPO "automatisch" berücksichtigt. Es obliegt dann dem Gläubiger, deren Nichtberücksichtigung nach § 850c Abs. 6 ZPO zu beantragen.
Bei der Kontopfändung ist es umgekehrt. Hier werden die – identischen – Erhöhungsbeträge für gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen nur berücksichtigt, wenn der Schuldner diese nach Maßgabe des § 903 Abs. 1 S. 2 ZPO nachweist. Der Nachweis ist zu führen durch Vorlage einer Bescheinigung
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der Familienkasse, des Sozialleistungsträgers oder einer mit der Gewährung von Geldleistungen i.S.d. § 902 S. 1 befassten Einrichtung, |
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des Arbeitgebers oder |
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einer geeigneten Person oder Stelle i.S.d. § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO. |
Hinweis
Unterhält der Schuldner ein normales Zahlungskonto, kommt es darauf nicht an, weil dieses Konto keinen Pfändungsschutz genießt. Nach Angaben der Deutschen Bundesbank gab es Ende 2021 etwa 114 Mio. Girokonten, von denen aber nur 2,7 Mio. als Pfändungsschutzkonto ausgewiesen waren. Geht man davon aus, dass es zwischen 8 und 12 Millionen Schuldner gibt, d.h. Personen, die nicht regelmäßig ihre offenen Verpflichtungen bedienen, so besitzt nicht einmal jeder Dritte ein Pfändungsschutzkonto. Die Begrenzungen wirken sich also nicht in jedem Fall der Kontopfändung aus.
Nachweis als Grundlage der Prüfung
Erst auf der Grundlage einer solchen Bescheinigung lässt sich vom Drittschuldner der Pfändungsfreibetrag auf einem P-Konto errechnen. Der Gläubiger wiederum kann diesen nur auf der Grundlage der Bescheinigung überprüfen. Auch kann der Gläubiger nur auf der Grundlage der Bescheinigung prüfen, welche Angaben der Schuldner gemacht hat, ob diese richtig sind und inwieweit ein Antrag nach § 906 i.V.m. § 850c Abs. 6 ZPO auf Nichtberücksichtigung von gesetzlich unterhaltsberechtigten Personen gestellt werden muss (BGH v. 21.2.2013 – VII ZB 59/10 Rn 8).
Hinweis
Der Gläubiger hat also ein rechtliches Interesse an der Bescheinigung nach § 903 Abs. 1 S. 2 ZPO. Da der Schuldner diese dem Drittschuldner zu übergeben hat, liegt zunächst einmal nahe, diese auch vom Drittschuldner herauszuverlangen. Tatsächlich sind Schuldner nicht gerade dafür bekannt, sich von solchen Unterlagen Kopien zu fertigen.
BGH: Der Schuldner hat die Urkunden herauszugeben
Der BGH (21.2.2013 – VII ZB 59/10, FoVo 2013, 132) hat sich mit der aufgeworfenen Frage noch unter Geltung von § 850k Abs. 2, Abs. 5 S. 2 ZPO, der in §§ 902, 903 ZPO aufgegangen ist, aus der Perspektive des Herausgabeverlangens gegenüber dem Schuldner beschäftigt. Er hat zunächst entschieden, dass der Gläubiger, zu dessen Gunsten Ansprüche des Schuldners auf Auszahlung von Guthaben auf einem Pfändungsschutzkonto gepfändet und überwiesen werden, verlangen kann, dass die gemäß § 836 Abs. 3 S. 1 ZPO bestehende Verpflichtung des Schuldners zur Herausgabe der bei ihm vorhandenen Nachweise, welche – damals gemäß § 850k Abs. 2, Abs. 5 S. 2 ZPO, heute gemäß §§ 902, 903 ZPO – zur Erhöhung der Pfändungsfreibeträge führen können, in den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss aufgenommen wird.
Hinweis
Dem Schuldner muss allerdings nachgelassen werden, die Übergabe durch Herausgabe von Kopien zu erfüllen. Dass der Schuldner über solche Kopien nicht verfügt, wie die Vorinstanzen zu bedenken gegeben hatten, focht den BGH nicht an. Richtig ist natürlich, dass über die Herausgabepflicht nun seit mehr als elf Jahren entschieden ist, sodass der Schuldner auch über seine Pflicht, Kopien zu fertigen, informiert sein könnte. Auch kann er sich die Kopie ohne Weiteres bei der Drittschuldnerin beschaffen.
Schließt Herausgabepflicht des Schuldners die des Drittschuldners aus?
Dass der Schuldner die Unterlage herauszugeben hat, besagt allerdings nicht, dass der Drittschuldner dann nicht mehr verpflichtet ist, diese herauszugeben. So ist etwa unbestritten, dass bei der Pfändung von Arbeitseinkommen nicht nur der Schuldner die laufenden Abrechnungen über das Arbeitseinkommen herauszugeben hat (BGH v. 20.12.2006 – VII ZB 58/06, FoVo 2008, 162), sondern auch der Drittschuldner (BGH v. 19.12.2012 – VII ZB 50/11, FoVo 2013, 56).
Die Herausgabepflicht des Schuldners berührt die Frage, ob (auch) der Drittschuldner diese herauszugeben hat, nicht. Dies hat auch der BGH in der vorgenannten Entscheidung nicht ausgesprochen.
§ 840 ZPO gibt keinen Herausgabeanspruch
Richtig kommt die Rechtspflegerin zu dem Ergebnis, dass § 840 ZPO keine Herausgabepflicht, sondern ausschließlich eine nach Maßgabe des § 840 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 ZPO beschränkte Auskunftspflicht postuliert (BGH v. 1.12.1982 – VIII ZR 279/81, Rn 15; Smid, in: MüKo-ZPO, 6. Aufl. 2020, § 840 Rn 12; Flockenhaus, in: Musielak/Voit, ZPO, 21. Aufl. 2024, § 840 Rn 5; Zöller/Seibel, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 840 Rn 8). Selbst diese Auskunftspflicht ist allerdings nicht einklagbar, sondern lediglich ...