Was hat das Vollstreckungsgericht zu prüfen?
Entgegen der Auffassung des LG muss sich bei der Zwangsvollstreckung von Unterhaltsansprüchen nach § 850d Abs. 1 S. 1 ZPO aus dem Vollstreckungstitel allein ergeben, dass der Vollstreckung ein Unterhaltsanspruch der in § 850d Abs. 1 S. 1 ZPO genannten Art zugrunde liegt, nicht hingegen, dass der Gläubiger gegenüber anderen Unterhaltsberechtigten bevorrechtigt ist.
Zu § 850f Abs. 2 ZPO hat der BGH bereits entschieden, dass es nicht Aufgabe des Vollstreckungsgerichts ist, auch über das Vorliegen eines Anspruchs aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung zu entscheiden. Bei der Prüfung, ob der Gläubiger aus einem in der Zwangsvollstreckung privilegierten Anspruch vorgeht, ist es an die Auffassung des Prozessgerichts gebunden. Allein das wird der Aufgabenverteilung zwischen Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren gerecht, nach der die materiell-rechtliche Beurteilung des geltend gemachten Anspruchs dem Prozessgericht obliegt, während die Vollstreckungsorgane die formellen Voraussetzungen prüfen, von denen die Durchsetzung des vollstreckbaren Anspruchs abhängt (BGH NJW 2005, 1663; BGHZ 152, 166). Um den Nachweis für die Vollstreckungsprivilegierung zu erbringen, hat der Gläubiger dem Vollstreckungsgericht daher einen Titel vorzulegen, aus dem sich – gegebenenfalls im Wege der Auslegung – der deliktische Schuldgrund und der von § 850f Abs. 2 ZPO vorausgesetzte Grad des Verschuldens ergeben; eine davon abweichende Beurteilung ist dem Vollstreckungsgericht versagt.
Grundsätze sind auf § 850d zu übertragen
Diese Grundsätze sind auch auf die nach § 850d Abs. 1 ZPO privilegierte Zwangsvollstreckung anzuwenden. Das hat zur Folge, dass der Gläubiger dem Vollstreckungsorgan einen Titel vorlegen muss, aus dem sich – ggf. im Wege der Auslegung – die Qualifikation des zugrunde liegenden Anspruchs als Unterhaltsanspruch der in § 850d Abs. 1 S. 1 ZPO genannten Art ergibt. Dass sich darüber hinaus die Vorrangstellung des Gläubigers gegenüber anderen Unterhaltsberechtigten gemäß § 850d Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 1609 BGB aus dem Titel ergeben muss und im Vollstreckungsverfahren nicht mehr geprüft werden kann, ist nicht erforderlich. Vielmehr hat das Vollstreckungsorgan die Aufgabe, diese Rangfolge bei der Bemessung des dem Schuldner pfandfrei zu belassenden Einkommensanteils nach § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO zu bestimmen.
Pfandfreier Betrag: eigener Unterhalt und (vorrangige) Unterhaltspflichten
§ 850d Abs. 1 S. 2 ZPO bestimmt, dass dem Schuldner so viel zu belassen ist, wie er für seinen notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten gegenüber den dem Gläubiger vorgehenden Berechtigten oder zur gleichmäßigen Befriedigung der dem Gläubiger gleichstehenden Berechtigten bedarf. Hinsichtlich der Rangfolge mehrerer nach § 850d Abs. 1 ZPO Unterhaltsberechtigter bestimmt § 850d Abs. 2 BGB, dass diese mit ihren Ansprüchen in der Reihenfolge nach § 1609 BGB und § 16 LPartG zu berücksichtigen sind. Damit macht diese Vorschrift die Prüfung der materiell-rechtlichen Rangfolge zum Gegenstand des Vollstreckungsverfahrens; anderenfalls könnte der dem Schuldner nach § 850d Abs. 1 S. 2 ZPO zu belassende Einkommensanteil im Vollstreckungsverfahren nicht bestimmt werden.
Vollstreckungsgericht hat materielle Prüfungskompetenz
Auch die Gesetzesmaterialien belegen, dass die materiell-rechtliche Rangfolge mehrerer Unterhaltsberechtigter im Vollstreckungsverfahren zu prüfen ist. Im Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Unterhaltsrechts ist die Neufassung von § 850d Abs. 2 ZPO wie folgt begründet worden: "Die in § 850d Abs. 2 ZPO enthaltene Rangfolge zwischen pfändenden Unterhaltsgläubigern wird, da die materiell-rechtliche Regelung und das Zwangsvollstreckungsrecht übereinstimmen müssen, mit der neuen, durch den Entwurf geschaffenen unterhaltsrechtlichen Rangfolge (§ 1609 BGB, § 16 LPartG) in Einklang gebracht" (BT-Drucks 16/1830, S. 36; vgl. auch schon BT-Drucks 5/3719, S. 50).
Unterhaltsanspruch ist durch den Vergleich nachgewiesen
Nach den Feststellungen des LG hat sich der Schuldner in dem zwischen den Parteien geschlossenen Vergleich dazu verpflichtet, der Gläubigerin als seiner früheren Ehefrau monatlichen Ehegattenunterhalt in Höhe von 556 EUR zu zahlen. Damit ergibt sich aus dem Titel, dass der Vollstreckung ein privilegierter Unterhaltsanspruch der in § 850d Abs. 1 Satz 1 ZPO genannten Art zugrunde liegt.
Vollstreckungsgericht hat materielle Prüfungskompetenz
Dem steht nicht entgegen, dass die Parteien die Unterhaltsansprüche in einem Prozessvergleich geregelt haben. § 850d Abs. 1 Satz 1 ZPO umfasst zwar nur gesetzliche Unterhaltsansprüche (BGH NJW-RR 2009, 1441; BGH MDR 2005, 1434). Die Unterhaltsansprüche verlieren ihren Charakter als gesetzliche jedoch nicht dadurch, dass die Parteien solche Ansprüche vertraglich – z.B. in Form eines Prozessvergleichs – regeln.
Hier hat das Vollstreckungsgericht noch etwas zu...