Leitsatz
Gepfändetes Guthaben auf einem Pfändungsschutzkonto, das erst nach Ablauf des auf den Zahlungseingang folgenden Kalendermonats an den Gläubiger geleistet werden darf, kann, soweit der Schuldner hierüber in diesem Kalendermonat nicht verfügt und dabei seinen Pfändungsfreibetrag nicht ausschöpft, in den übernächsten Monat nach dem Zahlungseingang übertragen werden und erhöht dort den Pfändungsfreibetrag.
BGH, 4.12.2014 – IX ZR 115/14
1 I. Der Fall
P-Konto mit nicht ausgeschöpften Freibeträgen
Die beklagte Bank führte für den Kläger ein Girokonto, dessen Guthaben zugunsten eines Gläubigers des Klägers gepfändet war. Auf Antrag vom 28.2.2011 wurde das Konto spätestens mit Wirkung zum 14.3.2011 in ein Pfändungsschutzkonto im Sinne von § 850k ZPO umgewandelt. In der Folgezeit wurden auf dem Konto jeweils zum Monatsende Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs gutgeschrieben, die für den Folgemonat bestimmt waren. Ausgehend von einem Restguthaben von 1,99 EUR im März 2011 beliefen sich die monatlichen Eingänge (E), Verfügungen (V) und Endguthaben (G) auf folgende Beträge:
|
März |
April |
Mai |
Juni |
Juli |
August |
Sept. |
Okt. |
Nov. |
V |
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884,94 |
775,44 |
776,21 |
765,82 |
805,41 |
857,86 |
957,97 |
807,72 |
E |
769,43 |
893,55 |
776,64 |
776,64 |
807,86 |
807,86 |
857,86 |
957,97 |
|
G |
771,42 |
780,03 |
781,23 |
781,66 |
823,70 |
826,15 |
826,15 |
826,15 |
18,43 |
Streit um Lastschriften
Am 2.8.2011 versuchte ein Gläubiger, durch Lastschrift einen Betrag von 12,71 EUR einzuziehen. Die Beklagte gab die Lastschrift zurück, weil der Kontostand nach ihrer Ansicht pfändungsbedingt den Lastschriftbetrag nicht deckte. Dadurch fiel eine Rücklastschriftgebühr in Höhe von 10 EUR an. Am 16.8.2011, als der Gläubiger – nunmehr über den Betrag von 22,71 EUR – einen weiteren Einzug unternahm, verfuhr die Beklagte in gleicher Weise. Die entstandenen Gebühren in Höhe von insgesamt 20 EUR buchte der Gläubiger später mit Erfolg vom Konto des Klägers ab. Die Beklagte selbst belastete das Konto mit 2 EUR Aufwendungsersatz. Im November 2011 verweigerte die Beklagte die Auszahlung des Kontoguthabens von 18,43 EUR mit der Begründung, es werde von der Pfändung erfasst.
Kleine Beträge klären wichtige Rechtsfragen
Das AG hat der auf Zahlung von 40,43 EUR nebst vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 10 EUR und Zinsen gerichteten Klage stattgegeben. Die Beklagte hat die Verurteilung in Höhe des Betrags von 2 EUR hingenommen. Auf die Berufung der Beklagten im Übrigen hat das LG die darüber hinausgehende Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein abgewiesenes Begehren weiter.
2 II. Die Entscheidung
BGH entscheidet zugunsten der Schuldner
Die Möglichkeit, Guthaben nach Maßgabe des § 850k Abs. 1 Satz 3 ZPO pfändungsfrei in den Folgemonat zu übertragen, besteht auch für gesperrtes Guthaben im Sinne von § 835 Abs. 4, § 850k Abs. 1 Satz 2 ZPO.
Zur Sicherung der persönlichen Lebensgrundlage des Schuldners kann dieser monatlich über sein Guthaben auf einem als Pfändungsschutzkonto geführten Girokonto bis zur Höhe des Freibetrags nach § 850c Abs. 1 S. 1 i.V.m.. § 850c Abs. 2a ZPO verfügen; insoweit wird das Guthaben von der Pfändung nicht erfasst (§ 850k Abs. 1 S. 1 ZPO). Soweit der Schuldner trotz eines entsprechenden Guthabens den Freibetrag nicht ausschöpft, stand ihm dieses Guthaben im Folgemonat zusätzlich pfändungsfrei zur Verfügung (§ 850k Abs. 1 S. 2 ZPO a.F.). Nach dem Wortlaut konnten Beträge, die zum Ende eines Monats auf dem Konto eingingen, aber für den Folgemonat bestimmt waren, insbesondere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (vgl. § 41 Abs. 1 S. 4 SGB II), von der Pfändung erfasst werden, wenn der Schuldner zuvor schon in Höhe des Freibetrags über sein Guthaben verfügt hatte. Sie standen dann im Folgemonat für den Lebensunterhalt nicht mehr zur Verfügung. Zur Lösung dieses "Monatsanfangsproblems" bestimmte der Gesetzgeber durch Gesetz vom 12.4.2011 (BGBl I S. 615), dass bei der Pfändung künftiger Guthaben auf einem Pfändungsschutzkonto eingehende Zahlungen erst nach Ablauf des Folgemonats an den Gläubiger ausgekehrt werden dürfen (§ 835 Abs. 4 ZPO n.F.). Nach dem Inhalt des in § 850k Abs. 1 ZPO neu eingefügten Satzes 2 (der bisherige Satz 2 wurde unverändert zu Satz 3) gehört das so gesperrte Guthaben zu dem Guthaben nach § 850k Abs. 1 Satz 1 ZPO, über das der Schuldner in Höhe seines Freibetrags verfügen darf.
Hinweis
Die gesetzliche Neuregelung ist der Beurteilung des vorliegenden Falles zugrunde zu legen. Denn nach der Rechtsprechung des BGH ist sie auch anwendbar, wenn die Pfändung erfolgte, bevor die Neuregelung in Kraft trat, sofern der zu beurteilende Sachverhalt zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen war (BGH FoVo 2011, 211; BGH NZI 2011, 717).
Übertragung in den übernächsten Monat möglich
Guthaben, das aufgrund der Regelung in § 835 Abs. 4 ZPO erst nach Ablauf des auf den Zahlungseingang folgenden Monats an den Gläubiger geleistet werden darf, kann unter den Voraussetzungen des § 850k Abs. 1 S. 3 ZPO in den hierauf folgenden Monat, somit in den übernächsten Monat nach de...