Wird eine Unterhaltsforderung vollstreckt, genießt der Schuldner nach § 850d ZPO nicht den Schutz der Pfändungsfreigrenzen nach § 850c ZPO, sondern darf nur den notwendigen Unterhalt – Hartz IV – und die zur Erfüllung seiner vorrangigen Unterhaltspflichten notwendigen Mittel behalten. Man spricht von der sogenannten "Tieferpfändung". Schwierigkeiten können sich ergeben, wenn der Unterhaltsanspruch mittels Vollstreckungsbescheid tituliert wird. Aktuell zeigen sich hier bei den Unterhaltsvorschussstellen Probleme, die Anlass sind, das Thema aufzugreifen.

Qualifizierter Nachweis der Unterhaltsforderung erforderlich

Unterhaltsvorschussstellen begegnen derzeit zunehmend den Widerständen von Vollstreckungsgerichten, wenn sie nach geleisteten Unterhaltsvorschüssen die Rückforderung bei den unterhaltspflichtigen Schuldnern mittels Vollstreckungsbescheid im Bereich des § 850d ZPO pfänden wollen. Sowohl Rechtspfleger als auch Instanzgerichte vertreten zunehmend die Auffassung, dass die sog. "Tieferpfändung" oder "privilegierte Pfändung" bei Titeln, bei denen das Erkenntnisverfahren nicht stattgefunden hat, ausgeschlossen sei. Andere bejahen diese Möglichkeit ohne Weiteres, vorausgesetzt, der Charakter der Vollstreckungsforderung ergibt sich als gesetzliche Unterhaltsforderung aus dem Vollstreckungstitel. Auf die exakte Benennung des Anspruches im Antrag auf Erlass eines Mahn- bzw. Vollstreckungsbescheids sollte in jedem Falle Wert gelegt werden. Das DIJUF-Rechtsgutachten vom 3.2.2014 (JAmt 2014, S. 86 f.) gibt bis zur höchstrichterlichen Klärung die Empfehlung, die Unterhaltsforderung im Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids so genau wie möglich zu umschreiben.

 

Musterformulierung

Unterhalt Ihres minderjährigen Kindes F M, geb. 1.1.2010 [ … ] aus dem Zeitraum 1.8.2014 bis 31.10.2015 gem. §§ 1601 ff. BGB, gesetzlich übergegangen wegen erbrachten Unterhaltsvorschusses gem. § 7 Abs. 1 UVG.

Ausgeschlossen durch Vollstreckungsbescheid?

Die regelmäßig in diesem Zusammenhang zitierte höchstrichterliche Rechtsprechung wird aber zum Teil offenkundig dahingehend ausgelegt, dass eine mittels Vollstreckungsbescheid titulierte Rückforderung von Unterhaltsvorschussleistungen gar nicht zu einer privilegierten Vollstreckung nach § 850d ZPO führen kann. Familiengerichte und Unterhaltsvorschusskassen sähen sich insoweit einer nicht unwesentlichen Mehrbelastung ausgesetzt, müsste nunmehr jeder gem. § 7 UhVorschG übergegangene Rückforderungsanspruch im Wege von Klageverfahren – wenn auch nach § 249 FamFG – durchgesetzt werden, damit der unterstellten Voraussetzung eines Erkenntnisverfahrens genüge getan wird.

Streitfrage ist höchstrichterlich nicht geklärt

Tatsächlich hat der BGH aber bislang gar nicht darüber entschieden, ob im Rahmen der Tieferpfändung durch Vollstreckungsbescheid die Notwendigkeit eines Erkenntnisverfahrens für jeden Unterhaltsgläubiger besteht oder ob vielmehr doch eine Differenzierung zwischen verschiedenen Unterhaltsgläubigern, nämlich eine Unterscheidung in unmittelbare Unterhaltsgläubiger und Unterhaltsvorschusskassen vorzunehmen ist.

In der Entscheidung des BGH vom 6.9.2012 (VII ZB 84/10) hatte der Senat immerhin über eine Tieferpfändung nach § 850d ZPO wegen einer Unterhaltsforderung zu befinden. Danach ist zum Nachweis der Voraussetzungen des § 850d ZPO ein Titel erforderlich, aus dem sich ergibt, dass ein Unterhaltsanspruch nach § 850d Abs. 1 S. 1 ZPO vorliegt. Gegenstand des Verfahrens war ein familiengerichtlicher Vergleich. Ahrens (NJW 2013, 239) will in analoger Anwendung zur Entscheidung des BGH vom 5.4.2005 (VII ZB 17/05) zu § 850f Abs. 2 ZPO die "Tieferpfändung" deshalb generell ausschließen, wenn nur ein Vollstreckungsbescheid vorliegt. Ein Erkenntnis des BGH, wonach die Tieferpfändung mittels Vollstreckungsbescheid (auch) bei Unterhaltsvorschussstellen, die naturgemäß nur Rückstände aus Vorschussleistungen in Höhe des gesetzlichen Mindestunterhalts vollstrecken, da nur in dieser Höhe festgesetzt und geleistet wird (§§ 2 Abs. 1 UVG, 1612a Abs. 1 S. 3 Nr. 1 BGB) oder gar generell ausgeschlossen ist, existiert hingegen nicht (siehe auch BGH v. 17.9.2014 – VII ZB 21 und 22/13). Dem BGH scheint es vielmehr allein darauf anzukommen, dass klar sein müsse, um welchen Anspruch es geht, nicht aber, dass dieser auch zu Recht besteht.

Unterschiedliche Ausgangssituation sehen

In der Entscheidung von 2012 bezieht sich der BGH zwar ausdrücklich auf seine bisherige Rechtsprechung zu § 850f Abs. 2 ZPO und führt aus, dass die dortigen Grundsätze zu beachten sind, nämlich im Bereich der privilegierten Pfändung die Aufgabenverteilung von Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren, und dass ferner im Bereich des § 850d ZPO ein Titel erforderlich sei, aus dem sich gegebenenfalls im Wege der Auslegung der deliktische Schuldgrund bzw. die Qualifikation als Unterhaltsanspruch ergibt. Dieser Schutzzweck ist aber nicht blind übertragbar. Bei § 850f Abs. 2 ZPO soll laut BGH der Gläubiger einen Titel vorlegen, der seine Berechtigung zu einem er...

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