I. Das Problem
Nichtberücksichtigung des unterhaltsberechtigten Ehegatten …
Ich habe eine Frage zu Ihrem Beitrag in FoVo 2011, 221–225. Dort haben Sie dargestellt, dass bei einer Erwerbstätigkeit des Ehegatten des Schuldners nicht nur dieser nach § 850c Abs. 4 ZPO nicht zu berücksichtigen sein kann. Vielmehr sei zu prüfen, ob dessen Einkommen ausreicht, um seiner Unterhaltspflicht gegenüber den gemeinsamen Kindern zu genügen.
… und halber Kinder!
Ich habe einen solchen Beschluss gegen den Schuldner erwirkt, allerdings hat der Schuldner nur ein Kind, so dass der Rechtspfleger beschlossen hat, dass das Kind bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens nur zur Hälfte zu berücksichtigen ist. Mein Problem: Wie berechnet man die Hälfte? In keiner Tabelle ist ein halber pfändbarer Betrag angegeben und das Ergebnis der Schuldnerin kann ich nicht nachvollziehen. Leider wird in Ihrem Beispiel auch nicht darauf eingegangen. Meine Recherchen im Internet waren auch nicht erfolgreich.
II. Die Lösung
Tabelle hilft nicht weiter
Der Fall der Leserin ist gelebte Praxis und zeigt sich überall dort, wo der Schuldner ein, drei, fünf oder eine sonstige ungerade Zahl an Kindern hat. In diesem Fall ist die Tabelle nach § 850c ZPO nicht anwendbar, da sie nur vollständige Personen berücksichtigen kann. Im Fall der Leserin ist aber neben dem Schuldner nur eine halbe unterhaltsberechtigte Person zu berücksichtigen, so dass entsprechend den Vorgaben von § 850c ZPO selbst gerechnet werden muss.
So verhalten Sie sich richtig
Unterstellt, der Schuldner ist verheiratet, hat ein Kind und verfügt über ein Nettoeinkommen von 1.503,24 EUR. In diesem Fall ergibt sich nach der Tabelle zu § 850c Abs. 4 ZPO kein pfändbares Arbeitseinkommen. Das ändert sich aber schon dann, wenn der Ehegatte über ein Einkommen von 1.450 EUR verfügt. In diesem Fall ist der Ehegatte auf Antrag des Gläubigers nach § 850c Abs. 4 ZPO nicht zu berücksichtigen, so dass zugunsten des Schuldners allenfalls noch das Kind als unterhaltsberechtigte Person verbleibt. Bei einem Nettoeinkommen von 1.500 EUR ergibt sich dann ein pfändbares Einkommen beim Schuldner von 41,95 EUR monatlich. Wird berücksichtigt, dass ja nicht nur der Schuldner, sondern grundsätzlich beide Elternteile dem Kind gegenüber zum Unterhalt verpflichtet sind, muss sich diese Situation noch verbessern, wenn nur ein halbes Kind berücksichtigt wird. Hat der Schuldner zwei, vier oder eine sonstige gerade Anzahl an Kindern, führt dies in der Praxis zu keinen Problemen, da die Halbierung der Zahl der Kinder zu einer in der Tabelle wiedergegebenen Zahl von unterhaltsberechtigten Personen führt. Anders bei der Halbierung des einen Kindes, wie im Fall der Leserin.
So wird gerechnet
In folgenden Schritten müssen Sie rechnen:
1. |
Auszugehen ist vom Nettoeinkommen des Schuldners, das vorliegend 1.503,24 EUR beträgt. |
2. |
Nach § 850c Abs. 3 S. 1 ist das Nettoeinkommen zunächst nach unten auf 1.500 EUR abzurunden. |
3. |
Hiervon ist dann zunächst der Pfändungsfreibetrag von 1.028,89 EUR als Freibetrag für den Schuldner in Abzug zu bringen, was zu einem Betrag von 471,11 EUR führt. |
4. |
Von diesem Betrag ist nun nicht der Freibetrag für die erste unterhaltsberechtigte Person nach § 850c Abs. 1 S. 2 ZPO von 387,22 EUR in Abzug zu bringen, sondern – da der Rechtspfleger die hälftige Nichtberücksichtigung des Kindes angeordnet hat – nur die Hälfte, also 193,61 EUR. Es verbleibt also ein das unpfändbare Arbeitseinkommen nach § 850c Abs. 1 ZPO übersteigender Betrag von 471,11 – 193,61 EUR = 277,50. |
5. |
Dieser Betrag ist allerdings nach § 850c Abs. 2 ZPO nicht in vollem Umfang pfändbar. Vielmehr ist der überschießende Betrag zu weiteren drei Zehnteln unpfändbar, wenn der Schuldner keiner weiteren Person unterhaltspflichtig ist, und zwei weiteren Zehnteln für die erste Person, der Unterhalt gewährt wird. Da das Kind allerdings nach der Entscheidung des Rechtspflegers nur zur Hälfte zu berücksichtigen ist, beträgt der weitere pfändungsfreie Betrag nicht 20 %, sondern nur 10 %. Insgesamt ist der Ausgangsbetrag also um 40 % zu kürzen und pfändungsfrei zu belassen. Im Umkehrschluss sind also 60 % von 277,50 EUR = 166,50 EUR pfändbar. |
Durch die konsequente Anwendung von § 850c Abs. 4 ZPO erhöht sich der pfändbare Betrag nochmals von 41,95 EUR auf 166,50 EUR und damit um weitere 124,55 EUR. Den pfändbaren Betrag muss allerdings nicht der Gläubiger selbst berechnen. Vielmehr ist dies primär Aufgabe des Arbeitgebers des Schuldners. Selbstverständlich sollte der Gläubiger dessen Berechnung allerdings überprüfen. Sowohl der Arbeitgeber als Drittschuldner als auch der Gläubiger können bei Differenzen über die richtige Berechnung einen Klarstellungsbeschluss beim Vollstreckungsgericht erwirken (hierzu FoVo 2011, 161).
Hinweis
Der besondere Vorteil des Beschlusses nach § 850c Abs. 4 ZPO liegt darin, dass er nur zugunsten des Gläubigers wirkt, der ihn beantragt und erwirkt hat (BAG NZA 1985, 126; LAG Hamm DB 1982, 1676; LG Mönchengladbach JurBüro 2003, 490...