Das LG lässt dem SU zu viel
Das LG geht davon aus, dass die Forderung des Schuldners gegen die Drittschuldnerin gemäß § 850b Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO nach den für Arbeitseinkommen geltenden Vorschriften gepfändet werden kann. Dagegen ist nichts zu erinnern. Unzutreffend ist allerdings die Auffassung des LG, dem Schuldner müssten monatlich 177,01 EUR von der gegenüber der Drittschuldnerin bestehenden Forderung pfändungsfrei verbleiben, weil sonst sein notwendiger Unterhalt nicht gesichert sei. Für eine dahingehende Annahme reichen die getroffenen Feststellungen nicht aus.
Pfändungsfreigrenzentabelle gilt nicht
Betreibt der Gläubiger die Zwangsvollstreckung wegen einer Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, zu der auch der Anspruch auf Erstattung der Prozesskosten gehört (BGH NJW-RR 2011, 791 = FoVo 2011, 134), darf er nach § 850f Abs. 2 Hs. 1 ZPO in einem gegenüber der Vorschrift des § 850c ZPO erweiterten Umfang auf das Arbeitseinkommen des Schuldners zugreifen. Diesem ist jedoch so viel zu belassen, wie er für seinen notwendigen eigenen Unterhalt und zur Erfüllung laufender gesetzlicher Unterhaltspflichten benötigt, § 850f Abs. 2 Hs. 2 ZPO.
Gesichert wird das Existenzminimum
Die Regelung in § 850f Abs. 2 Hs. 2 ZPO ist Bestandteil der Vorschriften über den Pfändungsschutz bei Arbeitseinkommen. Sie dient als Ausdruck des Sozialstaatsprinzips (Art. 20 GG) auch dem Zweck, dem Schuldner ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Darüber hinaus soll im öffentlichen Interesse verhindert werden, dass dem Schuldner durch Vollstreckungsmaßnahmen das Existenzminimum genommen wird mit der Folge, dass das Fehlende durch Sozialhilfe ersetzt und die Forderung des Gläubigers letztlich von der Allgemeinheit aus Steuermitteln bedient werden müsste. Durch den dem Schuldner nach § 850f Abs. 2 Hs. 2 ZPO zu belassenden Freibetrag ist dieser davor geschützt, dass sein verbleibendes Resteinkommen unter den Sozialhilfebedarf absinkt.
SU behält nur den notwendigen Unterhalt …
Aus § 850f Abs. 2 Hs. 2 ZPO ergibt sich nicht, wie hoch der dem Schuldner pfandfrei verbleibende Betrag ist. Maßgebend ist, wie viel der Schuldner für seinen notwendigen Unterhalt benötigt. Der Begriff des notwendigen Unterhalts in § 850f Abs. 2 Hs. 2 ZPO stimmt mit demjenigen in § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO überein (BGH NJW-RR 2011, 706; BGH FoVo 2011, 55). Für den Begriff des notwendigen Unterhalts in § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO hat der BGH entschieden, dass dieser grundsätzlich dem notwendigen Lebensunterhalt im Sinne des 3. und 11. Kapitels des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch entspricht (BGH NJW-RR 2008, 733 = FoVo 2008, 160; BGH InVo 2005, 265).
… was im konkreten Fall nicht viel sein muss!
Im Einklang mit diesen Grundsätzen hat das LG errechnet, dass der Schuldner monatlich 384,03 EUR benötigt, um seinen notwendigen eigenen Unterhalt bestreiten zu können. Der Betrag setzt sich zusammen aus dem für den maßgeblichen Zeitraum geltenden monatlichen sozialhilferechtlichen Regelsatz in Höhe von 323 EUR für Personen, die in einer Ehe zusammenleben, sowie einem Mehrbedarf in Höhe von 61,03 EUR gemäß § 30 SGB XII a.F. Einen zusätzlichen Bedarf zur Erfüllung laufender gesetzlicher Unterhaltspflichten hat das LG mit Recht nicht angenommen.
Hier kann der Gläubiger profitieren!
Daraus folgt nicht notwendig, dass dem Schuldner monatlich 384,03 EUR von der gepfändeten Forderung zu belassen sind. Vielmehr muss das Vollstreckungsgericht bei der Ermittlung des pfandfreien Betrages gemäß § 850f Abs. 2 ZPO prüfen, ob der notwendige Bedarf des Schuldners ganz oder teilweise durch weiteres Einkommen oder geldwerte Naturalleistungen gedeckt ist. Da dem Schuldner nach der Rechtsprechung des BGH nicht weniger, aber auch nicht mehr belassen werden soll, als er zur Deckung des sozialhilferechtlichen Existenzminimums im Sinne des SGB XII benötigt, sind die dort für die Anrechnung von Einkommen und geldwerten Vorteilen maßgebenden Grundsätze auch bei der Ermittlung des dem Schuldner nach § 850f Abs. 2 Hs. 2 ZPO pfandfrei zu belassenden Betrages zu berücksichtigen. Ist nämlich der notwendige Bedarf des Schuldners und damit sein sozialhilferechtliches Existenzminimum durch andere Einnahmen und geldwerte Vorteile gedeckt, dann besteht die Gefahr des Absinkens des Schuldners unter die Schwelle der Sozialhilfebedürftigkeit durch eine Pfändung seines Arbeitseinkommens und damit eine Befriedigung der Gläubiger zu Lasten des Sozialstaats wegen des aus § 2 Abs. 1 SGB XII folgenden Grundsatzes des Nachranges der Sozialhilfe nicht. Nach diesem Grundsatz, der in § 19 Abs. 1 SGB XII in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung beziehungsweise in § 19 Abs. 1, § 27 Abs. 1 und 2 SGB XII in der ab dem 1.1.2011 geltenden Fassung für die Hilfe zum Lebensunterhalt konkretisiert wird, ist Sozialhilfe nur demjenigen zu leisten, der seinen Bedarf nicht aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten kann. Ist hinreichendes Einkommen oder Vermögen zur Deckung des maßgeblichen Beda...