Anfechtungsgrund: § 133 InsO – Problem: Rechtshandlung

Die Beklagte ist nach § 143 Abs. 1, § 133 Abs. 1 InsO zur Rückgewähr der Zahlung in Höhe von 1.117.949,20 EUR verpflichtet. Eine Rechtshandlung der Schuldnerin liegt vor. Nach gefestigter Rechtsprechung fehlt es grundsätzlich an einer solchen Schuldner(Rechts-)handlung, wenn ein Gläubiger eine Befriedigung im Wege der Zwangsvollstreckung erlangt. Gleiches gilt, wenn der Gläubiger durch eine Leistung des Schuldners befriedigt wird, bei deren Vornahme jede Möglichkeit zu einem selbstbestimmten Handeln ausgeschlossen ist, etwa weil der Schuldner nur noch die Wahl hat, die geforderte Zahlung sofort zu leisten oder die Vollstreckung durch die bereits anwesende, vollstreckungsbereite Vollziehungsperson zu dulden. Dann fehlt es an einer willensgeleiteten Rechtshandlung des Schuldners.

Die vereinbarte Zwangsvollstreckung

Anfechtbar ist eine im Rahmen oder aus Anlass einer Zwangsvollstreckung erfolgte Vermögensverlagerung hingegen dann, wenn dazu zumindest auch eine selbstbestimmte Rechtshandlung des Schuldners beigetragen hat, mag diese auch unter dem Druck oder zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erfolgt sein. Fördert der Schuldner aktiv eine Vollstreckungsmaßnahme oder trägt er dazu bei, dass eine Situation entsteht, in der seine Leistung wegen des sonst erfolgenden Vollstreckungszugriffs als nicht selbstbestimmt zu werten ist, kann dies die Qualifizierung der Vermögensverlagerung als Rechtshandlung des Schuldners rechtfertigen (BGH WM 2011, 501; BGH WM 2012, 1401 m.w.N.).

 

Die Argumentation des BGH im konkreten Fall

Nach diesen Maßstäben ist hier eine Rechtshandlung der Schuldnerin anzunehmen.

Dies folgt bereits daraus, dass die Schuldnerin die kontoführende Bank angewiesen hat, den in Rede stehenden Betrag an die Beklagte zu überweisen. Nach der Rechtsprechung des BGH nimmt ein Schuldner, der eine Überweisung von seinem Bankkonto veranlasst, eine eigene Rechtshandlung vor, selbst wenn zuvor Ansprüche auf Auszahlungen von diesem Konto zugunsten des Zahlungsempfängers gepfändet und ihm zur Einziehung überwiesen wurden.
Im Streitfall kommt hinzu, dass die Schuldnerin durch weitere Maßnahmen im Vorfeld der Überweisung zielgerichtet zu der Vermögensverlagerung beigetragen hat. Ihr Beitrag zu der eingetretenen Vermögensverlagerung auf die Beklagte ging über das bloße Unterlassen von ohnehin aussichtslosen Rechtsbehelfen hinaus und umfasste neben der Vereinbarung des beiderseitigen Vorgehens auch die Erteilung von Informationen über den erwarteten Zahlungseingang als Grundlage der Befriedigung der Beklagten.

Objektive Gläubiger­benachteiligung

Die in der vereinbarten Überweisung liegende Rechtshandlung der Schuldnerin hat zu einer Verminderung ihres Aktivvermögens und damit zu einer Benachteiligung ihrer übrigen Gläubiger geführt. Allerdings benachteiligt die Befriedigung eines einzelnen Gläubigers die Gesamtheit der Gläubiger dann nicht, wenn sie aufgrund eines Pfändungspfandrechts erfolgt, das den Gläubiger im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners zur abgesonderten Befriedigung nach § 50 Abs. 1 InsO berechtigt (BGH WM 2012, 1401; BGH WM 2013, 48). Anders verhält es sich nur, wenn das Pfandrecht seinerseits der Insolvenzanfechtung unterliegt.

Absonderungsrecht nach § 50 InsO schützt nicht

Letzteres ist hier der Fall. Das von der Beklagten erwirkte Pfändungspfandrecht ist nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar. Dem Pfandrecht liegt eine Rechtshandlung der Schuldnerin zugrunde, obwohl es als Folge der von der Beklagten veranlassten Forderungspfändung entstanden ist (siehe oben). Das zugunsten der Gläubigerin entstandene Pfändungspfandrecht hat die weiteren Gläubiger der Schuldnerin benachteiligt, weil es ein Recht der Beklagten zur abgesonderten Befriedigung aus den gepfändeten Forderungen begründete.

Subjektive Gläubiger­benachteiligungsabsicht

Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung lagen sowohl zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Pfändungspfandrechts wie auch zu dem nur wenige Tage später liegenden Zeitpunkt der Ausführung der angefochtenen Überweisung vor. Nach den Feststellungen des OLG hatte die gewerblich tätige Schuldnerin zu den fraglichen Zeitpunkten ihre Zahlungen eingestellt und war damit zahlungsunfähig (§ 17 Abs. 2 Satz 2 InsO). Dies war sowohl der Schuldnerin selbst als auch der Gläubigerin bekannt. Mit Recht hat das OLG aus diesen Umständen auf den Vorsatz der Schuldnerin, ihre weiteren Gläubiger zu benachteiligen, und auf die darauf bezogene Kenntnis der Gläubigerin geschlossen.

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