Finanzielle Auswirkungen nicht im Blick
Die Entscheidung des OLG ist einseitig an der Bestätigung der Vorinstanzen orientiert und nimmt wesentliche Aspekte nicht auf. Die persönliche Zustellung verursacht nach Nrn. 100, 711, 716 KVGvKostG einen finanziellen Aufwand von 16,25 bis 29,25 EUR (10,00 + 3,25 – 16,25 + 3,00). Demgegenüber führt die Zustellung durch die Post nach Nrn. 101, 701, 716 KVGvKostG nur zu Aufwendungen von 9,45 EUR (3,00 + 3,45 + 3,00). Der Unterschied liegt also bei 6,80 EUR bis 19,80 EUR. Die GV laden Schuldner jährlich für etwa 2,8 Mio. Aufträge auf Abnahme der Vermögensauskunft. Die vom Gläubiger und dem Schuldner zu tragenden Mehraufwendungen durch die teure Art der Zustellung liegen also zwischen 19.040.000 EUR und 55.440.000 EUR. Von "geringfügig höheren Kosten" kann also nicht gesprochen werden. Es sei die pointierte Anmerkung erlaubt, dass es auch im Einzelfall für eine gehörige Distanz zur Lebenswirklichkeit von Schuldnern mit geringen Einkommen spricht, wenn die beschriebene Differenz in den Kosten als geringfügig beschrieben wird. Sie liegt zwischen 22,66 und 66 % des freien Geldes eines Hartz-IV-Empfängers im Monat!
Die Betroffenen: Schuldner, Gläubiger und zahlende Verbraucher
Diese Kosten tragen die Schuldner (§ 788 ZPO) oder – wenn die Rechtsverfolgungskosten nicht beigetrieben werden können – die Gesamtheit der ehrlichen und zahlungswilligen Verbraucher über höher kalkulierte Preise. Vor diesem Hintergrund ist es auch kaum gerechtfertigt, dass allgemeine Erwägungen ohne konkreten Bezug zum Fall die deutlich teurere Zustellungsform rechtfertigen sollen. Dass die GV nun anders – gebühren- und auslagenoptimiert – verfahren werden, um sich diese Zusatzeinnahmen zu verschaffen, wird sich schnell zeigen. Die Frage, ob die GV aufgrund der Besonderheiten ihrer Entlohnung auch persönlich von dieser Verfahrensweise profitieren, hat das OLG erst gar nicht aufgeworfen.
Pflichtgemäßes Ermessen umfasst alle Aspekte
In rechtstatsächlicher Hinsicht ist die Entscheidung unzureichend begründet. Angesichts der deutlich höheren Kosten der persönlichen Zustellung bedarf es im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens gewichtiger Gründe im Einzelfall, um nicht die Post mit der Zustellung zu beauftragen. Diese können regelmäßig nicht vorgetragen werden. Insbesondere ist nicht belegt, dass die Zustellung der Post in signifikant weniger Fällen zu einer erfolgreichen Zustellung und Ladung führt. Auch wenn keine offiziellen Statistiken vorliegen, wird in Presseverlautbarungen im Internet von einer Zahl unter 1 % gesprochen. Auch verkennt das OLG, dass die GV – ganz entgegen der Entscheidung – sich immer wieder ihrer Orts- und Schuldnerkenntnis rühmen, also wissen, ob bei einem Schuldner im Einzelfall besondere Zustellhindernisse bestehen, die nur der GV überwinden kann. Bei lebensnaher Betrachtung ist es wahrscheinlich, dass die Kosten einer im Einzelfall notwendigen doppelten Zustellung – weil die Zustellung durch die Post ausnahmsweise einmal nicht gelingt – die Mehrkosten bei einer generellen persönlichen Zustellung der Ladung nicht aufheben.
OLG gibt Formulierungshilfe
Da der Bevollmächtigte der Gläubigerin wohl zu erkennen gegeben hat, dass er die Unterschiede der Postzustellung kennt, sah das OLG keinen Anlass, die erteilte Weisung im Sinne des wahren Rechtsschutzbedürfnisses der Gläubigerin auszulegen. In der Sache wollte die Gläubigerin erkennbar die Kosten der Vollstreckungsmaßnahme begrenzen. Dies liegt durchaus nicht nur im Interesse der vorleistungspflichtigen Gläubigerin, sondern auch des letztlich nach § 788 ZPO erstattungspflichtigen Schuldners. In der Sache erscheint die Sichtweise nicht überzeugend. Dem formellen Einwand des OLG kann allerdings durch eine der Entscheidung Rechnung tragende Formulierung im Vollstreckungsauftrag begegnet werden.
Musterformulierung
Damit es bei der Ermessensausübung des Gerichtsvollziehers auf die nach §§ 31 Abs. 2, 58 Abs. 2 GVGA beachtliche Weisung des Gläubigers ankommt, sollte im Vollstreckungsauftrag formuliert werden: "Der Gerichtsvollzieher wird angewiesen, alle erforderlichen Zustellungen durch die Post im Sinne der Nr. 101 KVGKG zu erledigen!"
Es wird abzuwarten sein, wie das OLG angesichts dieser Formulierung entscheidet. Die Amts- und Landgerichte werden jedenfalls auf eine solche Formulierung gleichfalls die sofortige und die weitere Beschwerde zulassen müssen, da das OLG diese Konstellation ausdrücklich offen gelassen hat. Im Übrigen kann man nur hoffen, dass das OLG seine Entscheidung bei nächster Gelegenheit überdenkt und revidiert.
GV dienen sich nicht
Wie dem Autor aus der Praxis immer wieder berichtet wird, ist das im Fall des OLG beschriebene Verhalten der GV kein Einzelfall. Die betroffenen Rechtsdienstleister und ihre Mandanten frustriert die auf Vergütungsoptimierung gerichtete Auftragsabarbeitung zunehmend. Sie suchen vor diesem Hintergrund eine verstärkte und verlängerte vorgerichtliche Forderungsbeitreibung unter dem Einsatz von fernmündlicher ...