Leitsatz
Allein der Umstand, dass auf eine Rentennachzahlung verwiesen wird, rechtfertigt keine Anhebung des Pfändungsfreibetrages auf einem P-Konto.
AG Wolfsburg, Beschl. v. 6.2.2017 – 11a M 7879/15
1 I. Der Fall
Rentennachzahlung auf dem P-Konto
Die Gläubigerin betreibt die Zwangsvollstreckung in das P-Konto der Schuldnerin wegen einer Forderung in Höhe von 2.216,62 EUR. Am 2.9.2016 hat die Schuldnerin eine Rentenzahlung für den 16.7. bis 31.10.2016 von 3.464,86 EUR erhalten, deren Freigabe sie nunmehr begehrt. Zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes sei sie dringend auf den Betrag angewiesen.
Schuldnerin will Haus verkaufen
Die Schuldnerin führt an, dass sie in absehbarer Zeit ihr Haus verkaufen werde, um ihre Gläubiger befriedigen zu können. Bis dahin müsse sie aber von etwas leben. Sie müsse laufende Kosten wie Strom, Heizung, Sauerstofflieferungen (10 EUR monatlich) und weitere Medikamente in Höhe von ca. 60 EUR monatlich begleichen können. Sie versuche aber, eine Zuzahlungsbefreiung bei der Krankenkasse zu beantragen.
2 II. Die Entscheidung
Freibetrag ist Freibetrag
Der Antrag ist zulässig, jedoch unbegründet. Soweit Vollstreckungsschutz gemäß § 850k ZPO begehrt wird, ist eine Erhöhung des Pfändungsfreibetrages über den bestehenden Freibetrag hinaus nicht gerechtfertigt.
Keine Begründung für den höheren Unterhaltsbedarf
Durch das Pfändungsschutzkonto verbleibt der Schuldnerin ein pfändungsfreier Betrag, der zur Bestreitung der notwendigen Lebenshaltungskosten verwendet werden kann. Wieso die 3.464,86 EUR zwingend gebraucht werden, ist dadurch nach Ansicht des AG nicht geklärt. Der Schuldnerin wurde bis Mitte Januar Gelegenheit gegeben, ihren Antrag weiter zu begründen oder glaubhaft zu machen. Es sind jedoch keine weiteren Schreiben von ihr eingegangen.
Kein Verstoß gegen die guten Sitten
Die Voraussetzungen für die Freigabe des oben genannten Betrages nach § 765a ZPO liegen ebenfalls nicht vor. Gemäß § 765a ZPO kann das Vollstreckungsgericht eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahmen unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeuten, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Härten, die die Zwangsvollstreckung üblicherweise mit sich bringt, sind jedoch von dem Schuldner in Kauf zu nehmen (OLG Frankfurt OLGZ 81, 250). Für die Gewährung von Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO genügen weder allgemeine wirtschaftliche noch soziale Erwägungen, es sei denn, dass ein erhebliches Missverhältnis der Interessen des Gläubigers und des Schuldners vorliegt (AG Steinfurt, 19.10.2010 – 18 M 1159/10). Ein solches Missverhältnis ist im vorliegenden Fall nicht zu erkennen, der Antrag war daher zurückzuweisen.
3 Der Praxistipp
Besondere Bedürfnisse nicht gesehen
Das AG hat übersehen, dass nach dem Vortrag der Schuldnerin durchaus eine Erhöhung des Pfändungsfreibetrages auf dem P-Konto nach § 850k Abs. 4 i.V.m. § 850f Abs. 1 ZPO in Betracht kam. Danach können besondere persönliche Bedürfnisse des Schuldners eine Erhöhung des Pfändungsfreibetrages rechtfertigen. Hier wurde geltend gemacht, dass die Schuldnerin 10 EUR monatlich für Sauerstofflieferungen und ca. 60 EUR für weitere Medikamente aufwenden muss. Diese Beträge liegen über der im Pfändungsfreibetrag berücksichtigten Medikamentenpauschale. Allerdings rechtfertigen diese Beträge keine Freistellung des gesamten Rentennachzahlungbetrages.
Richtige Behandlungen von Nachzahlungen
Tatsächlich war der Vortrag der Schuldnerin zu ihrem Unterhaltsbedürfnis unzureichend. Sie hätte zum einen darlegen müssen, dass bei der monatsgerechten Zahlung der Rente in den jeweiligen Monaten der Pfändungsfreibetrag nicht überschritten worden, d.h. pfändungsfrei geblieben wäre. Darüber hinaus wäre darzulegen gewesen, dass ihr die in den Nachzahlungsmonaten fehlenden Beträge von dritter Seite darlehensweise zugewandt wurden und die Rentennachzahlung zur Zurückzahlung dieser Darlehen benötigt wird. Ohne eine solche Darlegung sind die zusätzlichen, zum Unterhalt nicht benötigten Mittel tatsächlich zur Rückführung der Verbindlichkeiten einzusetzen.
FoVo 3/2017, S. 57 - 59