Leitsatz
Verfügt die Ehefrau des Schuldners, die mit diesem in einem gemeinsamen Haushalt wohnt, über eigenes Einkommen von 350 EUR, ist deren Nichtberücksichtigung als unterhaltsberechtigte Person im Umfang von 63 % nach § 850c ZPO gerechtfertigt.
AG Delmenhorst, Beschl. v. 22.6.2017 – 10 M 155/17
1 I. Der Fall
Nichtberücksichtigung unterhaltsberechtigter Personen
Der Gläubiger betreibt die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner und hat dessen Arbeitseinkommen gepfändet. Nachdem der Schuldner mitgeteilt hat, dass seine Ehefrau über ein Arbeitseinkommen von 350 EUR netto verfügt, hat der Gläubiger einen Antrag auf Nichtberücksichtigung der Ehefrau als unterhaltsberechtigte Person nach § 850c Abs. 4 ZPO beantragt. Der angehörte Schuldner hat auf einen erhöhten Mehrbedarf verwiesen, diesen auf Anforderung des Gerichtes aber nicht belegt.
2 II. Aus der Entscheidung
Antrag des Gläubigers ist begründet
Der Antrag des Gläubigers vom 3.3.2017 ist zulässig gemäß 850c Abs. 4 ZPO und auch weitestgehend begründet. Im Rahmen der vorzunehmenden Billigkeitsprüfung erscheint es angemessen, zur Frage des Umfangs der Nichtberücksichtigung der Unterhaltsberechtigten die sozialhilferechtlichen Maßstäbe nach dem SGB II heranzuziehen.
Keine doppelte Berücksichtigung der Wohnkosten
Eine Orientierung an den Pfändungsfreibeträgen des § 850c ZPO hat im vorliegenden Fall nicht zu erfolgen. Dies hätte zur Folge, dass der in den Freibeträgen enthaltene Wohnkostenanteil doppelt berücksichtigt würde (vgl. BGH Rpfleger 2005, 371).
Maßgeblich: Grundbedarf der Ehefrau plus 50 %
Zunächst ist von einem notwendigen Grundbedarf auf Seiten der Ehefrau des Gemeinschuldners in Höhe von 368,00 EUR auszugehen. Dieser Betrag entspricht der Regelleistung eines erwachsenen, in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Ehegatten (§ 20 Abs. 4 SGB II). Zu berücksichtigen ist jedoch, dass dem Schuldner und den Personen, denen er zum Unterhalt verpflichtet ist, nach den Regelungen über die Pfändungsfreigrenzen nicht nur das Existenzminimum verbleiben soll, sondern auch eine deutlich darüber liegende Teilhabe an den Einkünften erhalten bleiben muss. Es erscheint im vorliegenden Fall daher angemessen, aber auch ausreichend, einen Zuschlag auf den Grundbedarf in Höhe von 50 % anzusetzen (vgl. BGH Rpfleger 2005, 371).
Ehefrau bleibt zu 63 % unberücksichtigt
Auf Seiten der Ehefrau des Vollstreckungsschuldners errechnet sich somit ein monatlicher Bedarf in Höhe von 552,00 EUR. Die monatlichen Einkünfte der Ehefrau des Gemeinschuldners überschreiten diesen fiktiven Bedarf nicht, decken ihn jedoch zu einem nicht unerheblichen Anteil. Das Einkommen der Ehefrau des Gemeinschuldners ist nunmehr ins Verhältnis zu dem ermittelten Bedarf zu setzen. Die Einkünfte der Ehefrau des Schuldners decken deren eigenen notwendigen Bedarf somit zu 63 % (abgerundet). Insoweit war anzuordnen, dass die Ehefrau des Schuldners bei der Berechnung des unpfändbaren Einkommens zu 63 % unberücksichtigt zu bleiben hat. Der darüber hinausgehende Antrag des Gläubigers war aus den vorstehenden Gründen somit zurückzuweisen.
3 Der Praxistipp
Antrag nach § 850c ZPO ist ertragreich
Aufgrund der hohen Pfändungsfreibeträge nach § 850c ZPO und der weiteren Erhöhung des Pfändungsgrundfreibetrages bei weiteren unterhaltsberechtigten Personen muss der Gläubiger immer prüfen, ob der Schuldner überhaupt Unterhalt gewährt oder ob die unterhaltsberechtigte Person über eigenes Einkommen verfügt. In beiden Fällen kann der Gläubiger seine Aussichten, eine zumindest teilweise Befriedigung zu erreichen, deutlich erhöhen.
Der Schuldner ist im Rahmen der Vermögensauskunft verpflichtet, sowohl zum Einkommen seines Ehegatten als auch zum Einkommen seiner gesetzlich unterhaltsberechtigten Kinder Auskunft zu erteilen.
Sofern der Schuldner sich darauf zurückzieht, er kenne die Höhe des Einkommens nicht, muss er darlegen, welcher Tätigkeit in welchem Umfang von der unterhaltsberechtigten Person nachgegangen wird. Insoweit hat er auch eine Erkundigungspflicht.
Neben der Vermögensauskunft kann auch der Auskunftsanspruch nach der Pfändung des Arbeitseinkommens nach § 836 Abs. 3 ZPO als Informationsquelle dienen. Er sollte schon mit der Beantragung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses aktiviert werden.
Zuschlag überzogen
Grundsätzlich ist es nicht zu beanstanden, dass das AG für die Bestimmung des eigenen Unterhaltsbedarfes der nicht zu berücksichtigenden Person auf die sozialhilferechtlichen Vorschriften abgestellt hat. Auch hat der BGH entschieden, dass im Rahmen der Ermessensausübung ein Zuschlag in tatrichterlicher Würdigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen sein wird. Diesen hat er aber nicht mit 50 % bestimmt, sondern "in einer Größenordnung von 30–50 %". Es werden deshalb besondere Umstände darzulegen sein, warum die obere oder untere Grenze gewählt wird. Ansonsten sollte vom Mittelwert, d.h. von 40 % ausgegangen werden.
Checkliste: So wirkt sich der Zuschlag aus
Ausgehend von den ab dem 1.1.2018 geltenden Regel...