Betreibt der Gläubiger gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung und pfändet dessen Arbeitseinkommen, ist der pfändbare Betrag nach der Tabelle zu § 850c ZPO in Abhängigkeit von der Zahl der unterhaltsberechtigten Personen zu bestimmen. Das hört sich ganz einfach an und wird in der Praxis auch so praktiziert.
Nettolohn als Ausgangspunkt der Berechnung
Selten stellt sich der Gläubiger die Frage, ob denn der Ausgangspunkt für die Berechnung richtig gewählt bzw. vom Drittschuldner, dem Arbeitgeber, in der richtigen Höhe angesetzt wurde. Regelmäßig wird nämlich allein auf den Auszahlungsbetrag statt nach § 850e ZPO auf den Nettolohn als Ausgangspunkt abgestellt. Das ist aber falsch und wirkt sich aus.
Beispiel
Der Schuldner lässt unmittelbar von seinem Nettoarbeitslohn – 1.342,17 EUR – einen Betrag von 40 EUR auf einen Bausparvertrag zahlen. Der Auszahlungsbetrag beträgt also nur 1.302,17 EUR. Legt der Arbeitgeber diesen der Bestimmung des pfändbaren Betrages zugrunde, ergibt sich ohne unterhaltsberechtigte Personen ein Ertrag von 158,28 EUR. Wird dagegen der wirkliche Nettolohn als Maßstab herangezogen, erhöht sich der pfändbare Betrag auf 186,28 EUR. Es ergibt sich also ein um 28 EUR höherer Ertrag!
Gläubiger ist zur Kontrolle berufen
Es obliegt dem Gläubiger, konsequent vom Schuldner nach § 836 Abs. 3 ZPO und vom Drittschuldner aufgrund der mitgepfändeten Nebenrechte (BGH FoVo 2013, 56) die Lohnabrechnung herauszuverlangen und die Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens nachzuvollziehen. Dies gilt gerade auch dann, wenn sich nach der Drittschuldnererklärung kein pfändbares Arbeitseinkommen ergibt.
Berechnungshilfe nutzen
Der Gläubiger muss danach zunächst das Bruttoeinkommen feststellen und davon die unpfändbaren Bestandteile abziehen. Der sich danach ergebende Nettolohn ist dann nach Maßgabe der Zahl der unterhaltsberechtigten Personen an der Pfändungsfreigrenzentabelle zu messen. Die nachfolgende Berechnungstabelle kann dabei als Arbeitshilfe dienen.
Arbeitshilfe: Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens
Position |
Norm (ZPO) |
Betrag |
Bemerkung |
Bruttoarbeitseinkommen Geld |
§ 850 |
|
|
Zuzüglich Wert Naturalleistungen |
§ 850e Nr. 2 |
|
Die Steuervorschriften geben Anhaltspunkte für die richtige Bewertung. |
|
|
|
|
Zwischensumme |
|
|
|
./. 50 % der Überstundenvergütung |
§ 850a Nr. 1 |
|
Manipulation prüfen: Ständige Überstunden sind Regelarbeitszeit. |
./. Übliches Urlaubsgeld |
§ 850a Nr. 2 |
|
Maßgeblich für die Üblichkeit sind gleichartige Betriebe. Auskünfte können die HWK oder die IHK geben. |
./. Übliche betriebliche Zuwendungen aus besonderen Betriebsereignissen |
§ 850a Nr. 2 |
|
Erfolgsbeteiligungen gehören nicht hierzu. |
./. Übliche Treuegelder |
§ 850a Nr. 2 |
|
|
./. Angemessene Aufwandsentschädigungen |
§ 850a Nr. 3 |
|
Die Angemessenheit bestimmt sich nach Tarifverträgen und den steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen. |
./. Angemessene Auslösungsgelder für auswärtige Beschäftigung |
§ 850a Nr. 3 |
|
|
./. Angemessene soziale Zulagen für die auswärtige Beschäftigung |
§ 850a Nr. 3 |
|
|
./. Weihnachtsgeld bis zur Hälfte des monatlichen Bruttoarbeitseinkommens, nicht mehr als 500 EUR |
§ 850a Nr. 4 |
|
|
./. Heiratsbeihilfe |
§ 850a Nr. 5 |
|
Kein Abzug, wenn ein Gläubiger wegen einer durch die Hochzeit begründeten Forderung vollstreckt. |
./. Geburtsbeihilfen |
§ 850a Nr. 5 |
|
Kein Abzug, wenn ein Gläubiger wegen einer durch die Geburt begründeten Forderung vollstreckt. |
./. Erziehungsgelder, Studienbeihilfen oder ähnliche Bezüge |
§ 850a Nr. 6 |
|
|
./. Sterbe- und Gnadenbezüge aus dem Arbeitsverhältnis |
§ 850a Nr. 7 |
|
Bezüge aus Sterbekassen oder Versicherungen gehören nicht hierher. |
./. Blindenzulage |
§ 850a Nr. 8 |
|
Wegen § 54 SGB I und § 17 SGB XII fallen hierunter nur landesrechtliche Zulagen. |
./. Lohnsteuer auf die pfändbaren Beträge |
§ 850e Nr. 1 |
|
Vgl. BAG FoVo 2013, 237 = NJW 2013, 2924. Entgegen der früher ganz herrschenden Meinung ist zugunsten des Gläubigers auf die Nettolohnmethode abzustellen. Das wird von den Arbeitgebern und deren Helfern (Steuerberater) regelmäßig nicht beachtet. |
./. Kirchensteuer auf die pfändbaren Beträge |
§ 850e Nr. 1 |
|
|
./. Solidaritätszuschlag |
§ 850e Nr. 1 |
|
|
./. Sozialversicherungsbeiträge = Rentenversicherung = Arbeitslosenversicherung = Krankenversicherung = Pflegeversicherung |
§ 850e Nr. 1 |
|
|
./. Vermögenswirksame Leistungen |
§ 850e Nr. 1 |
|
Hier sind die (niedrigen) gesetzlichen Grenzen für die Gewährung von vermögenswirksamen Leistungen zu beachten. |
|
|
|
|
Maßgeblicher Nettolohn |
§ 850e ZPO |
|
|
Zahl der unterhaltsberechtigten Personen |
§ 850c Abs. 1, 2 |
|
Es ist stets zu prüfen, ob deren Nichtberücksichtigung nach § 850c Abs. 4 ZPO beantragt werden kann. Bei Kindern ist zu sehen, dass das Kindergeld und die Unterhaltsgewährung eigenes Einkommen darstellen. |
Nach der Tabelle zu § 850c ZPO damit pfändbar |
|
|
|
FoVo 4/2016, S. 63 - 65