BGH stimmt LG nur im Ergebnis zu

Das LG nimmt zu Unrecht an, dass die Kosten für die Beschaffung einer Prozessbürgschaft, die für die Vollstreckung aus einem nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbaren Titel erforderlich ist, keine Kosten der Zwangsvollstreckung nach § 788 Abs. 1 ZPO sind. Die Entscheidung kann deshalb nur im Ergebnis Bestand haben.

Eine Frage – drei Meinungen

Wie mit den Avalkosten zu verfahren ist, ist streitig:

Das LG geht mit einer vereinzelt in der Literatur vertretenen Meinung davon aus, dass die Kosten für eine zur Ermöglichung der Zwangsvollstreckung beigebrachte Avalbürgschaft weder Verfahrens- noch Vollstreckungskosten sind und damit weder dem Kostenfestsetzungsverfahren nach § 103 ZPO noch nach § 788 Abs. 1 ZPO unterliegen (vgl. Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 788 Rn 11).
 

Hinweis

Den Gläubiger trifft dann nicht nur das Liquiditätsrisiko des Schuldners, sondern er müsste in jedem Fall die Kosten tragen, was seinen wirtschaftlichen Erfolg auch dann schmälert, wenn der Vollstreckungstitel in der Rechtsmittelinstanz Bestand hat. Man könnte ihm von einer vorzeitigen Vollstreckung nur abraten, wenn die Sicherheitsleistung einen Kostenaufwand erfordert. Da dies die vorläufige Vollstreckbarkeit faktisch leer laufen ließe, kann die Ansicht schon vor diesem Hintergrund nicht überzeugen.

BGH hat Ersatzfähigkeit bejaht …

Der BGH hat auch bereits entschieden, dass die Kosten für eine zur Ermöglichung der Zwangsvollstreckung beigebrachte Avalbürgschaft jedenfalls Verfahrenskosten im weiteren Sinne sind (BGH FoVo 2013, 78; BGH FoVo 2008, 119; BGH NJW 1974, 693, 694).

Vereinzelt wird darauf fußend angenommen, dass es sich um Kosten zur Beschaffung des Titels und damit um Kosten des Rechtsstreits, die nach §§ 103 ff. ZPO festzusetzen sind, handelt (vgl. OLG Koblenz, 29.8.1984, 14 W 510/84; OLG Düsseldorf JurBüro 1996, 430).
Die ganz überwiegende Meinung in der Rechtsprechung der Instanzgerichte und im Schrifttum geht davon aus, dass Beschaffungskosten für eine vom Gläubiger nach § 709 Satz 1 ZPO zu leistende Sicherheit Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne des § 788 Abs. 1 ZPO sind (vgl. OLG Koblenz MDR 2004, 835; OLG Frankfurt, 12.11.2003, 12 W 144/03; OLG Düsseldorf JurBüro 2003, 47; OLG München NJW-RR 2000, 517; Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 788 Rn 5; Musielak/Voit/Lackmann, ZPO, 12. Aufl., § 788 Rn 3; Wieczorek/Schütze/Smid, ZPO, 4. Aufl., § 788 Rn 62; MünchKommZPO/Schmidt/Brinkmann, 4. Aufl., § 788 Rn 14; Schuschke/Walker/Schuschke, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl., § 788 ZPO Rn 12; BeckOK ZPO/Preuß, Stand: 1.12.2015, § 788 Rn 16 f.).

BGH schließt sich der h.M. an: § 788 ZPO

Der BGH entscheidet diese Streitfrage nunmehr dahingehend, dass die Kosten einer Prozessbürgschaft für eine nur gegen Stellung einer Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärte Entscheidung gemäß § 709 S. 1, § 711 S. 1 Hs. 3 ZPO Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne des § 788 Abs. 1 ZPO sind. Aus Sicht des BGH stellt die Sicherheitsleistung eine besondere Vollstreckungsvoraussetzung nach § 751 Abs. 2 ZPO dar.

 

Hinweis

Konsequenz dieser Sichtweise ist es, dass die Kosten mit der Vollstreckungsmaßnahme beigetrieben oder aber auch gesondert nach § 788 Abs. 2 ZPO festgesetzt werden können. Der Gläubiger sollte sich also jeweils vor Beantragung einer Vollstreckungsmaßnahme eine Avalzinsbescheinigung nebst Ausweis der weiteren täglichen Zinsen durch seine Bank ausstellen lassen und diese dem Vollstreckungsauftrag beifügen. Für den Rechtsdienstleister erhöht sich auf diese Weise auch der gebührenrelevante Gegenstandswert nach § 25 RVG.

Umgekehrter Fall ist abweichend zu beurteilen

Aber Achtung: Stellt nicht der Gläubiger die Bürgschaft zur Ermöglichung der Zwangsvollstreckung, sondern der Schuldner diese zur Abwehr derselben, beurteilt sich der Sachverhalt abweichend. Entgegen der damals ganz herrschenden Rechtsprechung hat der BGH nämlich bereits 2006 (NJW-RR 2006, 1001 = InVo 2006, 253) entschieden, dass die zur Abwehr der Zwangsvollstreckung aufgewendeten Kosten als Verfahrenskosten im weiteren Sinne anzusehen sind, die wie Kosten des Erkenntnisverfahrens der Kostenausgleichung durch das Prozessgericht nach § 104 ZPO zugänglich sind. Daran will er weiter festhalten.

Aber: Hier wurde Vollstreckungstitel aufgehoben

Der Gläubiger konnte gleichwohl mit seiner Rechtsbeschwerde nicht durchdringen, weil sich für ihn ein anderes Risiko verwirklicht hat und er hierauf – möglicherweise – nicht adäquat regiert hat. Aus § 788 Abs. 3 ZPO folgt, dass ein Gläubiger nach Ersetzung des vorläufig vollstreckbaren Titels durch ein Urteil oder einen Prozessvergleich die Kosten der Zwangsvollstreckung nicht mehr gegen den Schuldner geltend machen kann, soweit der Verurteilung die materiell-rechtliche Grundlage entzogen wird (BGH FoVo 2014, 212). § 788 Abs. 3 ZPO beruht auf dem allgemeinen Rechtsgedanken, dass der Gläubiger aus einem noch nicht endgültigen Titel auf eigene Gefahr vollstreckt (BGH ...

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