Leitsatz
Die Kosten für eine Prozessbürgschaft zur Vollstreckung aus einer nur gegen Stellung einer Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärten Entscheidung gemäß § 709 Satz 1 ZPO sind Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne des § 788 Abs. 1 ZPO.
BGH, 10.2.2016 – VII ZB 56/13
1 I. Der Fall
Streit um Kosten für Sicherheitsleistung
Die Schuldnerin wurde in einer Familiensache zur Zahlung von 40.903,35 EUR nebst Zinsen – vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung – verurteilt. Der Gläubiger erbrachte die Sicherheit durch Übergabe einer Prozessbürgschaft seiner Bank und betrieb die Zwangsvollstreckung in ein Grundstück der Schuldnerin durch die Eintragung einer Zwangshypothek. In der Rechtsmittelinstanz einigten sich die Parteien vergleichsweise darauf, dass umgekehrt der Gläubiger an die Schuldnerin 45.000 EUR zahlt.
Avalkosten von über 5.000 EUR
Nunmehr begehrt der Gläubiger von der Schuldnerin Erstattung der Avalkosten für die Prozessbürgschaft in Höhe von 5.002,50 EUR. Das AG – Prozessgericht – hat eine Festsetzung im Kostenfestsetzungsverfahren zum ursprünglichen Hauptsacheverfahren abgelehnt, sie allerdings – auf neuen Antrag – nach § 788 Abs. 2 ZPO als Vollstreckungsgericht festgesetzt. Das LG hat die Festsetzung auf die Beschwerde der Schuldnerin allerdings aufgehoben, weil seiner Ansicht nach solche Kosten überhaupt nicht festsetzungsfähig seien. Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde.
2 II. Aus der Entscheidung/Praxistipp
BGH stimmt LG nur im Ergebnis zu
Das LG nimmt zu Unrecht an, dass die Kosten für die Beschaffung einer Prozessbürgschaft, die für die Vollstreckung aus einem nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbaren Titel erforderlich ist, keine Kosten der Zwangsvollstreckung nach § 788 Abs. 1 ZPO sind. Die Entscheidung kann deshalb nur im Ergebnis Bestand haben.
Eine Frage – drei Meinungen
Wie mit den Avalkosten zu verfahren ist, ist streitig:
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Das LG geht mit einer vereinzelt in der Literatur vertretenen Meinung davon aus, dass die Kosten für eine zur Ermöglichung der Zwangsvollstreckung beigebrachte Avalbürgschaft weder Verfahrens- noch Vollstreckungskosten sind und damit weder dem Kostenfestsetzungsverfahren nach § 103 ZPO noch nach § 788 Abs. 1 ZPO unterliegen (vgl. Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 788 Rn 11). |
Hinweis
Den Gläubiger trifft dann nicht nur das Liquiditätsrisiko des Schuldners, sondern er müsste in jedem Fall die Kosten tragen, was seinen wirtschaftlichen Erfolg auch dann schmälert, wenn der Vollstreckungstitel in der Rechtsmittelinstanz Bestand hat. Man könnte ihm von einer vorzeitigen Vollstreckung nur abraten, wenn die Sicherheitsleistung einen Kostenaufwand erfordert. Da dies die vorläufige Vollstreckbarkeit faktisch leer laufen ließe, kann die Ansicht schon vor diesem Hintergrund nicht überzeugen.
BGH hat Ersatzfähigkeit bejaht …
Der BGH hat auch bereits entschieden, dass die Kosten für eine zur Ermöglichung der Zwangsvollstreckung beigebrachte Avalbürgschaft jedenfalls Verfahrenskosten im weiteren Sinne sind (BGH FoVo 2013, 78; BGH FoVo 2008, 119; BGH NJW 1974, 693, 694).
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Vereinzelt wird darauf fußend angenommen, dass es sich um Kosten zur Beschaffung des Titels und damit um Kosten des Rechtsstreits, die nach §§ 103 ff. ZPO festzusetzen sind, handelt (vgl. OLG Koblenz, 29.8.1984, 14 W 510/84; OLG Düsseldorf JurBüro 1996, 430). |
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Die ganz überwiegende Meinung in der Rechtsprechung der Instanzgerichte und im Schrifttum geht davon aus, dass Beschaffungskosten für eine vom Gläubiger nach § 709 Satz 1 ZPO zu leistende Sicherheit Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne des § 788 Abs. 1 ZPO sind (vgl. OLG Koblenz MDR 2004, 835; OLG Frankfurt, 12.11.2003, 12 W 144/03; OLG Düsseldorf JurBüro 2003, 47; OLG München NJW-RR 2000, 517; Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 788 Rn 5; Musielak/Voit/Lackmann, ZPO, 12. Aufl., § 788 Rn 3; Wieczorek/Schütze/Smid, ZPO, 4. Aufl., § 788 Rn 62; MünchKommZPO/Schmidt/Brinkmann, 4. Aufl., § 788 Rn 14; Schuschke/Walker/Schuschke, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl., § 788 ZPO Rn 12; BeckOK ZPO/Preuß, Stand: 1.12.2015, § 788 Rn 16 f.). |
BGH schließt sich der h.M. an: § 788 ZPO
Der BGH entscheidet diese Streitfrage nunmehr dahingehend, dass die Kosten einer Prozessbürgschaft für eine nur gegen Stellung einer Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärte Entscheidung gemäß § 709 S. 1, § 711 S. 1 Hs. 3 ZPO Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne des § 788 Abs. 1 ZPO sind. Aus Sicht des BGH stellt die Sicherheitsleistung eine besondere Vollstreckungsvoraussetzung nach § 751 Abs. 2 ZPO dar.
Hinweis
Konsequenz dieser Sichtweise ist es, dass die Kosten mit der Vollstreckungsmaßnahme beigetrieben oder aber auch gesondert nach § 788 Abs. 2 ZPO festgesetzt werden können. Der Gläubiger sollte sich also jeweils vor Beantragung einer Vollstreckungsmaßnahme eine Avalzinsbescheinigung nebst Ausweis der weiteren täglichen Zinsen durch seine Bank ausstellen lassen und diese dem Vollstreckungsauftrag beifügen. Für den Rechtsdienstleister erhöht sich auf diese Weise...