Leitsatz
Werden Behandlungskosten dem Schuldner auf sein P-Konto erstattet, können diese auch dann nicht freigegeben werden, wenn sie zur Weiterleitung an ein Krankenhaus bestimmt sind.
AG Berlin-Neukölln, Beschl. v. 17.3.2016 – 30 M 5886/13
1 I. Der Fall
Der Gläubiger hat im Wege der Zwangsvollstreckung das P-Konto des Schuldners nach §§ 829, 833a ZPO gepfändet. Auf diesem ging eine Überweisung der Krankenkasse ein, so dass der Pfändungsfreibetrag von 1.073,88 EUR um 4.891,96 EUR überschritten wurde. Der Schuldner begehrt insoweit die Erhöhung des Pfändungsfreibetrages, da er die Zahlung an das Krankenhaus weiterleiten müsse. Der Gläubiger hat sich nicht geäußert.
2 II. Die Entscheidung
Kurz, knapp, knackig
Auf Belange Dritter kann sich der Schuldner nicht berufen (Zöller, 30. Aufl., § 765a ZPO Rn 8). Er kann nicht die Aufhebung der Pfändung für Gelder eines Dritten, die auf sein Konto überwiesen worden sind, verlangen.
3 Der Praxistipp
Sachgerechte Prüfung der Anspruchsgrundlagen fehlt
Zu kritisieren ist, dass es das AG in seiner mehr als knappen Entscheidung an der Prüfung der einschlägigen Anspruchsgrundlagen fehlen lässt und es wohl auch deshalb zu einem falschen Ergebnis gelangt. § 765a ZPO war als Auffangnorm zunächst einmal gar nicht einschlägig. Vorrangig war § 850k Abs. 4 ZPO zu prüfen.
Leistungen der Krankenkassen sind freizugeben
Das Vollstreckungsgericht kann auf Antrag einen von § 850k Abs. 1–3 ZPO abweichenden pfändungsfreien Betrag festsetzen. Die §§ 850a, 850b, 850c, 850d Abs. 1 und 2, die §§ 850e, 850f, 850g und 850i sowie die §§ 851c und 851d ZPO sowie § 54 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 1, 2 und 3, Abs. 4 und 5 SGB I, § 17 Abs. 1 Satz 2 SGB XII und § 76 EStG sind entsprechend anzuwenden. Vor diesem Hintergrund hätte also § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO zur Anwendung gebracht werden müssen, nachdem Leistungen der Krankenkassen zunächst unpfändbar und nur unter den weiteren Voraussetzungen des Abs. 2 bedingt pfändbar sind. Darunter fallen auch der Ersatz von Krankenhauskosten oder auch privaten Zusatzversicherungsleistungen (Musielak/Becker, ZPO, 13. Aufl., § 850b Rn 7). Für die Billigkeit der Pfändung hatte aber der Gläubiger nicht vorgetragen.
Auch § 765a ZPO gebietet ein anderes Ergebnis
Eine Prüfung von § 765a ZPO hätte zu einem anderen Ergebnis führen müssen. Danach kann das Vollstreckungsgericht eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Die ganz besondere Härte der Zwangsvollstreckung liegt hier darin, dass Zahlungen auf Krankenhauskosten als zweckbestimmte Leistungen grundsätzlich nicht dem Pfändungszugriff eines Gläubigers außerhalb des Zweckbereiches unterliegen. Diese gesetzgeberische Wertentscheidung ist bei der Anwendung von § 765a ZPO zu beachten. Da der Schuldner ansonsten die Kosten aus seinem notwendigen Unterhalt bestreiten müsste, verstößt die Pfändung auch gegen die guten Sitten.
FoVo 5/2016, S. 98 - 99