Leitsatz
Lebt der Schuldner seit Längerem getrennt und nutzt gleichwohl noch die Lohnsteuerklasse V, kann angeordnet werden, dass er im Verhältnis zum Gläubiger so zu behandeln ist, als habe er die Lohnsteuerklasse I gewählt.
AG Wuppertal, 2.11.2012 – 44 M 12618/11
1 I. Der Fall
Getrennt lebender SU hat Steuerklasse V
Gemäß der eidesstattlichen Versicherung des Schuldners vom 29.11.2011 lebt dieser von seiner Ehefrau getrennt und hat keine Kinder. Der Lohn des Schuldners wird nach Lohnsteuerklasse V versteuert. Der Gläubiger beantragt klarzustellen, dass der SU so zu behandeln ist, als versteuere er sein Arbeitseinkommen nach Lohnsteuerklasse I. Der SU hat sich nicht geäußert. Das AG hat antragsgemäß entschieden.
2 II. Die Entscheidung
Steuerklasse benachteiligt Gläubiger
Nach § 38b EStG gilt für verheiratete Eheleute, die dauernd getrennt leben, Steuerklasse I. Lediglich im Jahr der Trennung kann die Steuerklassenkombination III/V beibehalten werden. Der Schuldner lebt aber bereits seit mindestens 2011 getrennt, so dass im Jahr 2012 der Lohn nach Steuerklasse I zu berechnen war. Durch die Beibehaltung der Lohnsteuerklasse V vermindert der Schuldner sein Nettoeinkommen um 80,50 EUR, was ggf. Einfluss auf den pfändbaren Betrag hat, insbesondere unter Berücksichtigung der im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss 44 M 6918/12 angeordneten Zusammenrechnung mehrerer Einkommen.
Gläubiger muss Lohnverschiebung nicht dulden
Nach allgemeiner Auffassung ist zur Vermeidung dessen, dass Einkünfte des Schuldners auf die obige Art und Weise dem Zugriff des Gläubigers entzogen werden, gemäß § 850h Abs. 2 ZPO analog anzuordnen, dass sich der Schuldner für die Berechnung des Nettoarbeitseinkommens im Rahmen der §§ 850c, 850e ZPO so behandeln lassen muss, als wäre er nach der Steuerklasse I besteuert.
3 III. Der Praxistipp
Entscheidung entspricht BGH-Rechtsprechung
Hat der Schuldner vor der Pfändung eine ungünstigere Lohnsteuerklasse in Gläubigerbenachteiligungsabsicht gewählt, so kann er bei der Berechnung des pfändungsfreien Betrags schon im Jahre der Pfändung so behandelt werden, als sei sein Arbeitseinkommen gemäß der günstigeren Lohnsteuerklasse zu versteuern. Das hat der BGH schon im Jahre 2005 entschieden (BGH InVo 2006, 118 = NJW-RR 2006, 569). Wählt der Schuldner nach der Pfändung eine ungünstigere Lohnsteuerklasse oder behält er diese für das folgende Kalenderjahr bei, so gilt dies nach dem BGH (a.a.O.) auch ohne Gläubigerbenachteiligungsabsicht schon dann, wenn für diese Wahl objektiv kein sachlich rechtfertigender Grund gegeben ist.
Nur wer kontrolliert, profitiert
Welche Lohnsteuerklasse der Schuldner gewählt hat, kann der Gläubiger nur feststellen, wenn er konsequent die Lohnabrechnungen des Schuldners einfordert. Neben dem Schuldner, der die entsprechenden Lohnabrechnungen nach § 836 Abs. 3 ZPO herauszugeben hat, besteht nach der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung auch eine Herausgabepflicht des Drittschuldners (BGH FoVo 2013, 56 = WM 2013, 271 = NJW 2013, 539 = MDR 2013, 367 = ZInsO 2013, 264 = ZIP 2013, 435). Hinsichtlich der Herausgabepflicht des Schuldners hat der BGH dabei entschieden, dass auch die Lohnabrechnungen der letzten drei Monate vor der Pfändung herauszugeben sind (BGH NJW 2007, 606 = NZA-RR 2007, 142 = InVo 2007, 245). Deren Prüfung erschließt, ob der Schuldner ggf. im Angesicht der Zwangsvollstreckung die Lohnsteuerklasse in echter Gläubigerbenachteiligungsabsicht gewechselt hat.