Leitsatz
1. Ein Gerichtsvollzieher ist bei einer Wohnungsräumung allen an der Zwangsvollstreckung Beteiligten gegenüber verpflichtet, die Kosten möglichst gering zu halten. Dies bedeutet nicht, dass er die zu erteilenden Speditionsaufträge jeweils an den günstigsten Unternehmer vergeben muss. Er darf weitere Aspekte wie die Arbeitsqualität der Transportunternehmen und ihre Erfahrung mit Zwangsräumungen berücksichtigen.
2. Beauftragt der Gerichtsvollzieher einen Dritten allein, um diesem Einkünfte zu ermöglichen, während die Speditionsaufträge tatsächlich durch ein von dem Dritten beauftragtes Unternehmen ausgeführt werden, so sind die durch die Einbindung des Dritten entstandenen vermeidbaren Mehrkosten ein Nachteil im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB.
KG Berlin, 19.2.2013 – 121 Ss 10/13
1 I. Die Entscheidung
Beauftragung einer Spedition ist Ermessensentscheidung
Die Angeklagte M war als Gerichtsvollzieherin allen an der Zwangsvollstreckung Beteiligten gegenüber verpflichtet, die Kosten möglichst gering zu halten (vgl. OLG Hamburg MDR 2000, 602; LG Stuttgart DGVZ 1990, 172, 173; LG Saarbrücken DGVZ 1985, 92). Dies bedeutet zwar nicht, dass sie die von ihr zu erteilenden Speditionsaufträge jeweils an den günstigsten Unternehmer vergeben musste. Vielmehr durfte sie bei der Auftragsvergabe weitere Aspekte wie die Arbeitsqualität der Transportunternehmen und deren Erfahrung mit Zwangsräumungen berücksichtigen (vgl. LG Düsseldorf DGVZ 1987, 76, 77; LG Saarbrücken a.a.O.).
Transparenz der Entscheidungskriterien
Dass die Angeklagte bei der Beauftragung des Angeklagten B und damit mittelbar der Speditionsfirma D-Umzüge derartige Ermessenserwägungen angestellt hätte, ist jedoch weder festgestellt noch ausweislich der mitgeteilten Einlassung von ihr behauptet worden. Nach den Feststellungen der Strafkammer war das Motiv der Angeklagten M dafür, den Angeklagten B zu beauftragen, allein ihr Wunsch, dem mit ihr zumindest befreundeten Angeklagten eine Einnahmequelle zu eröffnen, ohne dass dieser hierfür substantielle Arbeitsleistungen als "Generalunternehmer" erbringen musste. Dass dies kein Gesichtspunkt ist, der bei einer pflichtgemäßen Ermessensausübung in Bezug auf die Auftragsvergabe Berücksichtigung finden kann, bedarf keiner Erörterung. Hielt die Angeklagte M jedoch die die Speditionsarbeiten tatsächlich ausführende Firma D-Umzüge für geeignet, so hätte sie sich im Kosteninteresse der Beteiligten ihrer unmittelbar bedienen müssen. Die durch die pflichtwidrige Einbindung des Angeklagten B in die Auftragsvergabe erzeugten vermeidbaren Mehrkosten stellen damit auch einen Nachteil im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB dar (vgl. BGH NStZ 2010, 502, 503 m.w.N.).
2 II. Der Praxistipp
Kein exotischer Fall
Dass ein GV sich durch die Beauftragung eines Unternehmens als Hilfsorgan bei einer Räumungsvollstreckung strafbar macht, dürfte sicher die Ausnahme sein. Auch ist nicht festzustellen, dass die GV in der Masse einen Dritten als "Generalunternehmer" einsetzen. Handelt es sich deshalb bei dem vom KG entschiedenen Fall um eine exotische Fallkonstellation? Auch ohne strafrechtliche Relevanz ist diese Frage leider zu verneinen. Viele GV verwechseln die Möglichkeit, eine Ermessensentscheidung zu treffen, mit der Option, willkürlich zu entscheiden.
Transparenz einfordern
Eine Ermessensentscheidung ist auch unter Beachtung des Ermessensspielraums kontrollierbar. Dabei sind folgende Aspekte zu sehen:
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Es muss erkennbar werden, dass überhaupt eine Ermessensentscheidung getroffen wurde, d.h. der GV sich bewusst war, ein Ermessen zu haben. |
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Alle erheblichen Aspekte müssen auch tatsächlich in die Ermessensentscheidung eingestellt werden, was voraussetzt, dass der GV – jedenfalls nach einer Aufforderung durch den Gläubiger – die für ihn maßgeblichen Aspekte transparent macht. |
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Letztlich muss deutlich werden, dass und wie der GV die verschiedenen Kriterien untereinander und gegeneinander abgewogen hat. |
Fehlt es an einer der drei Voraussetzungen, ist die Entscheidung fehlerhaft, aufzuheben und nachfolgend vom GV erneut zu treffen. In kostenrechtlicher Hinsicht wird der GV insbesondere ein eigenständiges Räumungsangebot des Gläubigers durch eine von ihm benannte Firma zu beachten haben.
FoVo 6/2014, S. 109 - 111