Entscheidung gilt auch in der Einzelvollstreckung
Anders als das LG folgt der BGH der Argumentation des AG und stellt dessen Entscheidung wieder her. Sie ist zwar im Insolvenzverfahren ergangen, betrifft im Ergebnis aber das Verständnis von § 850i ZPO, d.h. die Frage, wie mit sonstigen Einkünften des Schuldners umzugehen ist und in welchem Umfang diese pfändungsfrei sind. Betroffen ist dabei die Pfändung beim Erben als Drittschuldner ebenso wie der Antrag des Schuldners auf Erhöhung seines Pfändungsfreibetrages auf einem P-Konto nach § 850k Abs. 4 i.V.m. § 850i ZPO.
Hinweis
§ 852 ZPO beschränkt die Pfändung des Pflichtteilsanspruchs. Er ist der Pfändung nur unterworfen, wenn er durch Vertrag anerkannt oder rechtshängig geworden ist. Im konkreten Fall des BGH musste dies nicht problematisiert werden, weil der Schuldner auf Gewährung des Pflichtteils gegen seine Mutter geklagt hatte. In anderen Fällen ist taktisch vorzugehen: Der Gläubiger muss erst klären, ob der Schuldner den Anspruch geltend macht und der Erbe ihn anerkennt. Dabei ist auch zu sehen, dass der Pflichtteilsanspruch den besonderen Verjährungsbestimmungen des § 2332 BGB unterliegt.
Pflichtteilsanspruch gehört zur Insolvenzmasse
Nach dem BGH steht dem Schuldner kein Pfändungsschutz nach § 850i ZPO hinsichtlich seiner Forderungen aus dem Pflichtteilsanspruch zu. Gemäß § 35 Abs. 1 InsO umfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Insolvenzverfahrens erlangt. Dies gilt auch für Pflichtteilsansprüche, die ungeachtet § 852 ZPO in vollem Umfang zur Insolvenzmasse gehören, wenn der Erbfall vor der Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 200 InsO) eintrat (BGH ZIP 2011, 135 Rn 8). Der Erbfall trat vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens ein. Nachdem der Schuldner den Pflichtteilsanspruch gegen seine Mutter gerichtlich geltend machte, war er mit Rechtshängigkeit der Pfändung unterworfen (§ 852 Abs. 1 ZPO).
Kein unpfändbarer Betrag aus dem Pflichtteil
Dem Schuldner ist aus dem Pflichtteilsanspruch kein unpfändbarer Betrag gemäß § 850i ZPO zur Verfügung zu stellen. Danach hat das Gericht dem Schuldner auf Antrag während eines angemessenen Zeitraums aus nicht wiederkehrend zahlbaren Vergütungen für persönlich geleistete Arbeiten oder Dienste oder aus sonstigen Einkünften, die kein Arbeitseinkommen sind, so viel zu belassen, wie ihm nach freier Schätzung des Gerichts verbleiben würde, wenn sein Einkommen aus laufendem Arbeits- oder Dienstlohn bestünde. Diese Voraussetzungen für eine Unpfändbarkeit sonstiger Einkünfte nach § 850i Abs. 1 Satz 1 Fall 2 ZPO sind nicht erfüllt.
Wer genug hat, bekommt nicht mehr
Handelt es sich bei den sonstigen Einkünften nicht um Erwerbseinkünfte, können solche Einkünfte nach § 850i Abs. 1 ZPO nur für unpfändbar erklärt werden, soweit dies erforderlich ist, damit dem Schuldner ein unpfändbares Einkommen in Höhe der von § 850c Abs. 1, 2a ZPO bestimmten Beträge verbleibt. Hingegen dient § 850i Abs. 1 Satz 1 Fall 2 ZPO nicht dazu, sonstige Einkünfte, die kein Erwerbseinkommen darstellen, in einem die Pfändungsfreigrenzen des § 850c Abs. 1, 2a ZPO übersteigenden Umfang von der Pfändbarkeit freizustellen. Mithin kann der Schuldner nicht verlangen, sonstige Einkünfte nach § 850i Abs. 1 ZPO ganz oder teilweise für unpfändbar zu erklären, wenn er – wie im Streitfall – aus anderen Quellen über ein pfändungsfreies Einkommen in Höhe der nach § 850c Abs. 1, 2a ZPO unpfändbaren Beträge verfügt.
Gleichbehandlung von Arbeitnehmer und Selbstständigem nicht tangiert
Der BGH leitet dieses Ergebnis aus der gesetzgeberischen Interessenabwägung her und der Wertung, die § 850i Abs. 1 ZPO zugrunde liegt. Die bisherige Ungleichbehandlung von abhängig Beschäftigten und selbstständig tätigen Personen sollte beseitigt werden. Das erfordert jedoch nicht, Einkünfte, die nicht auf einer Erwerbstätigkeit beruhen, als Arbeitseinkommen zu behandeln und im gleichen Umfang wie Arbeitseinkommen pfändungsfrei zu stellen. Im Gegenteil ergibt sich aus der vom Gesetzgeber angestrebten Gleichbehandlung, dass dann, wenn ein Arbeitnehmer für bestimmte Einkünfte keinen Pfändungsschutz genießt, ein selbstständig tätiger Schuldner für entsprechende Einkünfte ebenfalls keinen Pfändungsschutz erhalten kann. Das Gesetz zielt nicht darauf, jedwede Geldforderungen eines Schuldners umfassend und uneingeschränkt wie Arbeitseinkommen zu behandeln.
Keine notwendige Entlastung der öffentlichen Hand
Die von § 850i ZPO ermöglichte Unpfändbarkeit soll in zweiter Linie die öffentlichen Haushalte von ansonsten notwendig werdenden Transferleistungen öffentlicher Kassen entlasten. Danach soll sichergestellt werden, dass dem Schuldner die für ein menschenwürdiges Dasein benötigten Mittel zur Verfügung stehen und ihm nicht im Wege der Zwangsvollstreckung entzogen werden. Diese Erwägung trägt jedoch nur den Pfändungsschutz für das Existenzminimum. Das Gläubigerrecht auf effektive Befriedigung berechtigter Forderungen ...