Leitsatz
Spart der Schuldner auf seinem Pfändungsschutzkonto Beträge an, so dass der gesetzliche Freibetrag überschritten wird, unterliegen diese Beträge in vollem Umfang dem Gläubigerzugriff.
AG Schöneberg, 4.4.2016 – 33 M 5799/15
1 I. Der Fall
Der Schuldner beantragte die einmalige Freigabe des bestehenden Guthabens auf seinem Girokonto, welches als Pfändungsschutzkonto geführt wird, in Höhe von 465,64 EUR. Als Begründung trug er vor, dass es sich bei diesem Betrag um "Ansparungen" auf seinem Konto bei der Drittschuldnerin handelt. Dieses Guthaben aus dem Jahr 2015 sei jedoch nur zustande gekommen, da er sich nach einem Krankenhausaufenthalt im November 2015 aus Gesundheitsgründen nicht angemessen um seine Angelegenheiten habe kümmern können.
2 II. Die Entscheidung
Das Konto des Schuldners wird vorliegend als Pfändungsschutzkonto geführt. Demnach kann der Schuldner über den ihm zustehenden monatlichen Freibetrag frei verfügen (§ 850k Abs. 1 ZPO). Sein monatliches Einkommen in Höhe von 404 EUR (ALG II) genießt somit vollen Guthabenschutz.
Soweit der Schuldner in einem Kalendermonat nicht über Guthaben in Höhe des monatlichen Freibetrages verfügt, wird dieses Guthaben im folgenden Kalendermonat zusätzlich zu dem (neuen) geschützten Guthaben für diesen Monat nicht von der Pfändung erfasst (Zöller, ZPO, § 850 Rn 5).
Das Guthaben des Schuldners aus dem Monat November 2015 unterlag daher ab Anfang Januar 2016 der Pfändung. Eine Auskehrung dieser gepfändeten Beträge an die Gläubigerin ist demnach gemäß § 850 Abs. 1 Satz 3 ZPO zulässig. Für einen Antrag auf Freigabe dieses angesparten Betrages besteht daher insoweit kein Rechtsschutzbedürfnis. Der Antrag des Schuldners war daher wie geschehen zurückzuweisen.
3 Der Praxistipp
Nur das Ergebnis ist richtig
Die Entscheidung des AG Schöneberg ist im Ergebnis richtig, ohne in der Begründung zu überzeugen. Das AG wäre verpflichtet gewesen, den Antrag des Schuldners nach § 850k Abs. 4 ZPO sowie nach § 765a ZPO zu würdigen. Allerdings hätte eine solche Prüfung unter Berücksichtigung des Vortrages des Schuldners zu keinem anderen Ergebnis geführt. Dem Antrag fehlt es nicht am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis, was die Zulässigkeit des Antrages berührt hätte, sondern an der Begründetheit nach Maßgabe der vorgenannten Bestimmungen.
Kein Mehrbedarf begründet
Nach § 850k Abs. 4 ZPO i.V.m. § 850f Abs. 1 ZPO kann ein Ansparen zu einem erhöhten Pfändungsfreibetrag auf dem Pfändungsschutzkonto führen, wenn der Schuldner etwa besondere Bedürfnisse aus persönlichen oder beruflichen Gründen geltend machen kann (§ 850k Abs. 1 lit. b ZPO) oder der besondere Umfang der gesetzlichen Unterhaltspflichten dies erfordert (§ 850k Abs. 1 lit. c ZPO) und überwiegende Belange des Gläubigers nicht entgegenstehen. Es wäre also an dem Schuldner gewesen, im Einzelnen darzulegen, zu welchem Zweck er den Betrag von 465,64 EUR angespart hat. Hieran fehlte es.
Nicht für den Lebensunterhalt notwendig
Allein der Hinweis darauf, dass er aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen sei, den Betrag abzuheben oder zu verbrauchen, kann keinen weitergehenden Pfändungsschutz rechtfertigen. Insbesondere ist nicht zu sehen, dass der Schuldner den Betrag zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes braucht, da er insoweit fortlaufend weitere bedarfsgerechte Bezüge erhält. Die Voraussetzungen des § 850f Abs. 1 lit. a ZPO sind mithin ebenfalls nicht dargetan.
Keine besondere Härte
Nach § 765a ZPO kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Schuldners eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Als Ausnahmevorschrift ist sie restriktiv anzuwenden. Dabei ist insbesondere der vorrangige spezielle Pfändungsschutz – hier also § 850k Abs. 4 ZPO – zu beachten. Insoweit kommt ein Schutz über § 765a ZPO in Betracht, wenn – wie hier – ein Schutzantrag nicht rechtzeitig gestellt wurde und die gepfändeten Mittel dringend zum Unterhalt des Schuldners erforderlich sind. Letzteres ist aber gerade nicht begründet.
Pfändung zeigt sich als erfolgreich
Nicht nur diese Entscheidung zeigt, dass auch die Pfändung der Auszahlungsansprüche aus einem Pfändungsschutzkonto für den Gläubiger sinnvoll sein kann. Ungeachtet des Umstandes, dass dies Manipulationen des Schuldners vermeidet, ergeben sich auch immer wieder Überschreitungen des Pfändungsfreibetrages, für die der Schuldner keinen weitergehenden Pfändungsschutz erlangen kann. Dies gilt für Einsparungen wie für Fehlüberweisungen.
FoVo 6/2016, S. 115 - 116