Leitsatz
Die Kosten der allgemeinen Lebenshaltung sind aus dem Pfändungsfreibetrag nach § 850k Abs. 1 ZPO i.V.m. § 850c Abs. 1 ZPO zu bestreiten.
AG Tecklenburg, Beschl. v. 13.12.2016 – 10 M 0301/09
1 I. Der Fall
Vollstreckung ins P-Konto
Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung und hat mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss dessen Anspruch auf Auszahlung des Guthabens gegenüber der Drittschuldnerin gepfändet und sich zur Einziehung überweisen lassen. Das Konto des Schuldners wird als P-Konto im Sinne des § 850k ZPO geführt.
Erhöhte persönliche Bedürfnisse
Der Schuldner macht mit seinem Antrag geltend, dass die persönlichen Lebensumstände eine Abänderung der pfändbaren Beträge rechtfertigen. Er habe zusätzliche Aufwendungen durch eine Nahrungsmittelunverträglichkeit (Weizenbestandteile) und insulinpflichtigen Diabetes mellitus.
Gläubiger wehrt sich
Der Gläubiger wurde angehört und macht ein fehlendes Rechtsschutzbedürfnis geltend. Die Voraussetzungen des § 765a ZPO lägen nicht vor. Die eingereichte Aufstellung des Schuldners sei völlig überzogen, da nicht notwendige Kosten aufgelistet seien (Führung eines Quads, Taxifahrten, Reparaturarbeiten). Der Grundfreibetrag soll den Schuldner nicht besser stellen als andere Personen in gleicher Situation.
2 II. Die Entscheidung
Nahrungsmittelunverträglichkeit
Da die Aufwendungen der Nahrungsmittelunverträglichkeit einen zusätzlichen Mehrbedarf des Schuldners darstellen, sei dem Schuldner ein weiterer Betrag von 80 EUR zu belassen.
Kein krankheitsbedingter Mehrbedarf
Für den insulinpflichtigen Diabetes mellitus ist kein Mehrbedarf für kostenaufwändigere Ernährung vorgesehen, da es sich um Vollkost handelt und davon ausgegangen werden kann, dass diese aus dem Regelbedarf bestritten werden kann.
Lebenshaltung aus dem Regelsatz
Das Gericht schließt sich auch der Auffassung des Gläubigervertreters an, dass die Aufwendungen von Fahrtkosten zur Ärztin, Kosten für ein Attest, Kosten für Wartungs- und Reparaturarbeiten, Tierarztkosten, Versicherungskosten für die Hunde, Hundefutterkosten und die Kosten zur Führung eines Quads aus dem Regelsatz zu bezahlen sind. Einwendungen gegen die Nahrungsmittelunverträglichkeit und den Diabetes mellitus wurden seitens des Gläubigers nicht erhoben.
Keine Mitwirkung
Der Schuldner ist der Forderung des Gerichtes nicht nachgekommen, einen fiktiven Sozialhilfebescheid einzureichen, um zu belegen, inwieweit die geltend gemachten Mehrkosten im Rahmen einer zu gewährenden Sozialhilfe anerkannt werden würden.
3 Der Praxistipp
§ 850f ZPO als Anspruchsgrundlage
Wie nicht selten, leidet auch diese Entscheidung an dem Umstand, dass nicht dargelegt wird, welche normativen Grundlagen einschlägig sind und geprüft werden. Tatsächlich ist auf § 850k Abs. 4 ZPO i.V.m. § 850f Abs. 1 ZPO abzustellen. Nach § 850f Abs. 1 lit b) kann das Vollstreckungsgericht den pfandfreien Betrag erhöhen, wenn dies wegen besonderer Bedürfnisse des Schuldners aus persönlichen oder beruflichen Gründen erforderlich ist. Es muss sich also um Aufwendungen handeln, die mit dem Grundfreibetrag nicht schon abgegolten sind.
Hinweis
Die Darlegungs- und Beweislast für die "besonderen" Bedürfnisse liegt insoweit beim Schuldner. Dem Gläubiger obliegt es, diese Verpflichtung auch tatsächlich einzufordern.
§ 765a ZPO ist nicht einschlägig
Demgegenüber ist § 765a ZPO nicht einschlägig. § 765a ZPO ist als Ausnahmevorschrift eng auszulegen und kommt nur dann zur Anwendung, wenn kein spezieller Pfändungsschutz besteht, nicht aber wenn die Voraussetzungen einer einschlägigen Schutznorm nicht erfüllt sind. Anderenfalls würde der spezielle Pfändungsschutz unterlaufen (vgl. zu allem Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 765a ZPO, Rn 1, 5 und 9a).
FoVo 6/2017, S. 119 - 120