Leitsatz
Ein Schuldner, der seinen Lebensunterhalt aus erwirtschafteten Mieteinkünften bestreitet, kann im Insolvenzverfahren Pfändungsschutz für sonstige Einkünfte beantragen, auch wenn die Mieteinkünfte im Zuge einer vereinbarten stillen Zwangsverwaltung an einen Gläubiger abgeführt werden, dem der Schuldner die Mietforderungen als Sicherheit abgetreten und dem er Grundschulden an den Mietobjekten bestellt hat.
BGH, Beschl. v. 1.3.2018 – IX ZB 95/15
1 I. Der Fall
Mieteinnahmen an finanzierende Bank abgetreten
Der Schuldner ist Eigentümer zweier mit Mehrfamilienhäusern bebauter Grundstücke, die mit Darlehen finanziert wurden. Zur Sicherung der Ansprüche auf Rückzahlung der Darlehen trat der Schuldner seine gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche gegen die Mieter und Pächter der beiden Häuser an das Kreditinstitut ab. Ferner sind zugunsten des Kreditinstitutes im Grundbuch an beiden Grundstücken Grundschulden im Nennbetrag von jeweils 511.291,88 EUR nebst Zinsen eingetragen. Am 29.10.2014 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet. Das Kreditinstitut meldete eine Forderung in Höhe von mehr als 2 Mio. EUR zur Tabelle an. Die zur Insolvenzverwalterin bestellte weitere Beteiligte zieht im Wege der so genannten stillen oder kalten Zwangsverwaltung die Miete/Pacht (nachfolgend nur noch zusammenfassend: Miete) in Höhe von monatlich knapp 6.000 EUR ein und führt sie nach Abzug eines Betrags für die Feststellung und Verwertung an das Kreditinstitut ab.
Insolventer Schuldner will einen Teil der Miete für sich
Der Schuldner hat beantragt, ab Februar 2015 monatliche Mieteinkünfte in Höhe von 517,89 EUR pfandfrei zu stellen; nur dann verbleibe ihm unter Berücksichtigung seiner sonstigen Einkünfte und bei Abzug des Krankenversicherungsbeitrags der nach § 850c ZPO pfandfrei zu belassende Betrag von 1.049,99 EUR. Das AG hat dem Antrag stattgegeben. Auf die sofortige Beschwerde der weiteren Beteiligten hat das LG den Antrag zurückgewiesen. Mit seiner vom LG zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Schuldner seinen Freistellungsantrag weiter.
2 II. Aus der Entscheidung
LG sieht Abtretung als Hindernis
Das LG hat gemeint, die Freigabe von Mieteinnahmen nach der über § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO anwendbaren Norm des § 850i ZPO komme nicht in Betracht. Dem stehe die Sicherungsabtretung der Mieten an das Kreditinstitut entgegen. Die Unwirksamkeit dieser Abtretung nach § 110 Abs. 1 InsO solle die Mieterträge für die Insolvenzmasse sichern und nicht einen erneuten Zugriff des Schuldners auf die Mieten ermöglichen. Maßgeblich sei, wie sich die Situation in einem normalen Zwangsvollstreckungsverfahren darstellte. Dort scheide eine Freigabe der Mieten nach § 850i ZPO aus, weil die Sicherungsabtretung einen Zugriff des Schuldners auf die Mieten ausschließe. Das Abtretungsverbot des § 400 BGB für unpfändbare Forderungen greife nicht ein, weil das Kreditinstitut zugleich Grundpfandrechtsgläubigerin sei. Das Grundpfandrecht eröffne der Gläubigerin nach § 1192 Abs. 1, § 1123 Abs. 1 BGB auch den Zugriff auf die Mietforderungen. Wenn das Gesetz die Mietforderung dem Haftungsverband des Grundpfandrechts zuordne, sei damit die Entscheidung getroffen, dass die Pfändung zulässig sein solle. Jedenfalls müsse dies im vorliegenden Fall gelten, in dem das Kreditinstitut die Erzielung von Mieteinnahmen durch die gewährten und noch nicht zurückgeführten Darlehen erst ermöglicht habe. Ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 850i ZPO gegeben seien, könne danach offen bleiben.
Dem folgt der BGH nicht
Mit dieser Begründung kann die vom Schuldner beantragte Freistellung von Mieteinnahmen nicht verweigert werden. Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, gehören nach § 36 Abs. 1 S. 1 InsO nicht zur Insolvenzmasse. Gemäß S. 2 dieser Norm gilt u.a. die Regelung in § 850i ZPO entsprechend. Danach hat das Gericht bei der Pfändung sonstiger Einkünfte des Schuldners, die kein Arbeitseinkommen sind, dem Schuldner auf dessen Antrag so viel zu belassen, wie ihm verbleiben würde, wenn sein Einkommen aus laufendem Arbeits- oder Dienstlohn bestünde. Die durch das Gesetz vom 7.7.2009 (BGBl I, S. 1707) neu gefasste Regelung überträgt den Pfändungsschutz für Arbeitseinkommen (§§ 850, 850a ff. ZPO) auf sonstige vom Schuldner erwirtschaftete Einkünfte. Zu diesen gehören auch Einkünfte aus Miete und Pacht (BGH ZIP 2014, 1542; BGH WM 2015, 1291; BGH ZIP 2016, 1078). Auf diese Weise soll im Insolvenzverfahren wie im Verfahren der Einzelzwangsvollstreckung gewährleistet werden, dass der Schuldner seinen Lebensunterhalt in angemessenem Umfang mit eigenen Mitteln bestreiten kann und hierfür nicht auf staatliche Leistungen angewiesen ist (BT-Drucks 16/7615, S. 12, 18). Die Regelung in § 851b ZPO bietet dem Schuldner daneben einen ergänzenden, in eine andere Richtung zielenden Schutz.
Abtretung umfasst nicht die unpfändbaren Mieteinnahmen
Der Anwendung des § 850i ZPO steht hier nicht entgegen, dass die Mietforderungen an die Sparkasse abgetreten waren und zudem in den Haftungsverband der Grun...