BGH-Entscheidung nicht einschlägig

Das AG übersieht zunächst, dass die bezeichnete BGH-Entscheidung einen völlig anderen Sachverhalt betrifft. Nicht nur, dass die Entscheidung vor der Reform der Kontopfändung ergangen ist, es war darüber hinaus dort so, dass der Gläubiger über einen Titel gegen beide Schuldner verfügte. Gepfändet war ein Konto der Ehefrau, auf dem neben deren Bezügen auch die Einkünfte des Ehemannes als weiterem Schuldner eingingen. Der Schuldner verfügte über kein eigenes Konto. Dessen unpfändbares Arbeitseinkommen wäre auf einem eigenen Konto deshalb nach § 850k ZPO a.F. freizustellen gewesen. Da § 850k ZPO a.F. nicht unmittelbar anzuwenden war, übertrug der BGH dessen Rechtsgrundsätze nach § 765a ZPO auf den von ihm zu beurteilenden Fall. § 850k ZPO a.F. wurde aber mit der Reform der Kontopfändung aufgehoben, sodass die damalige Argumentation des BGH auf die hier zu beurteilende Konstellation nicht zu übertragen ist.

Reform der Kontopfändung nicht beachtet

Das Gericht hat dann die gesetzlichen Änderungen der Reform der Kontopfändung nicht beachtet. Der Schuldner kann Pfändungsschutz nur noch auf einem Pfändungsschutzkonto nach § 850k ZPO beanspruchen. Da dieses Konto grundsätzlich nur von einer Person geführt werden kann, sind dort eingehende Gelder Dritter nicht geschützt. Der Dritte hat lediglich einen (untitulierten) Anspruch gegen den Schuldner aus § 667 BGB, der dem titulierten und durch ein Pfändungspfandrecht geschützten Anspruch des Gläubigers nicht vorgeht (AG Kassel FoVo 2015, 235). Das Prioritätsprinzip des § 804 Abs. 3 ZPO muss auch hier gelten. Es liegt in der Risikosphäre des Dritten, dass ihm materiell zustehende Gelder auf einem Schuldnerkonto eingehen.

§ 765a ZPO schützt nur den Schuldner

Übersehen hat das AG letztlich auch, dass § 765a ZPO den Schuldner, nicht aber den Dritten schützt (BVerfG FoVo 2015, 192). Für den Schuldner liegt keine besondere Härte der Zwangsvollstreckung vor, die gegen die guten Sitten verstößt. Nach der genannten Entscheidung des BGH ist auch für die Anwendung von § 826 BGB kein Raum. Es wäre besser gewesen, das AG hätte nicht einfach eine Entscheidung zitiert, sondern tatsächlich die Voraussetzungen der herangezogenen Norm geprüft.

Relevant: Liegt ein Gemeinschaftskonto vor?

Das AG hätte also nicht dahinstehen lassen dürfen, ob ein Gemeinschaftskonto der Ehegatten vorlag. Nur dann wäre es nämlich gerechtfertigt gewesen, der Ehefrau einen Auszahlungsanspruch zuzubilligen. Letztlich wäre dies aber nicht von dem Schuldner und auch nicht nach § 765a ZPO zu verfolgen gewesen.

FoVo 7/2016, S. 140 - 141

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