Leitsatz
Eine irrtümliche Überweisung auf das Pfändungsschutzkonto des Schuldners rechtfertigt keine Anhebung des Pfändungsfreibetrags.
AG Wuppertal, 5.2.2016 – 44 M 5789/03 und 44 M 3168/06
1 I. Der Fall
Freigabe einer vermeintlich irrtümlichen Überweisung
Der Gläubiger betreibt gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung und hat im Wege der Forderungspfändung auf deren Kontoverbindung zugegriffen. Nach der Drittschuldnererklärung handelt es sich bei dem gepfändeten Konto um ein Pfändungsschutzkonto. Auf dem Konto ist ein Betrag in Höhe von 1.300 EUR, überwiesen vom Bruder der Schuldnerin, eingegangen, der in wesentlicher Höhe dazu führt, dass der Pfändungsfreibetrag auf dem Konto überschritten wird. Die Schuldnerin beantragt die Aufhebung der Pfändung des Kontos in Höhe eines Betrages von 1.300 EUR, da es sich insoweit um eine irrtümliche Überweisung gehandelt habe und ihr der Betrag nicht zustehe. Der angehörte Gläubiger hat dem Antrag widersprochen.
2 II. Die Entscheidung
Freibetrag auf dem P-Konto nur 1.073,88 EUR
Das vorgenannte Konto wird als Pfändungsschutzkonto gemäß § 850k ZPO geführt. Die Schuldnerin kann daher über das Guthaben auf diesem Konto bis zur Höhe des pfändungsfreien Betrages verfügen. Soweit Guthaben über diesen Betrag vorhanden ist, unterliegt es der Pfändung. Dabei ist es ohne Bedeutung, aufgrund welcher Gutschriften es entstanden ist.
Herkunft von Guthaben ist unerheblich
Dass es sich bei dem Betrag von 1.300 EUR um eine versehentliche Überweisung handelt und dieser Betrag nicht zum Vermögen der Schuldnerin, sondern ggf. weiterhin zum Vermögen des überweisenden Bruders gehört, ändert daran zurzeit nichts. Ob dieser Betrag ins Vermögen der Schuldnerin fällt oder nicht, ist vom Vollstreckungsgericht nicht abschließend zu prüfen.
Drittwiderspruchsklage?
Soweit der Überweiser geltend machen will, dass der Betrag weiterhin ihm zusteht, kann er diese Ansprüche im Klagewege bei dem Prozessgericht geltend machen (§ 771 ZPO). Soweit hier rechtzeitig eine entsprechende Entscheidung des Prozessgerichts über die einstweilige Einstellung oder Aufhebung der Vollstreckung vorgelegt wird, wird diese beachtet.
Kosten
Die Kosten des Verfahrens hat die Schuldnerin nach § 788 ZPO zu tragen.
3 Der Praxistipp
Weder § 850k noch § 765a ZPO sind einschlägig
Das AG hat richtig gesehen, dass es für die Anhebung des Pfändungsfreibetrages auf dem P-Konto an einer Rechtsgrundlage fehlt. Über die Freibeträge nach § 850k Abs. 1 und 2 hinaus ist ein weiterer Freibetrag nur in den Fällen des § 850k Abs. 4 ZPO zu gewähren, der den erweiterten Pfändungsschutz für Arbeitseinkommen auf das Pfändungsschutzkonto überträgt. Keiner dieser Fälle ist einschlägig. Auch § 765a ZPO ist nicht anwendbar, weil die Pfändung allenfalls für den Dritten eine besondere Härte bedeutet, nicht aber für den Schuldner. Dem Schuldner steht der Betrag so oder so nicht zu.
Drittwiderspruchsklage ist fraglich
Soweit das AG den Dritten auf die Drittwiderspruchsklage verweisen will, irrt es wohl. Der Dritte hat kein die Veräußerung hinderndes Recht an dem Kontoguthaben. Vielmehr führt die irrtümliche Überweisung nur zu einem Bereicherungsanspruch gegen den Schuldner nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB. Dieser Anspruch ist materiell-rechtlicher Art und tritt hinter den Vollstreckungsanspruch des Gläubigers zurück (§ 804 Abs. 3 ZPO). Insoweit hat der Dritte zu Recht für sein irrtümliches Verhalten einzustehen. Zugleich wird vermieden, dass dem Schuldner ein Instrument zur Manipulation des Pfändungsfreibetrages an die Hand gegeben wird.
FoVo 7/2016, S. 146 - 147