AG ohne Rechtsgrundlage?
Das Amtsgericht lässt nicht erkennen, auf welcher gesetzlichen Grundlage die Entscheidung ergeht. Grundsätzlich kann der gesetzliche Pfändungsfreibetrag nach 850k Abs. 1 bis 3 ZPO nach § 850k Abs. 4 ZPO in abweichender Höhe bestimmt werden, wobei die für das Arbeitseinkommen maßgeblichen Vorschriften entsprechende Anwendung finden. In Betracht kommt insoweit eine Erhöhung des Pfändungsfreibetrages nach § 850k Abs. 4 i.V.m. § 850f Abs. 1 lit. b ZPO.
Besondere persönliche Bedürfnisse müssen begründet werden
Erforderlich ist danach, dass der Schuldner besondere Bedürfnisse aus beruflichen oder persönlichen Gründen nachweist. Hierzu fehlt es an konkreten Feststellungen. Insbesondere legt das AG nicht dar, wie häufig der Schuldner tatsächlich einen Arzt aufsuchen und in einer Apotheke Medikamente beschaffen muss. Üblicherweise liefern Apotheken Medikamente auch nach Hause. Arzttermine können regelmäßig zeitlich so koordiniert werden, dass die Wahrnehmung unter Ausnutzung des ÖPNV möglich bleibt. Der Gläubiger hat insoweit allen Anlass, die Entscheidung zu beanstanden bzw. schon auf den Antrag des Schuldners auf diese Aspekte hinzuweisen.
Wollte man § 850f Abs. 1 ZPO für nicht einschlägig erachten, käme auch ein Antrag nach § 765a ZPO in Betracht. Auch hier wäre allerdings der Schuldner in der Darlegungs- und Beweislast, dass die unbeschränkte Zwangsvollstreckung für ihn eine besondere Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist. Den tatbestandlichen Ausführungen des AG lassen sich diese Voraussetzungen nicht entnehmen.
§ 17 VVG ist nicht einschlägig
Anders als das AG meint, ist § 17 VVG vorliegend nicht einschlägig. Die Vorschrift enthält ein Abtretungsverbot. Über § 851 ZPO ergibt sich insoweit auch ein Pfändungsverbot. Beides bezieht sich allerdings nur auf die Pfändung einer Versicherungsleistung bei der Versicherung. Hier wurden aber Ansprüche auf Auszahlung des Kontoguthabens gepfändet. Auch ist zu sehen, dass Leistungspflichtiger hier keine Versicherung des Schuldners ist, sondern die Haftpflichtversicherung des Schädigers. Hätte der Schädiger selbst geleistet, wäre § 17 VVG ersichtlich nicht heranzuziehen. Nichts anderes kann gelten, wenn ein Dritter für ihn leistet.
Immer dran denken: Aufwandsbeschränkung
In jedem Fall zuzustimmen ist dem AG, soweit der zusätzlich pfandfreie Betrag auf den Aufwand beschränkt wird, der dem Schuldner tatsächlich entstanden ist. Der Gläubiger muss deshalb stets bestreiten, dass der Schuldner einen Aufwand in Höhe der Schadensersatzleistung hat betreiben müssen. Der Schuldner ist dann gezwungen, einen entsprechenden Nachweis zu führen. Die praktische Erfahrung lehrt, dass die Versicherungsleistung meist über dem tatsächlichen Aufwand liegt.
FoVo 7/2016, S. 141 - 143