Leitsatz
Wird der nach § 811 Abs. 1 Nr. 1 ZPO pfändungsgeschützte Pkw des Schuldners beschädigt und erhält er hierfür eine Schadensersatzleistung, so ist diese auf dem Pfändungsschutzkonto insoweit pfändungsfrei zu belassen, wie der Schuldner konkrete Reparaturkosten nachweist.
AG Eisleben, 25.2.2016 – 51 M 3115/14
1 I. Der Fall
SU erhält Schadensersatz aus Verkehrsunfall …
Die Gläubigerin betreibt die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner und hat dessen Konto bei der Drittschuldnerin gepfändet. Das Konto wird als Pfändungsschutzkonto geführt, wobei der festgesetzte monatliche Freibetrag 1.721,32 EUR beträgt. Auf dem Konto ist zum Ausgleich eines Pkw-Haftpflichtschadens ein Entschädigungsbetrag von 1.740 EUR eingegangen, dessen Freistellung der Schuldner begehrt.
… und ist auf den Pkw angewiesen
Der Schuldner ist an Diabetes erkrankt, nimmt regelmäßig Medikamente ein und bedarf zur Mobilität, unter anderem auch für Arztbesuche, eines Pkw, da an seinem Wohnort keine Infrastruktur vorhanden ist, die seinen diesbezüglichen Bedürfnissen Rechnung trägt (Fachärzte, Apotheken, Geschäfte).
2 II. Die Entscheidung
AG gibt nur teilweise frei
Der Pfändungsfreibetrag ist auf dem P-Konto in Höhe von einmalig weiteren 463 EUR zu erhöhen. Im Übrigen ist der Antrag des Schuldners zurückzuweisen.
Zweckbestimmung des Schadensersatzes
Der unfallgeschädigte Pkw des Schuldners gehört zu seinem pfandfreien Vermögen. § 17 VVG legt ausdrücklich fest, dass, soweit sich eine Versicherung auf unpfändbare Sachen bezieht, eine Forderung aus der Versicherung nur auf solche Gläubiger des Schuldners übertragen werden kann, die diesem zum Ersatz der zerstörten oder beschädigten Sachen andere Sachen geliefert haben. Damit ist eine indirekte Zweckbestimmung getroffen worden. Bei der Abwägung der beiderseitigen Belange von Gläubiger- und Schuldnerseite kommt der Zweckbestimmung eine besondere Bedeutung zu.
Wandel des Anspruchs ändert Zweckbestimmung nicht
Bei Leistungen, die dazu bestimmt sind, besonderen Bedürfnissen des Schuldners abzuhelfen, spricht die Zweckbestimmung gegen eine Pfändbarkeit, denn durch sie würde die Befriedigung als schutzwürdig anerkannter Bedürfnisse beeinträchtigt oder vereitelt. Im konkreten Fall ist die notwendige Reparatur des beschädigten Pkw als schutzwürdiges Interesse des Schuldners anzusehen. Zwar gehört die auf das Konto des Schuldners überwiesene Versicherungsleistung nach Überweisung auf das Konto zum gepfändeten Kontoguthaben. Dennoch ist auch hier der ansonsten für eine zweckgebundene Versicherungsleistung maßgebliche Pfändungsschutz anzuwenden.
Aber wichtig: Geschützt wird nur, was gebraucht wird
Weil der Schuldner eine Verwendung des Geldes für die Reparatur des beschädigten Pkw nur in Höhe von 463 EUR nachweisen konnte und somit eine Verwendung im Rahmen der Zweckbindung nur in dieser Höhe erfolgte, dürfe der Pfändungsschutz auch nur in dieser Höhe gewährt werden. Der Rest der Versicherungssumme unterliege der ausgebrachten Kontopfändung, da hier der Schuldner eine zweckgebundene Verwendung des Geldes nicht nachweisen konnte. Hier wurden die Gläubigerbelange schwerer gewichtet.
3 Der Praxistipp
AG ohne Rechtsgrundlage?
Das Amtsgericht lässt nicht erkennen, auf welcher gesetzlichen Grundlage die Entscheidung ergeht. Grundsätzlich kann der gesetzliche Pfändungsfreibetrag nach 850k Abs. 1 bis 3 ZPO nach § 850k Abs. 4 ZPO in abweichender Höhe bestimmt werden, wobei die für das Arbeitseinkommen maßgeblichen Vorschriften entsprechende Anwendung finden. In Betracht kommt insoweit eine Erhöhung des Pfändungsfreibetrages nach § 850k Abs. 4 i.V.m. § 850f Abs. 1 lit. b ZPO.
Besondere persönliche Bedürfnisse müssen begründet werden
Erforderlich ist danach, dass der Schuldner besondere Bedürfnisse aus beruflichen oder persönlichen Gründen nachweist. Hierzu fehlt es an konkreten Feststellungen. Insbesondere legt das AG nicht dar, wie häufig der Schuldner tatsächlich einen Arzt aufsuchen und in einer Apotheke Medikamente beschaffen muss. Üblicherweise liefern Apotheken Medikamente auch nach Hause. Arzttermine können regelmäßig zeitlich so koordiniert werden, dass die Wahrnehmung unter Ausnutzung des ÖPNV möglich bleibt. Der Gläubiger hat insoweit allen Anlass, die Entscheidung zu beanstanden bzw. schon auf den Antrag des Schuldners auf diese Aspekte hinzuweisen.
Wollte man § 850f Abs. 1 ZPO für nicht einschlägig erachten, käme auch ein Antrag nach § 765a ZPO in Betracht. Auch hier wäre allerdings der Schuldner in der Darlegungs- und Beweislast, dass die unbeschränkte Zwangsvollstreckung für ihn eine besondere Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist. Den tatbestandlichen Ausführungen des AG lassen sich diese Voraussetzungen nicht entnehmen.
§ 17 VVG ist nicht einschlägig
Anders als das AG meint, ist § 17 VVG vorliegend nicht einschlägig. Die Vorschrift enthält ein Abtretungsverbot. Über § 851 ZPO ergibt sich insoweit auch ein Pfändungsverbot. Beides bezieht sich allerdings nur auf die Pfändung einer Versicherungsleistung bei der Versicherung. H...