Leitsatz
Klagt der Insolvenzverwalter einen nach Rechtshängigkeit abgetretenen Anspruch des Insolvenzschuldners ein, liegt mit Blick auf den Zessionar eine gesetzliche Prozessstandschaft gemäß § 265 Abs. 2 ZPO vor. Seine Rolle als Partei kraft Amtes ändert daran nichts.
Das Eintreten der gesetzlichen Prozessstandschaft infolge Abtretung des klageweise geltend gemachten Anspruchs nach Rechtshängigkeit ändert die vollstreckungsrechtliche Lage nicht.
BGH, Beschl. v. 2.2.2017 – I ZR 146/16
1 I. Der Fall
Verurteilung zur eidesstattlichen Versicherung
Durch Teilurteil wurde die Beklagte zur eidesstattlichen Versicherung der Richtigkeit einer an die damalige Klägerin, die spätere Insolvenzschuldnerin, erteilten Auskunft verurteilt. Ihre Berufung gegen dieses Urteil blieb ohne Erfolg, wogegen sie sich mit der Nichtzulassungsbeschwerde wendet.
Gläubigerin gerät in Insolvenz
Im Laufe des Berufungsverfahrens wurde über das Vermögen der Gläubigerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der jetzige Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser hat das Verfahren als Insolvenzverwalter sowie als Prozessstandschafter zugunsten der Insolvenzschuldnerin mit der Begründung aufgenommen, er habe sämtliche gegen die Beklagte bestehenden Forderungen, Ansprüche und Rechte einschließlich Hilfs- und Nebenansprüchen sowie sonstigen Rechten an die C. S. GmbH amp Co. KG abgetreten. Die Beklagte hat einem Parteiwechsel auf die C. S. GmbH amp Co. KG widersprochen und die Wirksamkeit der Abtretung in Zweifel gezogen.
Insolvenzverwalter erhält eine Klausel
Der Rechtspfleger des BGH hat dem Kläger antragsgemäß eine mit einer Rechtsnachfolgeklausel versehene Ausfertigung des zugunsten der Insolvenzschuldnerin ergangenen landgerichtlichen Urteils erteilt. Der hiergegen gerichteten Erinnerung hat er nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
2 II. Die Entscheidung
Umschreibung auf die Partei kraft Amtes
Die Klausel ist zu Recht erteilt worden, weil der Kläger in der nach § 727 Abs. 1 ZPO erforderlichen Form – durch Vorlage der Bestellungsbescheinigung des Insolvenzgerichts – nachgewiesen hat, zum Insolvenzverwalter bestellt worden zu sein. Für die Vollstreckung titulierter Ansprüche, die zum Vermögen des Insolvenzschuldners gehören (vgl. § 80 Abs. 1 InsO), ist § 727 ZPO auf den Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes analog anzuwenden (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 727 Rn 18; Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 727 Rn 27 f.). Der titulierte Anspruch auf eidesstattliche Versicherung der Richtigkeit einer Auskunft gehörte im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zum Vermögen der Insolvenzschuldnerin.
Abtretung hindert Umschreibung nicht
Der Erteilung der Rechtsnachfolgeklausel an den Insolvenzverwalter steht nicht entgegen, dass dieser geltend macht, der zu vollstreckende Anspruch sei während des Berufungsverfahrens im Wege der Abtretung auf die C. S. GmbH amp Co. KG übergegangen.
Bei konkurrierenden Anträgen gilt die Priorität
Im Falle der Abtretung des streitbefangenen Anspruchs nach Rechtshängigkeit (§ 265 Abs. 2 S. 1 ZPO) wirkt das Urteil gemäß § 325 ZPO für und gegen den Rechtsnachfolger. Diesem steht daher ein Recht auf die Vollstreckungsklausel gemäß § 727 ZPO jedenfalls dann zu, wenn der alte Gläubiger nicht seinerseits eine vollstreckbare Ausfertigung beansprucht und der Schuldner daher nicht der Gefahr der Doppelvollstreckung ausgesetzt ist (vgl. BGH NJW 1984, 806; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 265 Rn 80). Konkurrieren mehrere Gläubiger um die Klauselerteilung, wird sie nach dem Prioritätsprinzip erteilt (vgl. MüKoZPO/Wolfsteiner, 4. Aufl., § 727 Rn 64; Kindl/Meller-Hannich/Wolf, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 3. Aufl., § 727 Rn 39).
Insolvenzverwalter ist doppelter Prozessstandschafter
Der Kläger, der als Insolvenzverwalter einen nach Rechtshängigkeit abgetretenen Anspruch des Insolvenzschuldners einklagt, handelt in zweifacher Hinsicht als Prozessstandschafter. Einerseits ist er als Partei kraft Amtes Prozessstandschafter des Insolvenzschuldners; mit Blick auf den Zessionar liegt andererseits die gesetzliche Prozessstandschaft gemäß § 265 Abs. 2 ZPO vor (vgl. Assmann, in: Wieczorek/Schütze a.a.O. § 265 Rn 64). Als Partei kraft Amtes hat der Kläger Anspruch auf die Erteilung der Vollstreckungsklausel nach § 727 ZPO (Rn 5).
Das Eintreten der gesetzlichen Prozessstandschaft infolge Abtretung des klageweise geltend gemachten Anspruchs nach Rechtshängigkeit gemäß § 265 Abs. 2 ZPO ändert die vollstreckungsrechtliche Lage ebenso wenig wie die während des Prozesses erfolgende Abtretung durch den ursprünglichen Anspruchsinhaber: Diesem ist die Vollstreckungsklausel nach §§ 724, 725 ZPO auf seinen Antrag auch dann zu erteilen, wenn der zu vollstreckende Anspruch auf einen Dritten übergegangen ist. Er behält das Recht zur Zwangsvollstreckung, bis es aufgrund einer Klauselerteilung an den neuen Gläubiger auf diesen übergegangen oder die Zwangsvollstreckung durch den ursprünglichen Gläubiger nach § 767 ZPO für unzulässig erklärt worden...