Leitsatz
1. Bei Gesamtgläubigerschaft entsteht die Gebühr für den Gerichtsvollzieher (GV) für dieselbe Amtshandlung nur einmal.
2. Das Gemeinschaftsverhältnis der Gläubiger ist aus dem Schuldtitel auszulegen.
AG Duderstadt, Beschl. v. 25.2.2018 – 12 M 813/17
1 I. Der Fall
GBR und Gesellschafter als Gläubiger
Die Gläubiger betreiben eine radiologische Gemeinschaftspraxis. Sie wenden sich gegen die vierfache Berechnung der Gebühren durch den Gerichtsvollzieher. Auf Grundlage eines Vollstreckungsbescheids wurde der GV nach Auftrag durch die Gläubiger zur Vollstreckung gegen die Schuldnerin tätig. Der Vollstreckungstitel enthielt keine Angaben zum Gemeinschaftsverhältnis der Gläubiger. Sie wurden und werden durch denselben Rechtsanwalt vertreten.
GV ging von mehreren Aufträgen aus
Der durchgeführte Vollstreckungsversuch blieb mangels vollstreckbaren Vermögens erfolglos. Der GV stellte den Gläubigem die angefallenen Kosten in Rechnung. Dabei berechnete er die Gebühren vierfach und legte die Annahme zugrunde, dass es sich um mehrere Aufträge, da mehrere Gläubiger, handelt. Hiergegen legten die Gläubiger Erinnerung ein. Sie sind der Ansicht, sie seien Gesamtgläubiger. Die Gebühren seien deshalb nur einfach zu berechnen.
2 II. Die Entscheidung
Erinnerung ist zulässig und begründet
Die Erinnerung ist zulässig. Sie ist insbesondere gemäß § 766 Absatz 2 ZPO wegen Einwänden bezüglich der von dem Gerichtsvollzieher in Ansatz gebrachten Kosten statthaft. Die Erinnerung ist auch begründet. Der Kostenansatz des Gerichtsvollziehers ist unzutreffend. Die Kosten der Zwangsvollstreckung in vierfacher Weise sind zu Unrecht angesetzt. Es liegt lediglich ein Auftrag vor.
Gemäß Abschnitt A Nr. 2 Abs. 6 DB-GvKostG handelt es sich um denselben Auftrag, wenn mehrere Gläubiger, denen die Forderung gemeinschaftlich zusteht (z. B. Gesamtgläubiger nach § 428 BGB), aufgrund eines gemeinschaftlich erwirkten Titels die Vollstreckung oder die Zustellung des Titels beantragen. Bei einem Titel über eine teilbare Leistung ohne Angabe des Gemeinschaftsverhältnisses ist durch Auslegung zu ermitteln, ob es sich um Teilgläubigerschaft (§ 420 BGB) oder Gesamtgläubigerschaft (§ 428 BGB) handelt Die Gesamtgläubigerschaft ergibt sich aus den vorgelegten Schuldtiteln. Die gesetzliche Auslegungsregel des § 420 BGB ist eindeutig widerlegt. Wird der Titel von mehreren Gläubigern mit Hilfe eines gemeinsamen Rechtsanwalts gleichzeitig erwirkt und weist dieser nur einen einheitlichen Betrag aus, ohne nach unterschiedlichen Beteiligungen zu differenzieren, so ist dieser für das Vollstreckungsorgan so zu verstehen, dass die Forderung in Gesamtgläubigerschaft geltend gemacht ist (vgl. BGH MDR 1986, 222 für den Kostenfestsetzungsbeschluss als Titel).
Dies gilt auch für den vorliegenden Fall. Die Gläubiger haben sich bei gleichzeitiger Erwirkung des Vollstreckungstitels von einem Rechtsanwalt gemeinsam vertreten lassen. Der Titel weist einen einheitlichen Betrag in Höhe von 285,57 EUR aus, ohne einzelne Beteiligungen zu unterscheiden. In diesem Fall ist – auch ohne Angabe des Gemeinschaftsverhältnisses im Titel – der Titel für das Vollstreckungsorgan nur so zu verstehen, dass die Forderung in Gesamtgläubigerschaft geltend gemacht wird. Dieses Ergebnis ist auch sachgerecht, da so das Risiko des Schuldners, unrichtig an Teilgläubiger zu leisten, entfällt.
3 Der Praxistipp
Abgeltungsbereich der Gebühren
Der Abgeltungsbereich der Gebühren des Gerichtsvollziehers ist in § 10 des GvKostG geregelt. Von dieser Norm war auszugehen. Bei Durchführung desselben Auftrags wird eine Gebühr nach derselben Nummer des Kostenverzeichnisses (KVGvKostG) danach nur einmal erhoben.
Maßgeblich ist der Auftrag
Was unter einem Auftrag zu verstehen ist, regelt wiederrum § 3 GvKostG. Der Begriff ist im kostenrechtlichen Sinne als die Summe aller beantragten Amtshandlungen zu verstehen und stellt insoweit eine kostenrechtliche Einheit dar (BeckOK-KostR/Herrfurth, GvKostG, § 3 Rn 2–4).
Die Frage der Gesamtgläubigerschaft ist allerdings im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Nach den zitierten Durchführungsbestimmungen geht die Justiz selbst davon aus, dass in diesem Fall nur ein einheitlicher Auftrag erteilt wird, mithin auch die Gebühren des GV nur einmal anfallen.
Hinweis
Haben jedoch mehrere Gläubiger unterschiedliche Ansprüche oder unterschiedliche Titel, liegen mehrere Aufträge vor, selbst wenn sie gemeinsam eine Beauftragung des Gerichtsvollziehers vornehmen.
Wann liegt Gesamtgläubigerschaft vor?
Das AG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Frage der kostenprivilegierenden Gesamtgläubigerschaft nach dem Titel zu bestimmen ist. Dafür muss er ausgelegt werden, was im Einzelfall deshalb Schwierigkeiten machen kann, weil die Entscheidungsgründe der vollstreckbaren Ausfertigung nicht beigefügt sind.
Tipp: Es sollte deshalb schon für den Tenor hervorgehoben werden, dass die Forderung den Gläubigern "als Gesamtgläubigern" zusteht. Das kann auch im Mahnantrag angegeben werden.
FoVo 7/2018, S. 157 - 159