Leitsatz
Der Gläubiger kann einen klarstellenden Beschluss des Vollstreckungsgerichts verlangen, dass der Unterhaltsberechtigte bei der Berechnung des pfändbaren Betrags nach § 850c Abs. 1 ZPO nicht zu berücksichtigen ist, wenn der Schuldner an den Unterhaltsberechtigten keinen Unterhalt leistet.
BGH, Beschl. v. 28.9.2017 – VII ZB 14/16
1 I. Der Fall
Der Gläubiger betreibt die Zwangsvollstreckung aus einem Urteil des Amtsgerichts T. in Griechenland. Er hat den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses (PfÜB) gegen die Schuldnerin bezüglich der Pfändung mehrerer Forderungen der Schuldnerin gegenüber Drittschuldnern beantragt, hierunter das Arbeitseinkommen der Schuldnerin.
Dabei hat der Gläubiger einen Antrag auf Nichtberücksichtigung von Unterhaltsberechtigten gemäß § 850c Abs. 4 ZPO mit der Begründung gestellt, die Schuldnerin zahle keinen Unterhalt für ihre Kinder, die auch nicht bei der Schuldnerin leben würden. Das AG – Vollstreckungsgericht – hat den Gläubiger darauf hingewiesen, dass eine Anordnung nach § 850c Abs. 4 ZPO nur für den Fall möglich sei, dass der Unterhaltsberechtigte eigenes Einkommen habe, woraufhin der Gläubiger einen klarstellenden Beschluss über die Anordnung der Nichtberücksichtigung der Kinder bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens der Schuldnerin gemäß § 850c Abs. 1 S. 2 ZPO beantragt hat. AG und – im Beschwerdeverfahren – das LG haben den Antrag abgewiesen.
2 II. Die Entscheidung
BGH sieht entgegen dem LG Klarstellungsinteresse
Die gemäß § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidungen und Zurückverweisung der Sache an das AG.
Das LG ist der Auffassung, eine gesetzliche Grundlage für die vom Gläubiger begehrte Anordnung bestehe nicht, da § 850c Abs. 4 ZPO eine solche Anordnung lediglich bei eigenem Einkommen des Unterhaltsberechtigten vorsehe. Auch eine entsprechende Anwendung des § 850c Abs. 4 ZPO komme mangels Regelungslücke nicht in Betracht. Gemäß § 850c Abs. 1 S. 2 ZPO erhöhe sich der unpfändbare Anteil des Arbeitseinkommens der Schuldnerin nur, wenn die Schuldnerin aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung Unterhalt tatsächlich gewähre. Diese Rechtsfolge sei somit gesetzlich festgelegt und eine zusätzliche Anordnung überflüssig. Eine Entscheidung, wie sie vom Gläubiger begehrt werde, würde lediglich eine klarstellende Funktion haben. Da sie ohne gesetzliche Grundlage erginge, wäre sie bei nachfolgenden Streitigkeiten zwischen dem Beschwerdeführer und dem Drittschuldner über die Höhe der gepfändeten Forderung ohne Bedeutung. Da somit der begehrte Zweck nicht erreicht werden könne, fehle auch ein Rechtsschutzbedürfnis des Gläubigers. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
Nichtberücksichtigung aus § 850c Abs. 1 statt Abs. 4 ZPO
Zutreffend geht das Beschwerdegericht davon aus, dass eine Anordnung der Nichtberücksichtigung von Unterhaltsberechtigten bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens nicht auf § 850c Abs. 4 ZPO gestützt werden kann, wenn der Schuldner keinen Unterhalt zahlt. Vielmehr ergibt sich bereits aus § 850c Abs. 1 S. 2 ZPO, dass sich der unpfändbare Anteil des Arbeitseinkommens des Schuldners nur erhöht, wenn der Schuldner tatsächlich aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung Unterhalt leistet (vgl. BAG NJW 2013, 3532 Rn 14 m.w.N.). Eine entsprechende Anwendung des § 850c Abs. 4 ZPO kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil der Umstand, dass der Unterhaltsberechtigte keinen Unterhalt erhält, nicht mit der Situation vergleichbar ist, in der er ein eigenes Einkommen erzielt (vgl. BGH NJW-RR 2007, 938 Rn 16).
Blankettbeschluss begründet Anspruch auf Klarstellungsbeschluss
Entgegen der Auffassung des LG kann der Gläubiger jedoch einen klarstellenden Beschluss des Vollstreckungsgerichts verlangen, dass der Unterhaltsberechtigte bei der Berechnung des pfändbaren Betrags nach § 850c Abs. 1 ZPO nicht zu berücksichtigen ist, wenn der Schuldner an den Unterhaltsberechtigten keinen Unterhalt leistet.
Der Antrag des Gläubigers richtete sich für die Pfändung von Arbeitseinkommen auf Erlass eines Blankettbeschlusses, der gemäß § 850c Abs. 3 S. 2 ZPO wegen der Berechnung der pfändbaren Beträge auf die Anwendung der Tabelle zu dieser Vorschrift verweist. Die allgemein gefassten Angaben in einem solchen PfÜB können im Einzelfall zu Unklarheiten führen. In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass Schuldner, Gläubiger und Drittschuldner ein Rechtsschutzbedürfnis haben, derartige Unklarheiten durch Anrufung des Vollstreckungsgerichts zu beseitigen. Dieses hat dann eine klarstellende Entscheidung zu treffen, die den Blankettbeschluss ergänzt und konkrete Berechnungskriterien für den Drittschuldner aufzeigt (BGHZ 166, 48 Rn 14; Musielak/Voit/Becker, ZPO, 14. Aufl., § 850c Rn 9; Stöber, Forderungspfändung, 16. Aufl., Rn 1057; BeckOK-ZPO/Riedel, Stand: 1.7.2017, § 850c Rn 13b; Schuschke/Walker/Kessal...