Charakter der Leistung ist zu klären
Der Anspruch der Klägerin aus § 611 Abs. 1 BGB i.V.m. § 44 Abs. 1 Satz 2 TVöD BT-S auf den garantierten Anteil der SSZ ist in Höhe der Klageforderung durch Zahlung der Beklagten an den Pfändungsgläubiger erfüllt worden. Der garantierte Anteil der SSZ ist kein nach § 850a Nr. 4 ZPO (teilweise) unpfändbarer Bezug.
Unpfändbar sind nur Weihnachtsvergütungen bis 500 EUR
Unpfändbar nach § 850a Nr. 4 ZPO sind "Weihnachtsvergütungen" bis zum Betrag der Hälfte des monatlichen Arbeitseinkommens, höchstens aber bis zum Betrag von 500,00 EUR. "Weihnachtsvergütung" in diesem Sinne ist nicht nur die klassische "Weihnachtsgratifikation", die der Arbeitgeber als Beitrag zu den erhöhten Aufwendungen des Arbeitnehmers leistet, sondern kann auch eine Sondervergütung für erbrachte Arbeit sein, sofern sie aus Anlass des Weihnachtsfests gezahlt wird. Dies ergibt die Auslegung der Norm.
Auslegung nach dem Wortlaut
Der Wortlaut nimmt auf Weihnachten Bezug; dies spricht dafür, dass die Zuwendung aus diesem Anlass geleistet sein muss (vgl. MüKoZPO/Smid, 3. Aufl., § 850a Rn 16; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 22. Aufl., § 850a Rn 26; Boewer, Handbuch der Lohnpfändung, 1. Aufl., Rn 507). Der Wortteil "Vergütung" lässt darauf schließen, dass auch Zuwendungen mit Vergütungscharakter wie z.B. Abschluss- oder Jahresprämien oder ein 13. Monatsgehalt dem Pfändungsschutz unterfallen können (vgl. Boewer, Handbuch der Lohnpfändung, Rn 507; Bengelsdorf, Pfändung und Abtretung von Lohn, 2. Aufl., Rn 358).
Systematische Auslegung
Die Systematik der Vollstreckungsschutzvorschriften der §§ 850a ff. ZPO verdeutlicht, dass – unabhängig vom Charakter der Zahlung als Gratifikation oder Vergütung – nur eine zweckgerichtet im Zusammenhang mit Weihnachten geleistete Zuwendung dem Pfändungsschutz nach § 850a Nr. 4 ZPO unterfällt. Arbeitseinkommen ist im Rahmen der Pfändungsgrenzen der §§ 850c ff. ZPO grundsätzlich in vollem Umfang der Pfändung unterworfen. Zusätzlich sind der Pfändung ausnahmsweise nach § 850a Nr. 1 bis Nr. 8 ZPO bestimmte zweckgebundene Gratifikationen, Beihilfen, Entschädigungen und sonstige Zahlungen entzogen. Auch eine "Weihnachtsvergütung" muss deshalb im Rahmen der Zweckbestimmung des § 850a Nr. 4 ZPO aus Anlass von Weihnachten erbracht worden sein, um (teilweise) der Pfändung entzogen zu sein. Für ein weitergehendes Verständnis der Norm ist nach dieser Systematik des Pfändungsschutzes kein Raum (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl., § 850a Rn 1).
Auslegung anhand des Normzwecks
Der Normzweck bestätigt, dass nur eine aus Anlass von Weihnachten geleistete Zahlung dem Pfändungsschutz unterfällt. Mit den in § 850a ZPO aufgeführten Zahlungen wird überwiegend ein bestimmter Aufwand des Arbeitnehmers ausgeglichen. Nur eine typischerweise zur Deckung des erhöhten Aufwands zu Weihnachten geleistete Zuwendung kann deshalb nach Maßgabe von § 850a Nr. 4 ZPO der Pfändung entzogen sein.
BAG konkret: Sparkassensonderzahlung keine Weihnachtsvergütung
Der nach § 44 Abs. 1 Satz 2 TVöD BT-S garantierte Anteil der SSZ wird nicht als "Weihnachtsvergütung" i.S.v. § 850a Nr. 4 ZPO geleistet. Der Wortlaut der Tarifnorm, von dem vorrangig auszugehen ist (st. Rspr., BAG 24.2.2010, 10 AZR 1035/08), enthält keinen Hinweis darauf, dass der garantierte Anteil der SSZ aus Anlass von Weihnachten gezahlt wird. Die SSZ besteht nach § 44 TVöD BT-S aus einem garantierten und einem variablen, teilweise individuell leistungs- und teilweise unternehmenserfolgsbezogenen Anteil. Der garantierte Anteil der SSZ ist zwar nicht an das Erreichen bestimmter Ziele geknüpft, hat aber – mit Ausnahme der Fälligkeit nach § 44 Abs. 5 TVöD BT-S – im Übrigen dieselben Anspruchsvoraussetzungen und unterliegt denselben Kürzungsbestimmungen wie der variable Anteil der SSZ. Dies spricht für einen einheitlichen Vergütungscharakter und gegen die Annahme einer zweckbestimmt zu Weihnachten geleisteten Zahlung.
Allein der weihnachtsnahe Zahlungszeitpunkt genügt nicht
Auch dem tariflichen Gesamtzusammenhang ist ein durchgreifender Hinweis auf eine solche Zweckbestimmung nicht zu entnehmen. Die Fälligkeit des garantierten Anteils der SSZ nach § 44 Abs. 5 TVöD BT-S mit dem Entgelt für den Monat November könnte allerdings für eine anlassbezogene Zuwendung zu Weihnachten sprechen, weil die Zahlung in eine Zeitspanne fällt, in der üblicherweise Weihnachtsaufwendungen getätigt werden (vgl. MüKoZPO/Smid § 850a Rn 16; Stein/Jonas/Brehm § 850a Rn 26; Stöber, Forderungspfändung, 15. Aufl., Rn 999a). Ohne ergänzende Anhaltspunkte kann die Fälligkeit einer Zahlung in zeitlicher Nähe zu Weihnachten aber nur bei einer reinen Gratifikation durchgreifendes Indiz für das Vorliegen einer "Weihnachtsvergütung" sein; bei einer Zahlung mit Vergütungscharakter wie der SSZ ist ohne Vorliegen weiterer Anhaltspunkte hingegen regelmäßig davon auszugehen, dass geleistete Arbeit zusätzlich honoriert werden soll; damit ist eine andere als die nach § 850a Nr. 4 ZPO erforderliche Zweckbestimmung maßgeblich.
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