Leitsatz

Der garantierte Anteil der Sparkassensonderzahlung ist kein nach § 850a Nr. 4 ZPO (teilweise) unpfändbarer Bezug. Die Auslegung der Norm ergibt, dass nur eine aus Anlass von Weihnachten geleistete Zahlung dem Pfändungsschutz unterfällt. Der nach § 44 Abs. 1 S. 2 TVöD BT-S garantierte Anteil der Sparkassensonderzahlung wird jedoch nicht zweckgerichtet im Zusammenhang mit Weihnachten als "Weihnachtsvergütung" i.S.v. § 850a Nr. 4 ZPO geleistet.

BAG, 14.3.2012 – 10 AZR 778/10

I. Der Fall

Drittschuldnerin zahlte Sondervergütung an Gläubigerin

Die Parteien streiten darüber, ob der garantierte Anteil der Sparkassensonderzahlung (SSZ) nach Maßgabe von § 850a Nr. 4 ZPO unpfändbar ist. Die Schuldnerin als Klägerin ist für die Beklagte (Drittschuldnerin) tätig. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der TVöD einschließlich seines Besonderen Teils Sparkassen (TVöD BT-S) Anwendung. Die Klägerin bezog im November 2008 ein Grundentgelt nebst Zulagen i.H.v. 1.598,00 EUR brutto sowie den garantierten Anteil der SSZ i.H.v. 1.277,34 EUR brutto. Von dem sich errechnenden Nettobetrag zahlte die Beklagte auf einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss 447,05 EUR an einen Gläubiger aus.

Schuldnerin reklamiert Pfändungsschutz

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der garantierte Anteil der SSZ sei Weihnachtsvergütung i.S.v. § 850a Nr. 4 ZPO und deshalb teilweise unpfändbar. Anders die Beklagte: Der garantierte Teil der SSZ sei der "Leistungssockel" einer einheitlichen Leistungsvergütung und keine Weihnachtsvergütung. LG und LAG haben die Klage abgewiesen.

II. Die Entscheidung

Charakter der Leistung ist zu klären

Der Anspruch der Klägerin aus § 611 Abs. 1 BGB i.V.m. § 44 Abs. 1 Satz 2 TVöD BT-S auf den garantierten Anteil der SSZ ist in Höhe der Klageforderung durch Zahlung der Beklagten an den Pfändungsgläubiger erfüllt worden. Der garantierte Anteil der SSZ ist kein nach § 850a Nr. 4 ZPO (teilweise) unpfändbarer Bezug.

Unpfändbar sind nur Weihnachtsvergütungen bis 500 EUR

Unpfändbar nach § 850a Nr. 4 ZPO sind "Weihnachtsvergütungen" bis zum Betrag der Hälfte des monatlichen Arbeitseinkommens, höchstens aber bis zum Betrag von 500,00 EUR. "Weihnachtsvergütung" in diesem Sinne ist nicht nur die klassische "Weihnachtsgratifikation", die der Arbeitgeber als Beitrag zu den erhöhten Aufwendungen des Arbeitnehmers leistet, sondern kann auch eine Sondervergütung für erbrachte Arbeit sein, sofern sie aus Anlass des Weihnachtsfests gezahlt wird. Dies ergibt die Auslegung der Norm.

Auslegung nach dem Wortlaut

Der Wortlaut nimmt auf Weihnachten Bezug; dies spricht dafür, dass die Zuwendung aus diesem Anlass geleistet sein muss (vgl. MüKoZPO/Smid, 3. Aufl., § 850a Rn 16; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 22. Aufl., § 850a Rn 26; Boewer, Handbuch der Lohnpfändung, 1. Aufl., Rn 507). Der Wortteil "Vergütung" lässt darauf schließen, dass auch Zuwendungen mit Vergütungs­charakter wie z.B. Abschluss- oder Jahresprämien oder ein 13. Monatsgehalt dem Pfändungsschutz unterfallen können (vgl. Boewer, Handbuch der Lohnpfändung, Rn 507; Bengelsdorf, Pfändung und Abtretung von Lohn, 2. Aufl., Rn 358).

Systematische Auslegung

Die Systematik der Vollstreckungsschutzvorschriften der §§ 850a ff. ZPO verdeutlicht, dass – unabhängig vom Charakter der Zahlung als Gratifikation oder Vergütung – nur eine zweckgerichtet im Zusammenhang mit Weihnachten geleistete Zuwendung dem Pfändungsschutz nach § 850a Nr. 4 ZPO unterfällt. Arbeitseinkommen ist im Rahmen der Pfändungsgrenzen der §§ 850c ff. ZPO grundsätzlich in vollem Umfang der Pfändung unterworfen. Zusätzlich sind der Pfändung ausnahmsweise nach § 850a Nr. 1 bis Nr. 8 ZPO bestimmte zweckgebundene Gratifikationen, Beihilfen, Entschädigungen und sonstige Zahlungen entzogen. Auch eine "Weihnachtsvergütung" muss deshalb im Rahmen der Zweckbestimmung des § 850a Nr. 4 ZPO aus Anlass von Weihnachten erbracht worden sein, um (teilweise) der Pfändung entzogen zu sein. Für ein weitergehendes Verständnis der Norm ist nach dieser Systematik des Pfändungsschutzes kein Raum (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl., § 850a Rn 1).

Auslegung anhand des Normzwecks

Der Normzweck bestätigt, dass nur eine aus Anlass von Weihnachten geleistete Zahlung dem Pfändungsschutz unterfällt. Mit den in § 850a ZPO aufgeführten Zahlungen wird überwiegend ein bestimmter Aufwand des Arbeitnehmers ausgeglichen. Nur eine typischerweise zur Deckung des erhöhten Aufwands zu Weihnachten geleistete Zuwendung kann deshalb nach Maßgabe von § 850a Nr. 4 ZPO der Pfändung entzogen sein.

BAG konkret: Sparkassensonderzahlung keine Weihnachtsvergütung

Der nach § 44 Abs. 1 Satz 2 TVöD BT-S garantierte Anteil der SSZ wird nicht als "Weihnachtsvergütung" i.S.v. § 850a Nr. 4 ZPO geleistet. Der Wortlaut der Tarifnorm, von dem vorrangig auszugehen ist (st. Rspr., BAG 24.2.2010, 10 AZR 1035/08), enthält keinen Hinweis darauf, dass der garantierte Anteil der SSZ aus Anlass von Weihnachten gezahlt wird. Die SSZ besteht nach § 44 TVöD BT-S aus einem garantierten und einem variablen, teilweise individuell leistungs- und teil...

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