Leitsatz
1. Der Schuldner muss in der eidesstattlichen Versicherung grundsätzlich auch Ansprüche auf Beitragsrückerstattung und Leistungsansprüche aus Sachversicherungen sowie auf Erstattung von überzahlten Abschlägen auf Verträge mit Energieversorgern angeben.
2. Ob der Schuldner Fragen des Gläubigers zu diesen Themen beantworten muss, die über diejenigen hinausgehen, die im herkömmlich verwendeten Formblatt zur Erstellung des Vermögensverzeichnisses enthalten sind, hängt allerdings weiter davon ab, ob die zusätzlichen Fragen auf die konkrete Schuldnersituation abstellen oder aber ohne erkennbaren Zusammenhang mit dem konkreten Lebenssachverhalt lediglich der allgemeinen Ausforschung im Wege der Befragung auf Verdacht dienen.
BGH, 12.1.2012 – I ZB 2/11
I. Der Fall
Nachbesserungsantrag eines weiteren Gläubigers
Der Gläubiger betreibt gegen die Schuldnerin aus einem Vollstreckungsbescheid die Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung. Die Schuldnerin gab auf Betreiben eines anderen Gläubigers die eidesstattliche Versicherung ab. Dabei verneinte sie im Vermögensverzeichnis die Frage Nr. 18 nach "Ansprüchen aus Pacht-, Miet- und Leasingverträgen, auch Untermiete und Ansprüche auf Rückzahlung hinterlegter Mietkautionen". Auch die Frage Nr. 22 nach "sonstigen Forderungen" verneinte die Schuldnerin. Der Gläubiger beantragte die Nachbesserung der eidesstattlichen Versicherung durch Beantwortung folgender Fragen:
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Ist die Schuldnerin Versicherungsnehmerin diverser Sachversicherungen? Insofern wird um Bekanntgabe der Art der Versicherung, des Versicherungsunternehmens mit Angabe von dessen Sitz und der Versicherungsnummer gebeten. |
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Die Schuldnerin hat anzugeben, mit welchen Energieversorgern (Strom, Gas) Vertragsbeziehungen unterhalten werden. |
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Die Schuldnerin wird gebeten, den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des Vermieters mitzuteilen. |
Der GV bestimmte Termin zur Nachbesserung, wobei die Schuldnerin nicht erschien, so dass der Gläubiger den Erlass eines Haftbefehls beantragte. Das AG hat den Antrag zurückgewiesen. Auch die sofortige Beschwerde blieb erfolglos.
II. Die Entscheidung
Voraussetzung für den Erlass des Haftbefehls
Das LG hat zu Recht angenommen, dass die Voraussetzungen des Erlasses eines Haftbefehls nach § 901 ZPO nicht vorliegen. Der Erlass eines Haftbefehls setzt nach § 901 ZPO voraus, dass der Schuldner dem Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung unentschuldigt ferngeblieben ist oder die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung grundlos verweigert hat. Die Verpflichtung des Schuldners zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung muss damit im Termin bestanden haben (BGH NJW 2008, 3288). Daran fehlt es hier. Die Schuldnerin war zu der vom Gläubiger beantragten Nachbesserung ihrer eidesstattlichen Versicherung nicht verpflichtet.
BGH bestätigt Fragerecht des Gläubigers
Allerdings scheidet eine Nachbesserung vorliegend nicht bereits deshalb aus, weil Fragen nach Sachversicherungsverträgen, Energieversorgern und nach dem Namen und der Anschrift des Vermieters vom Schuldner im Verfahren nach § 807 ZPO grundsätzlich nicht beantwortet werden müssen. Inhalt und Umfang der Pflicht einer Nachbesserung der eidesstattlichen Versicherung bestimmen sich nach § 807 ZPO und dessen Zweck, dem Gläubiger eine Grundlage für eine etwaige Vollstreckung zu geben und ihm Kenntnis von denjenigen Vermögensstücken zu verschaffen, die möglicherweise seinem Zugriff im Wege der Zwangsvollstreckung unterliegen. Die Auskunftsverpflichtung nach § 807 ZPO kann sich auch auf künftige Forderungen erstrecken, sofern der Rechtsgrund und der Drittschuldner der Forderung im Zeitpunkt der Pfändung hinreichend bestimmt sind (BGH NJW-RR 2011, 851 = FoVo 2011, 92).
BGH: Diese Fragen muss der Schuldner beantworten …
Nach diesen Maßstäben muss der Schuldner in der eidesstattlichen Versicherung grundsätzlich auch Ansprüche auf Beitragsrückerstattung und auf Leistungsansprüche aus Sachversicherungen (vgl. LG Koblenz JurBüro 2006, 548; LG Mönchengladbach JurBüro 2008, 552, 553; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 807 Rn 24; Kessen, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 3. Aufl., § 807 Rn 26; Goebel, Zwangsvollstreckung, 2. Aufl., § 2 Rn 123; a.A. LG Münster, Beschl. v. 25.8.2009 – 5 T 376/09) sowie auf Erstattung von überzahlten Abschlägen auf Verträge mit Energieversorgern (dazu LG Koblenz JurBüro 2006, 548; AG Rüdesheim JurBüro 2008, 665 f.; AG Aachen JurBüro 2008, 664 f.; a.A. LG Münster a.a.O. juris Rn 23) und auf mietvertragliche Betriebs- und Nebenkosten (LG Kleve JurBüro 2010, 383; a.A. LG Münster a.a.O. juris Rn 19) angeben.
… wenn sie mit der Lebenswirklichkeit des Schuldners konkret in Verbindung stehen …
Ob der Schuldner Fragen des Gläubigers zu diesen Themen beantworten muss, die über diejenigen hinausgehen, welche im herkömmlich verwendeten Formblatt zur Erstellung des Vermögensverzeichnisses enthalten sind, hängt allerdings weiter davon ab, ob die zusätzlichen Fragen auf die konkrete Schuldnersituation abstellen oder aber ohne erkennbaren Zusammenhang mit ...