Leitsatz
Tilgt der Schuldner eine zum Zwecke des Forderungseinzugs treuhänderisch abgetretene Forderung gegenüber einem Inkassounternehmen als Forderungszessionar, kann die Zahlung gegenüber dem ursprünglichen Forderungsinhaber angefochten werden.
BGH, 3.4.2014 – IX ZR 201/13
1 I. Der Fall
Fiduziarische Forderungsabtretung an IKU
Der Kläger ist Insolvenzverwalter. Der Beklagten standen aus der Lieferung von Waren offene Forderungen in Höhe von 16.262,50 EUR gegen die Insolvenzschuldnerin zu. Da keine Zahlung erfolgte, beauftragte die Beklagte eine Inkassogesellschaft, wobei die Forderung fiduziarisch abgetreten wurde.
Fiduziarische Forderungsabtretung
Die Inkassogesellschaft betrieb ohne Erfolg die Zwangsvollstreckung gegen die Schuldnerin. Trotz des Hinweises der Schuldnerin auf eine mögliche Insolvenz sollte die Vollstreckung fortgesetzt werden, worauf die Schuldnerin in drei Raten 9.000 EUR zahlte, um dies zu vermeiden. Das IKU kehrte nach Abzug der Gebühren den Restbetrag an die Beklagte aus.
Insolvenzanfechtung
Der Kläger nimmt die Beklagte im Wege der Insolvenzanfechtung auf Erstattung des Zahlungsbetrages in Anspruch. Die Instanzgerichte haben die Klage abgewiesen.
2 II. Die Entscheidung/Der Praxistipp
Der BGH hatte zu entscheiden, wer nach einer fiduziarischen Abtretung Anfechtungsgegner des Insolvenzverwalters ist. In Betracht kamen der hier tatsächlich in Anspruch genommene Gläubiger oder eben die Inkassogesellschaft.
Inkassozession oder Einzugsermächtigung
Zutreffend hat das OLG angenommen, dass die Inkassogesellschaft die Zahlung der Schuldnerin auf der Grundlage einer Forderungsabtretung und nicht einer bloßen Einziehungsermächtigung erlangt hat. Ob eine Inkassozession oder eine Einziehungsermächtigung vorliegt, ist im Wege der Auslegung des Rechtsgeschäfts zu bestimmen. Die Vertragsauslegung hat in erster Linie den von den Parteien gewählten Wortlaut der Vereinbarungen und den diesem zu entnehmenden objektiv erklärten Parteiwillen zu berücksichtigen.
Wortlaut der Vereinbarung
Im Streitfall legt bereits der eindeutige Wortlaut der zwischen der Inkassogesellschaft und der Beklagten getroffenen Abrede, derzufolge die Forderung fiduziarisch abgetreten wird, eine treuhänderische Inkassozession nahe. Die Abgrenzung zwischen Inkassozession und Einziehungsermächtigung richtet sich ferner danach, ob nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Inhalt des Geschäfts die Beteiligten die überschießende Außenstellung des Treuhänders mit der Folge einer Inkassozession wollen oder ob die uneingeschränkte Auskehrung des eingezogenen Betrages an den Zedenten und damit eine Einzugsermächtigung das eigentliche Ziel der Abtretung ist. Da die Inkassogesellschaft zum Abzug ihrer Provision berechtigt sein sollte, war den Vertragspartnern ersichtlich daran gelegen, die Forderung als Vollrecht auf sie zu übertragen. Überdies ist bei einer Einziehungsermächtigung ein Rechtsschutzbedürfnis für die Einklagung der fremden Forderung im eigenen Namen erforderlich, während der Inkassozessionar als Vollrechtsinhaber berechtigt ist, die abgetretene Forderung ungeachtet eines eigenen schutzwürdigen Interesses in eigener Person einzuklagen. Wird – wie hier – ein Inkassounternehmen eingeschaltet, ist zum Zweck der erleichterten prozessualen Durchsetzbarkeit der Forderung regelmäßig von einer Forderungsabtretung auszugehen.
Hinweis
Schon im eigenen Interesse sollte im Inkassovertrag als Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstleistungscharakter nach §§ 675, 611 BGB eindeutig festgehalten werden, in welcher Form die übergebenen Forderungen bearbeitet werden sollen.
Gegen wen richtet sich die Anfechtung?
Die von der Schuldnerin an die Inkassogesellschaft als treuhänderische Empfangsbeauftragte bewirkten Zahlungen können gegenüber der Beklagten angefochten werden.
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Wird ein Dritter als Empfangsbeauftragter des Gläubigers eingeschaltet, ist der Gläubiger und nicht der Empfangsbeauftragte als Leistungsempfänger zur Rückgewähr verpflichtet. |
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Aufgrund der treuhänderischen Pflicht zur Weiterleitung des Betrages ist nicht der Treuhänder, sondern der Treugeber als Gläubiger der Forderung Leistungsempfänger. Hat der Treugeber mit dem Eingang der Zahlung auf dem Konto des Treuhänders gegen diesen aus dem Treuhand- und Auftragsverhältnis einen Herausgabeanspruch aus § 667 BGB erworben, ist er unmittelbarer Empfänger der Schuldnerleistung und damit Rückgewährschuldner gemäß § 143 Abs. 1 InsO geworden. Dies gilt auch, wenn die Zahlung einem uneigennützigen Treuhänder zu dem Zweck zugewandt wird, sie insgesamt an den Gläubiger zu übertragen. |
Fiduziarische Abtretung = uneigennütziger Treuhänder
Nach diesen Maßstäben ist die Beklagte Verpflichtete eines Anfechtungsanspruchs, weil sie die Inkassogesellschaft im Wege der Forderungsabtretung als uneigennützige Treuhänderin mit dem Empfang der von der Schuldnerin bewirkten Leistung beauftragt hat. Insoweit stellt sich die Rechtslage nicht anders als bei der Einschaltung eines Einziehungsermächtigten dar. Der Inkassozessionar und der Einziehungsermächtigte sind jeweils Treuhänder d...