Entscheidung gilt auch in der Einzelzwangs­vollstreckung

Der BGH folgt dem LG, dass in der geschilderten Fallkonstellation § 850i ZPO anzuwenden ist. Für die praktische Bedeutung der Entscheidung ist dabei unerheblich, dass sie in einem Insolvenzverfahren ergangen ist. Der Sachverhalt wäre nicht abweichend zu beurteilen, wenn die Ansprüche aus dem Nießbrauch neben den Ansprüchen auf Altersrente nach §§ 828, 829 ZPO im Rahmen der Einzelzwangsvollstreckung gepfändet worden wären.

Trotzdem verbleibt eine Zugriffsmöglichkeit

Der BGH hat nur entschieden, dass in dem maßgeblichen Fall § 850i ZPO überhaupt zur Anwendung kommt. Welche Auswirkungen das auf den konkreten Fall hat, war nicht Gegenstand des Verfahrens. Dieser Frage wird nun vielmehr das AG nachzugehen haben. Insoweit muss der Wortlaut von § 850i Abs. 1 ZPO beachtet werden.

 

Im Wortlaut: § 850i Abs. 1 ZPO

(1) Werden nicht wiederkehrend zahlbare Vergütungen für persönlich geleistete Arbeiten oder Dienste oder sonstige Einkünfte, die kein Arbeitseinkommen sind, gepfändet, so hat das Gericht dem Schuldner auf Antrag während eines angemessenen Zeitraums so viel zu belassen, als ihm nach freier Schätzung des Gerichts verbleiben würde, wenn sein Einkommen aus laufendem Arbeits- oder Dienstlohn bestünde. Bei der Entscheidung sind die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners, insbesondere seine sonstigen Verdienstmöglichkeiten, frei zu würdigen. Der Antrag des Schuldners ist insoweit abzulehnen, als überwiegende Belange des Gläubigers entgegenstehen.

Zusammenrechnung aller Einkommen

Insgesamt soll der Schuldner durch § 850i ZPO nicht besser gestellt werden, als wenn er seine gesamten Einkünfte durch unselbstständige Arbeit erzielen würde. Der Schuldner verfügt neben den Einkünften aus dem Nießbrauch von 800 EUR noch über eine Rente von 321,39 EUR, so dass sich ein Gesamteinkommen von 1.121,39 EUR ergibt. Da der Schuldner verheiratet ist, ist eine unterhaltsberechtigte Person zu berücksichtigen. Danach ergibt sich zunächst nach der Tabelle zu § 850c ZPO kein pfändbarer Betrag.

Einkünfte Unterhaltsberechtigter beachten

Hier ist allerdings die Besonderheit zu beachten, dass der Ehegatte des Schuldners über ein eigenes Einkommen in Höhe von 472,39 EUR verfügt. Das gibt die Möglichkeit, einen Antrag auf Nichtberücksichtigung des Ehegatten nach § 850c Abs. 4 ZPO zu stellen. Da die Wohnkosten bereits im Pfändungsfreibetrag des Schuldners berücksichtigt wurden und es sich um Renteneinkünfte handelt, so dass ein arbeitsbedingter Mehraufwand nicht zu sehen ist, sollte eine gänzliche Nichtberücksichtigung in Betracht kommen. Es ergibt sich dann ein pfändbarer Betrag in Höhe von immerhin noch 133 EUR.

 

Hinweis

In Anwendung von § 850c wie § 850i ZPO ist es deshalb immer angezeigt, dass eigenes Einkommen von Personen, denen gegenüber der Schuldner unterhaltspflichtig ist, geklärt wird. Gibt der Schuldner solche Einkünfte nicht freiwillig, kann hierzu die Abgabe der Vermögensauskunft nach § 802c ZPO, ggf. auch ein Nachbesserungsverfahren dienen. Der Schuldner sollte zur Motivation für eine freiwillige Auskunft darauf hingewiesen werden, dass die Abgabe der Vermögensauskunft zur Eintragung im Schuldnerverzeichnis führt.

Gläubiger muss handeln: Antrag nicht vergessen

Der Gläubiger muss für die Nichtberücksichtigung unterhaltsberechtigter Personen einen Antrag stellen. Die maßgeblichen Tatsachen werden weder von Amts wegen ermittelt noch in dieser Weise berücksichtigt. Der Antrag kann schon mit der Pfändung der Ansprüche gestellt werden und ist dann formgebunden mit dem Formular zur Pfändung gewöhnlicher Geldforderungen nach der Zwangsvollstreckungsformularverordnung. Wird das Einkommen der unterhaltsberechtigten Personen erst später ermittelt, kann der Antrag formfrei gestellt werden.

FoVo 8/2014, S. 164 - 168

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