Beschwerdefrist beginnt mit Zustellung
Die zweiwöchige Frist für eine Beschwerde gegen die Erteilung des Zuschlags beginnt für Beteiligte, die bei der Verkündung der Entscheidung nicht anwesend waren, mit der Zustellung des Zuschlagsbeschlusses (§ 98 S. 2, § 88 Satz 1 ZVG i.V.m. § 569 Abs. 1 S. 1 ZPO). Sie wäre für den Schuldner bei Einlegung der Beschwerde daher nur abgelaufen gewesen, wenn die erfolgte Zustellung des Beschlusses an die Zustellungsvertreterin wirksam oder wenn der Zuschlagsbeschluss dem Schuldner zwei Wochen vor der Einlegung tatsächlich zugegangen wäre (§ 189 ZPO). Beides ist nicht der Fall.
Zustellung an Zustellungsvertreterin unwirksam
Die Zustellung des Zuschlagsbeschlusses an die Zustellungsvertreterin ist unwirksam. Nach § 6 Abs. 1 ZVG hat das Vollstreckungsgericht einen Zustellungsvertreter zu bestellen, wenn ihm der Aufenthalt desjenigen, welchem zugestellt werden soll, nicht bekannt ist oder die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung aus sonstigen Gründen (§ 185 ZPO) gegeben sind. So verhielt es sich bereits im Zeitpunkt der Bestellung der Zustellungsvertreterin nicht, weil dem Vollstreckungsgericht – wenn auch einer anderen Abteilung in einem Parallelverfahren – bekannt war, dass der Schuldner ein Postfach unterhielt. Im Übrigen hätte das Vollstreckungsgericht, selbst wenn die Bestellung der Zustellungsvertreterin wirksam gewesen wäre, gemäß § 7 Abs. 1 ZVG von weiteren Zustellungen an diese absehen müssen, nachdem die Akten einen Vermerk über das Postfach des Schuldners enthielten.
Kenntnis von Postfach schließt Bestellung der Zustellungsvertreterin aus
Die Kenntnis von einem Postfach desjenigen, dem zuzustellen ist, steht nach Sinn und Zweck des § 6 ZVG der Kenntnis von dessen Aufenthalt gleich. Durch die Bestellung eines Zustellungsvertreters sollen Verzögerungen vermieden werden, die infolge einer sonst notwendig werdenden öffentlichen Zustellung von Beschlüssen des Vollstreckungsgerichts entstünden (vgl. Dassler/Schiffhauer/Hintzen/Engels/Rellermeyer, ZVG, 13. Aufl., § 6 Rn 1; Steiner/Hagemann, ZVG, 9. Aufl., § 6 Rn 1 u. 6). Der Vorschrift des § 6 ZVG liegt also die Vorstellung zugrunde, dass nur eine öffentliche Zustellung (§ 185 ZPO) möglich ist, wenn der Aufenthalt desjenigen, dem zugestellt werden soll, unbekannt ist.
Keine ZU an Postfach vor der ZPO-Reform 2002
Dies entsprach den vor dem Inkrafttreten des Zustellungsreformgesetzes (BGBl I 2001, S. 1206) geltenden Zustellungsvorschriften der ZPO, die Zustellungen an eine Postfachadresse nicht erlaubten. Durch das bloße Einlegen von Schriftstücken in einen Briefkasten oder eine ähnliche Einrichtung konnte eine Zustellung nicht bewirkt werden (vgl. § 181 ZPO a.F.). Eine Ersatzzustellung durch Niederlegung (§ 182 ZPO a.F.) war nur möglich, wenn der Empfänger an dem Bestimmungsort eine Wohnung hatte (vgl. BGH NJW-RR 1994, 564; BayObLGSt 1962, 222). Auch die erleichterte Zustellung nach § 4 ZVG durch Aufgabe eines Einschreibens zur Post war bei einem Postfach unmöglich, da diese nur durch ein – die Aushändigung an den Empfänger oder eine andere berechtigte Person erforderndes – sog. "Übergabe-Einschreiben", nicht aber durch ein sog. "Einwurf-Einschreiben" erfolgen kann (Stöber, ZVG, 19. Aufl., § 4 Anm. 2.3; vgl. auch BVerwGE 112, 78).
Alte Vorstellungen sind aber überholt
Die Annahme, einer Person, deren Aufenthalt unbekannt sei, könne ein Schriftstück nur im Wege der öffentlichen Zustellung zugestellt werden, ist durch die genannte Reform der Vorschriften über die Zustellung jedoch überholt. Seither ist eine Ersatzzustellung durch Einlegen des Schriftstücks in einen zu der Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung möglich, die der Adressat für den Postempfang eingerichtet hat und die für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist (§ 180 Satz 1 ZPO). Gedacht hat der Gesetzgeber primär an Vorrichtungen, die sich in räumlicher Nähe zu der Wohnung oder den Geschäftsräumen des Empfängers befinden (vgl. BT-Drucks 14/4554 S. 21).
Postfach ist "ähnliche Vorrichtung" wie ein Briefkasten
Mit dem Wortlaut der Vorschrift vereinbar ist aber auch die Annahme, eine ähnliche Vorrichtung könne ein von dem Empfänger eingerichtetes Postfach sein (BGH ZIP 2010, 395; MüKo-ZPO/Häublein, 3. Aufl., § 180 Rn 4). Jedenfalls dann, wenn eine Zustellung unter der Wohnanschrift des Empfängers ausscheidet, weil diese unbekannt oder – wie hier – nicht vorhanden ist, gebieten Sinn und Zweck der Vorschrift, das Einlegen des Schriftstücks in ein Postfach als wirksame Ersatzzustellung anzusehen.
Neue Sichtweise dient dem Zustellungszweck
Zustellungszweck ist es, dem Adressaten angemessene Gelegenheit zur Kenntnisnahme eines Schriftstücks zu verschaffen und den Zeitpunkt dieser Bekanntgabe zu dokumentieren (BT-Drucks 14/4554 S. 14). Dabei soll insbesondere die Ersatzzustellung nach § 180 S. 1 ZPO dem Adressaten einen leichteren und schnelleren Zugang zu der Sendung ermöglichen, als dies insbesondere bei einer Ersatzzustellung...