Voraussetzung des Räumungsschutzes ist sehr eng
Das LG hat die gegen die Beklagten zu 2 und 3 auf § 150 Abs. 2 ZVG und gegen den Beklagten zu 4 auf § 152 Abs. 1 ZVG, § 985 BGB gestützte Besitzverschaffungsklage des Zwangsverwalters abgewiesen, ohne die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 149 Abs. 1 ZVG für die Verfahrensschuldner, die Beklagten zu 2 und 3, und den mit ihnen zusammenwohnenden erwachsenen Sohn, den Beklagten zu 4, ausreichend geprüft zu haben. Nach dieser Regelung sind dem Verfahrensschuldner,
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wenn er zur Zeit der Beschlagnahme auf dem Grundstück wohnt, |
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die für seinen Hausstand unentbehrlichen Räume zu belassen. |
Es handelt sich um einen Fall der Unterhaltsgewährung aus Billigkeitsgründen.
Es fehlt schon am eigenen Wohnen
Das LG hat nicht festgestellt, dass die Beklagten zu 2 und 3 als Eigentümer und Verfahrensschuldner zur Zeit der Beschlagnahme unmittelbaren Eigenbesitz an dem zwangsverwalteten Grundstück hatten (§ 872 BGB). § 149 Abs. 1 ZVG setzt nach seinem Tatbestand die Wohnnutzung des zwangsverwalteten Grundstücks kraft Eigentums und unmittelbaren Eigenbesitzes durch den Verfahrensschuldner und seine mitwohnenden Familienangehörigen voraus (BGH NZI 2013, 766). Geben die Eigentümer den Hausstand auf, entfällt der Wohnungsschutz aus § 149 Abs. 1 ZVG für sie und für mitwohnende Angehörige.
Mit der Vermietung endet jeder Schutz
Dies ist grundsätzlich auch dann der Fall, wenn der Eigentümer und Verfahrensschuldner das Haus vollständig an einen Dritten zur alleinigen Nutzung vermietet und übergibt, denn dann hat er den unmittelbaren Eigenbesitz an dem Grundstück verloren. Daran ändert sich nichts, wenn er das Haus oder Teile von ihm wiederum vom Dritten zu Wohnzwecken zurückmietet: Er besitzt die angemieteten Räumlichkeiten in diesem Fall unmittelbar nicht aufgrund seines Eigentums als Eigen-, sondern aufgrund des (Unter-)Mietvertrages als Fremdbesitzer.
Organbesitz reicht auch nicht
Ebenso wenig kommt § 149 Abs. 1 ZVG zur Anwendung, wenn ein Verfahrensschuldner als Geschäftsführer einer juristischen Person innerhalb seines Aufgabenbereichs die tatsächliche Sachherrschaft über das durch ihn an die juristische Person vermietete Hausgrundstück ausübt. In diesem Fall vermittelte er dieser lediglich den Organbesitz an dem gemieteten Haus.
Einziger Schutz: der Mietvertrag …
Leiten die Beklagten zu 2 und 3 deswegen die Nutzung des Hausgrundstücks während der Zwangsverwaltung von dem Recht der Beklagten zu 1 ab, die das gesamte Anwesen mit Ausnahme der an den nicht am Prozess beteiligten Sohn vermieteten Einliegerwohnung nach dem Wortlaut der Vertragsurkunde zur alleinigen Nutzung von den Beklagten zu 2 und 3 gemietet hatte, so richtet sich die Stellung der Beklagten zu 1 zum Zwangsverwalter gemäß § 152 Abs. 2 ZVG nach dem auch dem Zwangsverwalter gegenüber wirksamen Mietvertrag. Die Beklagten zu 2 und 3 besäßen dann das Haus aufgrund ihrer Vereinbarungen mit der Beklagten zu 1 unmittelbar als Fremdbesitzer. Dann aber wäre für § 149 ZVG von vornherein kein Raum.
… der aber gekündigt werden kann
Mit der (wirksamen) Kündigung der Beklagten zu 1 hätten die Beklagten zu 2 und 3 insoweit im Grundsatz ihr abgeleitetes Besitzrecht verloren (§ 546 Abs. 2 BGB), es sei denn, sie könnten sich gegenüber dem Zwangsverwalter direkt oder analog auf den Mieterschutz des § 565 BGB berufen. Das ist nicht der Fall.
Späterer Wiedereinzug hilft nicht
Dabei spielt es keine Rolle, dass die Beklagten zu 2 und 3 zwischenzeitlich möglicherweise wieder zu unmittelbaren Eigenbesitzern geworden sind, weil die Beklagte zu 1 aufgrund des erstinstanzlichen insoweit rechtskräftigen Herausgabetitels das streitgegenständliche Hausgrundstück verlassen hat. Nach § 149 Abs. 1 ZVG, der auf den Zeitpunkt der Beschlagnahme abstellt, kommt ein Wohnrecht nur in Betracht, wenn der Verfahrensschuldner und Eigentümer in diesem Zeitpunkt bereits in dem Beschlagnahmeobjekt wohnt. Er hat also kein Wohnrecht, um in eine während des Zwangsverwaltungsverfahrens frei werdende Wohnung einzuziehen; hier kann er nur durch einen Mietvertrag mit dem Zwangsverwalter gegen Mietzinszahlung die Wohnung benutzen.
Checkliste: Wer wird von § 149 Abs. 1 ZVG geschützt?
Unter § 149 Abs. 1 ZVG fallen alle Personen, die zur Zeit der Beschlagnahme auf dem Grundstück wohnen und zum Hausstand des Eigentümers gehören. Gemeint sind die Familie und sonstige in den Haushalt aufgenommene Personen. Dazu gehören die Ehepartner, Kinder, Eltern, Geschwister, nichteheliche Lebenspartner, Kinder des Lebenspartners oder Hauspersonal. Auch wenn die Kinder volljährig sind, können sie in den Hausstand der Eltern aufgenommen sein.
Unentbehrlichkeit prüfen
Soweit der Schuldner und die zu seinem Hausstand gehörenden Personen tatsächlich im Anordnungszeitpunkt in dem zu verwaltenden Anwesen wohnen, ist zu prüfen, inwieweit welche Räume benötigt werden.
Hinweis
Um einen höheren Bedarf zu begründen, werden häufig Personen als Mitbewohner angegeben, die dort tatsächlich nicht wohnen. Der Gläubiger soll...