a) Umsetzungsgesetz zur EuErbVO
Rz. 43
Mit Dècret n°2015–1395 du 2 novembre 2015 hat der französische Gesetzgeber die (nötigsten) Umsetzungsregelungen für die EuErbVO geschaffen. In den Code de procèdure civil (C.P.C.) wurde ein eigener Abschnitt (Art. 1381–1 bis Art. 1381–4) zum Europäischen Nachlasszeugnis (ENZ – bzw. cértificat successoral européen – CSE) eingeführt. Wie erwartet liegt nach Art. 1381–1 CPC die Zuständigkeit zur Ausstellung des Europäischen Nachlasszeugnisses bei den Notaren. Auch wenn die französischen Notare nach einhelliger Auffassung nicht als Gerichte i.S.v. Art. 3 Abs. 2 EuErbVO eingestuft werden, ist diese Zuweisung nach Art. 64 S. 2 lit. b) EuErbVO möglich. Für das Verfahren verweist die genannte Vorschrift auf Art. 65–67 EuErbVO. Die nach der EuErbVO vorgesehenen beglaubigten Abschriften des Zeugnisses werden an die Beteiligten gegen Empfangsbekenntnis persönlich ausgehändigt oder per Einschreiben/Rückschein versandt, das Original des Zeugnisses wird nach Art. 1381–2 C.P.C. beim ausstellenden Notar verwahrt. Werden mehrere französische Notare bei einem Erbfall mit der Ausstellung eines CSE beauftragt, ist nach den internen notariellen Standesregeln der zuerst Angerufene zuständig. Gegen ablehnende Entscheidungen des Notars kann innerhalb von 15 Tagen Beschwerde beim Präsidenten des Tribunal judiciaire im Amtsbezirk des Notars eingelegt werden.
b) Einordnung der legataires
Rz. 44
Fraglich ist, wie die französische Systematik der Legate in einem Europäischen Nachlasszeugnis berücksichtigt werden kann. Universal- und Erbteilsvermächtnisse stellen Erbteile i.S.v. Art. 68 lit. l) EuErbVO dar und sind als solche in einem Europäischen Nachlasszeugnis zu bezeichnen. Unerheblich ist dabei, ob dem Vermächtnisnehmer die sog. saisine zusteht oder ob er sich den Besitz durch eine demande en délivrance übertragen lassen oder sich gerichtlich in den Besitz einweisen lassen muss (siehe Rdn 105). Die saisine ist nach französischem Recht für den Erwerb der Erbenstellung nicht konstitutiv. Ein legs particulier ist in einem Europäischen Nachlasszeugnis als Vermächtnis nach Art. 68 lit. m) EuErbVO aufzuführen.
c) Berücksichtigung von Noterbrechten
Rz. 45
Interessante Fragen wirft die Berücksichtigung von nach französischem Recht ggf. bestehenden (materiellen) Noterbrechten in einem Europäischen Nachlasszeugnis auf. Bis zum Inkrafttreten der letzten französischen Erbrechtsreform am 1.1.2007 stellten Noterbrechte nach französischem Recht zutreffenderweise dann in einem deutschen Erbschein zu vermerkende echte Erbrechte dar, wenn eine Herabsetzungsklage erfolgreich erhoben wurde oder wenn die Noterbrechte vom testamentarischen Erben anerkannt wurden. War zur Zeit der Erbscheinserteilung die Erhebung einer Herabsetzungsklage noch nicht erfolgt, aber noch möglich, so war es zweckmäßig, dies im Erbschein zu vermerken. Keine Erwähnung im Erbschein fanden Noterbrechte dagegen dann, wenn die Erhebung einer Herabsetzungsklage z.B. wegen Verjährung oder wegen eines Verzichts nicht mehr möglich ist.
Rz. 46
Nachdem seit 1.1.2007 die Abwicklung des französischen Noterbrechts in erster Linie durch Ausgleichszahlungen erfolgt, dürfte m.E. eine Berücksichtigung als Erbteile in einem Europäischen Nachlasszeugnis ausscheiden. Französische Noterbrechte sind damit nicht als Erbteile nach Art. 68 lit. l) EuErbVO, sondern als Beschränkung des Erben nach Art. 68 lit. n) EuErbVO aufzuführen.