Rz. 76

Der überlebende Ehegatte erhält gem. Art. 757–2 C.C. den gesamten Nachlass zu Eigentum, wenn der Erblasser keine Abkömmlinge oder Eltern hinterlässt. Dies gilt grundsätzlich selbst dann, wenn der Erblasser Geschwister oder Geschwisterkinder hinterlässt. Allerdings bestimmt Art. 757–3 C.C., dass im Falle des Vorversterbens der Eltern gegebenenfalls von Vorfahren – nicht nur von den Eltern selbst – ererbtes oder geschenktes Vermögen, sofern es in Natur im Nachlass vorhanden ist, zur Hälfte auf die Geschwister und Geschwisterkinder übergeht, sofern diese zugleich Abkömmlinge der vorverstorbenen Eltern sind.

 

Rz. 77

Hinterlässt der Erblasser Vater und Mutter, so erbt der überlebende Ehegatte nach Art. 757–1 Abs. 1 C.C. die Hälfte des Nachlasses zum Eigentum. Ist nur ein Elternteil vorhanden, so erbt er nach Art. 757–1 Abs. 2 C.C. drei Viertel des Nachlasses zum Eigentum.

 

Rz. 78

Am schlechtesten ist die Stellung des überlebenden Ehegatten, wenn er mit Abkömmlingen des Erblassers zusammentrifft. Dann erhält er gem. Art. 757 C.C. nach seiner Wahl den Nießbrauch am gesamten Nachlass oder ein Viertel des Nachlasses zu Eigentum. Das Wahlrecht des Ehegatten besteht nicht, wenn Kinder aus verschiedenen Verbindungen des Erblassers vorhanden sind. In diesem Fall erhält der überlebende Ehegatte immer ein Viertel des Nachlasses zu Eigentum. Die anderen Erben können den Ehegatten schriftlich auffordern, innerhalb von drei Monaten eine Wahl zu treffen. Kommt Letzterer diesem Verlangen nicht nach, so wird nach Art. 758–3 S. 2 C.C. eine Wahl des Nießbrauchs angenommen. Das Gleiche gilt nach Art. 758–4 C.C., wenn der Ehegatte vor Ablauf der Frist stirbt. Eine bestimmte Form für die Ausübung des Wahlrechts ist nicht vorgesehen. Das Wahlrecht ist im Übrigen höchstpersönlich.

 

Rz. 79

Zur Feststellung des genauen wertmäßigen Umfanges des Nachlasses und der Beteiligung des Ehegatten ist zunächst eine reine Berechnungsmasse, die sog. masse de calcul, zu ermitteln. Diese umfasst gem. Art. 758–5 Abs. 1 C.C. den gesamten vorhandenen Nachlass des Erblassers zuzüglich Schenkungen und testamentarischer Zuwendungen an gesetzliche Erben, wenn der Erblasser eine Ausgleichungspflicht angeordnet hat. Auch vom Verstorbenen dem Ehegatten unter Lebenden oder von Todes wegen zugewendete Gegenstände sind der Berechnungsmasse zuzuschlagen. Auf die so festgestellte Berechnungsmasse ist die dem Ehegatten zustehende Quote anzuwenden. Das Ergebnis stellt das wertmäßige Maximum des Erbes dar. Eine weitere Obergrenze stellt die sog. masse d‘exercice dar, durch die der Umfang der Gegenstände, auf die sich die Erbschaft des Ehegatten tatsächlich maximal erstrecken kann, bestimmt wird. Diese Ausübungsmasse umfasst gem. Art. 758–5 Abs. 2 C.C. lediglich die beim Tod vorhandenen Güter abzüglich an Dritte vermachte Gegenstände und abzüglich bestehender Noterbrechte. Zu Lasten des Ehegatten ist schließlich gem. Art. 758–6 C.C. anzurechnen, was ihm durch Vermächtnis oder unter Lebenden vom Erblasser zugewendet worden ist. Maximal darf der Ehegatte im Rahmen der verfügbaren Quote nach Art. 1094–1 C.C. begünstigt werden.

 

Rz. 80

Erbt der überlebende Ehegatte nach den vorstehend erläuterten Bestimmungen den gesamten Nachlass oder drei Viertel des Nachlasses, so haben bedürftige Vorfahren des Erblassers, mit Ausnahme seiner Eltern, nach Art. 758 C.C. einen Unterhaltsanspruch gegen den Nachlass. Dieser Unterhaltsanspruch muss gem. Art. 758 Abs. 2 C.C. innerhalb eines Jahres bzw. bis zur Beendigung der Teilung der Erbschaft geltend gemacht werden. Der erforderliche Betrag wird gem. Art. 758 Abs. 3 C.C. der Erbschaft vorweg entnommen und von den Erben, bei unzureichendem Nachlass auch von den Vermächtnisnehmern getragen.

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