Leitsatz
Ein die fristlose Kündigung eines Sanierungsdarlehens rechtfertigender wichtiger Grund kann vorliegen, wenn in den Vermögensverhältnissen des Darlehensnehmers seit dem Zeitpunkt, in dem das Kreditinstitut seine Mitwirkung an der Sanierung zugesagt hat, eine wesentliche Verschlechterung eingetreten ist, die die Sanierung als nicht mehr aussichtsreich erscheinen lässt.
Sachverhalt
Die klagende Bank hatte der X-GmbH und deren Tochtergesellschaft Y-GmbH bis zum Jahre 2001 laufende Kredite im Gesamtvolumen von ca. 50 Mio. DM mit dem Ziel gewährt, die Unternehmensgruppe zu sanieren. Der Beklagte übernahm eine selbstschuldnerische Höchstbetragsbürgschaft über 2,667 Mio. DM. Nach fristloser Kündigung des Darlehensverhältnisses Mitte des Jahres 2000 nahm die Bank den Bürgen in Anspruch. Der BGH hob die diesen verurteilenden Entscheidungen der Vorinstanzen auf und verwies die Sache an das OLG zurück.
Entscheidung
Nach dem Vortrag des Beklagten hatte die Bank den Bürgschaftsfall allein durch ihre Weigerung, weitere Kontoverfügungen der Gesellschaften zuzulassen, treuwidrig herbeigeführt, obwohl der gewährte Kreditrahmen bei weitem nicht ausgeschöpft war. Die Hauptschuldnerinnen hätten ihren Zahlungspflichten nur deshalb nicht mehr nachkommen können.
Ein Bürgschaftsgläubiger verwirkt seinen Anspruch gegen den Bürgen, wenn er unter Verletzung seiner Vertragspflichten gegenüber dem Hauptschuldner dessen wirtschaftlichen Zusammenbruch schuldhaft verursacht, also den Bürgschaftsfall selbst herbeiführt und damit jeden Rückgriff des Bürgen vereitelt. Ein solcher Fall kann auch dann gegeben sein, wenn ein Kreditinstitut – wie hier behauptet – den wirtschaftlichen Verfall des Hauptschuldners dadurch auslöst, dass es pflichtwidrig Verfügungen des Hauptschuldners nicht mehr zulässt, etwa Schecks nicht mehr einlöst, obwohl sich die damit einhergehende Kontobelastung im Rahmen des vereinbarten Kontokorrentkredits gehalten hätte.
Eine Verpflichtung der Bank, weitere Kontoverfügungen zuzulassen, hätte allerdings dann nicht bestanden, wenn sie das Kreditverhältnis mit sofortiger Wirkung hätte kündigen können. Eine ordentliche Kündigung war wegen der fest vereinbarten Laufzeit des Darlehensverhältnisses zwar nicht zulässig. Indes kann ein die fristlose Kündigung eines Sanierungsdarlehens rechtfertigender wichtiger Grund dann vorliegen, wenn in den Vermögensverhältnissen des Darlehensnehmers eine wesentliche Verschlechterung seit dem Zeitpunkt der vertraglichen Vereinbarung eingetreten ist. Denn das Kreditinstitut, das seine Mitwirkung an einer Sanierung zugesagt hat, muss sich an seiner Verpflichtung nicht mehr festhalten lassen, wenn die Sanierung offenkundig nicht mehr aussichtsreich erscheint. Hierzu hatte das OLG keine Feststellungen getroffen. Der BGH verlangt daher in seinem Urteil, diesen Aspekt im konkreten Fall weiter aufzuklären.
Link zur Entscheidung
BGH-Urteil vom 14.9.2004, XI ZR 184/03