Leitsatz
Das Vorliegen einer Schwangerschaft zum Zeitpunkt einer unterbliebenen Beförderung führt nicht zur Beweislastumkehr zulasten des Arbeitgebers, auch wenn in der Führungsebene des Betriebs Frauen unterrepräsentiert sind.
Sachverhalt
Das zahlenmäßige Geschlechterverhältnis in der Führungsetage eines Unternehmens muss nicht dem im gesamten Betrieb entsprechen: In einem Betrieb gab es für einen Unternehmensbereich drei Abteilungsleiter, zwei Männer und eine Frau. Als die Stelle des Vorgesetzten frei wurde, erhielt nicht die zu der Zeit schwangere Frau die Stelle, sondern einer der beiden Männer. Die Frau klagte wegen geschlechtsspezifischer Diskriminierung. Sie vertrat die Auffassung, die ihr gegenüber negative Auswahlentscheidung beruhe auf ihrer Schwangerschaft und ihrer Mutterschaft. Sie sei als Abwesenheitsvertreterin des früheren Vorgesetzten stets davon ausgegangen, dass sie dessen Nachfolge antreten werde. Entsprechendes habe er ihr auch mitgeteilt. Bei der Bekanntgabe der Nichtberücksichtigung habe er im Übrigen auch auf ihre familiäre Situation hingewiesen und erklärt, sie habe sich ja "für die Familie" entschieden. Damit sei ein Bezug ihrer familiären Situation zur Stellenbesetzung deutlich. Während des Prozesses legte sie eine Statistik vor, aus der hervorging, dass 90 % der Hauptabteilungsleiter und 70 % der Abteilungsleiter im Unternehmen Männer waren, obwohl in der Gesamtbelegschaft Frauen überwogen.
Der Fall ging durch alle Instanzen. Das Arbeitsgericht hatte den Arbeitgeber noch auf Zahlung von 17062,00 EUR als Entschädigung nach § 611a Abs. 2 BGB a.F. wegen geschlechtsspezifischer Diskriminierung bei der Beförderung verurteilt. Letztlich wurde es vom BAG an das LAG Berlin-Brandenburg zurückverwiesen.
Die Richter dort konnten keine geschlechtsspezifische Benachteiligung erkennen. Es sei der Klägerin nicht gelungen sei, Hilfstatsachen darzulegen und unter Beweis zu stellen, die eine Benachteiligung wegen ihres Geschlechtes hätten vermuten lassen. Die Umkehr der Beweislast zulasten des Arbeitgebers sei damit nicht herbeigeführt gewesen. Der Umstand ihrer Schwangerschaft reiche alleine nicht aus, indiziell die geschlechtsbezogene Benachteiligung anzunehmen. Es gebe auch keinen Erfahrungssatz, wonach bei der Besetzung einer Stelle stets der frühere "Vertreter" Priorität genösse.
Soweit der frühere Vorgesetzte im Gespräch die familiäre Situation der Klägerin angesprochen habe, sei dies als "Trostpflaster" im Hinblick auf ihre Nichtberücksichtigung erfolgt. Die Statistik sei nicht relevant. Das Verhältnis der Geschlechtsverteilung in der Gesamtbelegschaft sage nichts darüber aus, wie viele Männer bzw. Frauen sich auf Führungspositionen im Unternehmen bewerben würden. Als Beispiel führten die Richter den Einzelhandel an: Aus dem hohen Frauenanteil dort resultiere nicht zwangsläufig, dass sich entsprechend viele Frauen für Leitungsfunktionen bewerben würden. Nur weil sich der hohe Frauenanteil nicht in den Führungspositionen widerspiegle, könne man nicht von einer geschlechtsspezifischen Benachteiligung ausgehen.
Link zur Entscheidung
LAG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 12.2.2009, 2 Sa 2070/08.