Detlef Burhoff, Annika Hirsch
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Die Gegenvorstellung gehört zu den in der StPO nicht geregelten formlosen Rechtsbehelfen. |
2. |
Die Gegenvorstellung kann formlos erhoben werden und ist an keine Frist gebunden. |
3. |
Zulässig ist die Gegenvorstellung nur, wenn das Gericht seine Entscheidung selbst wieder aufheben kann. |
4. |
Grds. muss über die Gegenvorstellung entschieden werden. |
5. |
Wenn der Verteidiger gegen eine Entscheidung Verfassungsbeschwerde einlegen will, sollte er auf jeden Fall zuvor Gegenvorstellung erheben. |
Rdn 2522
Literaturhinweise:
Burhoff, Die Abrechnung (förmlicher/formloser) Rechtsbehelfe im Straf- und Bußgeldverfahren, AGS 2023, 487
Hohmann, Die Gegenvorstellung – "Stiefkind" des Strafverfahrens?, JR 1991, 10
Holzinger, Die Gegenvorstellung im Strafverfahren, ein verkannter Rechtsbehelf, StRR 2008, 208
Matt, Die Gegenvorstellung im Strafverfahren, MDR 1992, 820
Meyer-Mews, Der Befangenheitsantrag nach erfolgloser Gegenvorstellung, StraFo 2000, 369
Rüsken, Wird die Gegenvorstellung abgeschafft? – Die Anrufung des gemeinsamen Senats durch den BFH, NJW 2008, 481
Werner, Strafprozessuale Gegenvorstellung und Rechtsmittelsystem, NJW 1991, 19
Wölfl, Die Gegenvorstellung im Strafprozeß, StraFo 2003, 222.
Rdn 2523
1.a) Die Gegenvorstellung gehört zu den in der StPO nicht geregelten formlosen Rechtsbehelfen. Sie ist als eine Erscheinungsform des Petitionsrechts des Art. 17 GG grds. zulässig (BVerfG NJW 1959, 427, 430; BVerwG NJW 1976, 637; allgemein/eingehend zur Gegenvorstellung im Strafverfahren u.a. auch Beck-Michalke/Hamm, S. 693 ff. mit Muster; Burhoff/Hunsmann/Burhoff, RM, Teil B Rn 288 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt, vor § 296 Rn 23 ff.; KK-Paul, vor § 296 Rn 4; Holzinger StRR 2008, 208; Wölfl StraFo 2003, 222; Hohmann JR 1991, 10 ff.). Die Gegenvorstellung hat ihre Bedeutung nicht i.Ü. durch die Einführung der Anhörungsrüge bzw. die Erweiterung der Möglichkeiten der → Nachholung des rechtlichen Gehörs, Teil N Rdn 3252, verloren (s. aber VGH Mannheim NJW 2005, 920 und BFH NJW 2008, 543; dazu Rüsken NJW 2008, 481).
☆ Aus der Rechtsschutzgarantie des Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG folgt zwar im Grundsatz die Pflicht, über Anträge oder Eingaben auch dann förmlich zu entscheiden, wenn das Gericht mehrfach und in ähnlichen Fällen angerufen wird. Allerdings findet dieser Grundsatz eine Grenze , wenn Anträge offensichtlich aussichtslos und immer nach demselben Muster gestellt werden (BVerfG, Beschl. v. 19.4.2021 – 1 BvR 2552/18, StV 2021, 765; BGH, Beschl. v. 10.10.2023 – 2 ARs 166/21, NStZ-RR 2024, 24).Rechtsschutzgarantie des Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG folgt zwar im Grundsatz die Pflicht, über Anträge oder Eingaben auch dann förmlich zu entscheiden, wenn das Gericht mehrfach und in ähnlichen Fällen angerufen wird. Allerdings findet dieser Grundsatz eine Grenze, wenn Anträge offensichtlich aussichtslos und immer nach demselben Muster gestellt werden (BVerfG, Beschl. v. 19.4.2021 – 1 BvR 2552/18, StV 2021, 765; BGH, Beschl. v. 10.10.2023 – 2 ARs 166/21, NStZ-RR 2024, 24).
Rdn 2524
b) Die Gegenvorstellung hat – im Gegensatz zur → Dienstaufsichtsbeschwerde, Teil D Rdn 1656, – nicht die übergeordnete Instanz zum Adressaten, sondern verfolgt das Ziel, dass die Stelle, die entschieden hat, ihre eigene Entscheidung nochmals überprüft (OLG Karlsruhe Justiz 1971, 148; KK-Paul, vor § 296 Rn 4; Wölfl StraFo 2003, 222). Von der → Nachholung des rechtlichen Gehörs, Teil N Rdn 3252, gem. § 33a unterscheidet sie sich dadurch, dass das Schwergewicht nicht auf der Auseinandersetzung mit Tatsachen liegt, die verwertet worden sind, ohne dass sie dem Beschuldigten bekannt waren, sondern darauf, dass das Gericht im Hinblick auf die Bitte, erneut zu beraten und zu entscheiden, die bereits verwerteten Tatsachen einer neuen/nochmaligen Würdigung/Bewertung unterzieht (Beck-Michalke/Hamm, S. 695; Burhoff/Hunsmann/Burhoff, RM, Teil B Rn 294 f.; zur Gegenvorstellung im Ablehnungsverfahren Meyer-Mews StraFo 2000, 369; zur Umdeutung einer Gegenvorstellung in eine Anhörungsrüge BGH StraFo 2005, 251). Das Gegenvorstellungsverfahren dient also der Überprüfung, ob der wesentliche Sachvortrag des Beschuldigten bei der Entscheidung Berücksichtigung gefunden hat. Es hat nicht die Aufgabe, sich mit nach diesem Zeitpunkt neu vorgebrachten Umständen auseinanderzusetzen (BGH HRRS 2007 Nr. 384, für Gegenvorstellung gegen Haftbeschwerdeentscheidung).
Rdn 2525
Aus dem mit der Gegenvorstellung verfolgten Ziel folgt, dass der Anwendungsbereich der Gegenvorstellung, soweit es um richterliche Entscheidungen geht, verhältnismäßig gering ist (dazu aber Holzinger StRR 2008, 208, 209). Die Gegenvorstellung hat nur Bedeutung in den Fällen, in denen der Adressat befugt ist, die getroffene Entscheidung selbst wieder aufzuheben oder abzuändern oder eine entsprechende Anordnung zu treffen (OLG Karlsruhe Justiz 1984, 190; s. Teil G Rdn 2528).
☆ Allerdings sind die Gerichte im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes gehalten, ei...